Nicht wenige Beobachter haben damit gerechnet, dass das Vorhaben der Initiative „Berlin autofrei“ vor dem Berliner Verfassungsgericht ein Ende findet. Doch die Richter entschieden anders. Der Gesetzentwurf ist zulässig. Für das Volksbegehren mit dem Plan, den Autoverkehr in Berlin in weiten Teilen zu verbieten, geht es also weiter.

Ob es jemals dazu kommt, dass das Gesetz in Kraft tritt, ist ungewiss. Zunächst müssen die Aktivisten 170.000 Unterschriften sammeln und anschließend eine Mehrheit der Wähler von dem Plan überzeugen, Privatpersonen nur an maximal zwölf Tagen im Jahr zu erlauben, mit dem eigenen Auto durch die Stadt zu fahren.

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Einiges spricht dagegen, dass das gelingt. Zu krass dürften viele Berliner das Verbot empfinden. Zu kompliziert seine Umsetzung.

Kein Grundrecht aufs Autofahren

Die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts markiert dennoch einen Wendepunkt und könnte den Berliner Verkehr langfristig prägen.

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Entscheidend dafür ist nicht das Urteil selbst, sondern wie die Richter es begründen. Sie widersprechen darin der Vorstellung, wie Politik und Bürger in Deutschland in weiten Teilen über das Auto denken.

So stellt das Gericht fest, dass es weder ein Grundrecht aufs Autofahren gibt noch das Recht, jeden Punkt in der Stadt mit dem eigenen Pkw zu erreichen. Mehr noch: Selbst dort, wo das heute in Form des Gemeingebrauchs des öffentlichen Straßenlandes noch der Fall ist, muss das nicht für immer der Fall bleiben. So sehr sich Autofahrer auch daran gewöhnt haben mögen, durch eine Straße zu fahren oder dort zu parken.

Das Auto ist nicht gottgegeben

Konkrete Auswirkungen hat das nicht unmittelbar. Aber es dürfte künftige politische Entscheidungen sowie die Rechtsprechung beeinflussen.

Wenn Berlins oberstes Gericht es sogar für verhältnismäßig und durch das Grundgesetz gedeckt hält, private Autofahrten im Zentrum Berlins weitgehend zu verbieten, worin soll dann das Problem bestehen, einzelne Straßenzüge für den Kfz-Verkehr zu sperren oder Parkplätze zu entfernen?

Christian Latz ist Korrespondent für Berliner Landespolitik und Autor des Newsletters „Checkpoint“. Er hat Sozialwissenschaften, Philosophie und Journalistik in Berlin, Potsdam, Toulouse und Leipzig studiert.

Die Richter führen damit nicht zuletzt vor Augen, wie sehr Gewohnheit und Recht in Fragen des Autos in Deutschland auseinanderfallen. Das stellt keine Aufforderung dar, den Autoverkehr wo es nur geht zu verbieten. Gleichwohl darf es als Einladung an Politik und Bürger verstanden werden, anders über das private Auto und seine Bedeutung nachzudenken.

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Welchen Platz will man dem Kfz-Verkehr wo in Berlin in Zukunft geben? Die Entscheidung des Verfassungsgerichts gibt eine neue Perspektive, um über diese Frage zu debattieren.

Wie die Antworten darauf am Ende ausfallen, kann nur in der politischen Diskussion zwischen Bürgern und Parteien entschieden werden. An deren Ende könnte es auch heißen: Das Auto bleibt im Zentrum. Nur gottgegeben ist es dort eben nicht. So viel steht nach dem Urteil des Verfassungsgerichts fest.