Liebe Leserin, lieber Leser,
am Mittwochabend
vergangener Woche saßen drei Professorinnen und Professoren in einem Wohnzimmer
an der Rothenbaumchaussee und machten gemeinsam Hausmusik. Eine Romanistin von
der University of Maryland, ein Geograf aus Cambridge und ein Medizinethiker
aus Tübingen spielten mit Westerngitarre und Schellenkranz gemeinsam Wild
Horses und Sound of Silence. Zum großen Finale sangen sie Imagine
zweistimmig am Klavier: „Imagine all the people / living life in peace …“
Diese Musiker waren
Gäste des Hamburg Institute for Advanced Study, kurz HIAS, einer städtischen
Einrichtung, die von der Uni, der Wissenschaftsbehörde und mehreren Stiftungen
finanziert wird. Während man den Eindruck bekommen kann, dass in Hamburg gerade
die geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute der Reihe nach wegsterben
– dieser Tage schließt das mit großen Erwartungen gestartete New Institute, in drei Jahren folgt das Hamburger Institut für Sozialforschung –, soll es mit dem HIAS
weitergehen.
Die kleine Szene mit der
Westerngitarre veranschaulicht, worum es bei diesem Institut geht: Eine handverlesene
Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern
und Fachrichtungen kommt für drei bis zehn Monate in Hamburg zusammen. Sie soll
hier – frei von den Lehrverpflichtungen und Routinen des Universitätsbetriebs –
ihren Neigungen nachgehen. Im Mittelpunkt steht die Arbeit an der jeweiligen
Forschung, klar, aber dabei bleibt es nicht.
© ZON
Newsletter
Elbvertiefung – Der tägliche Newsletter für Hamburg
Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.
Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.
Denn die Gäste wohnen,
essen und trinken zusammen. Sie diskutieren ihre Forschung über Fächergrenzen
hinweg. Manchmal musizieren sie sogar gemeinsam. Am Ende steht im besten Fall
ein Forschungsvorhaben, eine Konferenz oder zumindest ein Netzwerk, das es
vorher noch nicht gegeben hat. Vielleicht sogar eine große neue Idee.
„You may say I’m a
dreamer / but I’m not the only one“: Ähnliche Institute gibt es in vielen
Städten, teilweise sogar schon deutlich länger als in Hamburg. Etwa das FRIAS
in Freiburg, das Zentrum für interdisziplinäre Forschung in Bielefeld oder das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald. Letzteres wurde lange von
Christian Suhm geleitet, ehe er Anfang 2025 der neue Generalsekretär des HIAS wurde.
Was Musik angeht, ist
Suhm ein bekennender Wagnerianer. Dennoch wirkte er recht beseelt von der
professoralen Popband. Anfang dieser Woche trafen wir uns zum Interview. Ich
fragte ihn, welche Pläne er für das HIAS hat, und, ob die Aufgabe, internationale
Forscherinnen und Forscher in unsere Stadt zu locken, eigentlich leichter
geworden ist, seit Donald Trump wieder im Amt ist. Lesen Sie seine Antworten hier (Z+).
Ich wünsche Ihnen einen
schönen Tag!
Ihr
Oskar Piegsa
PS: Heute ist der letzte Donnerstag des Monats,
das heißt, der gedruckten ZEIT liegen wieder die Hamburg-Seiten bei. Es geht
darin um die Frage, wieso die Stadt nicht mehr aus ihren Plätzen macht.
Außerdem erklärt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), was er gegen den
wachsenden Einfluss der Drogenkartelle im Hafen und auf den Straßen zu tun
gedenkt. Maryam Blumenthal (Grüne) spricht über ihre Pläne als neue
Wissenschaftssenatorin. Und darüber, wie sie als gebürtige Iranerin auf den
Krieg im Nahen Osten schaut.
PPS: Es wird ja viel geschnackt, wenn der Tach
lang ist. Falls Sie in Ihrem Alltag Interessantes hören – schicken Sie’s uns?
Neue „Hamburger Schnacks“ nehmen wir entgegen unter hamburg@zeit.de. Danke!
Wollen Sie uns
Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben
Sie uns eine E-Mail an hamburg@zeit.de.
WAS HEUTE WICHTIG IST
Im Zuge einer bundesweiten Aktion gegen Hass und Hetze im Internet
haben Ermittler in Hamburg fünf Wohnungen durchsucht. Die Verdächtigten, die in
keinem Zusammenhang zueinander stehen, sollen unter anderem Parolen und
Nazisymbole verbreitet oder die Hinrichtung einer Frau durch eine
Islamistengruppe gebilligt haben, teilte die Polizei mit. Bei allen
Beschuldigten handele es sich um deutsche Staatsangehörige.
© David Hammersen/dpa
Es gibt eine neue Dauerausstellung auf dem Museumsschiff „Cap San
Diego“. Auf rund 600 Quadratmetern geht es um die Geschichte des Schiffes,
Menschen und Technik sowie die Ladung. Die Ausstellung solle familientauglich
sein, sagte die Kuratorin Dawn Parisi. Die Cap San Diego ist nach Angaben
der Betreiber das größte noch fahrtüchtige Museumsschiff der Welt und hat einen
ständigen Liegeplatz an der Überseebrücke. Das Frachtschiff verkehrte von 1962
bis 1981 zwischen Hamburg und Südamerika.
Der Schauspieler und Musiker Jimi Blue Ochsenknecht ist am Hamburger
Flughafen festgenommen worden. Das bestätigten sein Management sowie die
Staatsanwaltschaft Innsbruck. Demnach gehe es um die Rechnung eines Tiroler
Hotels in Höhe von rund 14.000 Euro, die im Dezember 2021 nicht bezahlt worden
sei. Die Rechnung sei mittlerweile beglichen worden, teilte das Management mit.
In aller Kürze
• Kultursenator Carsten
Brosda (SPD) dankte Georges Delnon und Kent Nagano für ihre zehnjährige
Amtszeit an der Spitze der Staatsoper. Nach der Sommerpause folgen Tobias
Kratzer als neuer Intendant auf Delnon sowie Omer Meir Wellber als
Generalmusikdirektor auf Nagano • Die Bahnstrecke Hamburg–Lübeck wird
wohl erst 2028 saniert. Ursprünglich waren die Bauarbeiten für Juli bis
Dezember 2027 geplant • Aus den Polizeimeldungen: In einem Möbelhaus
in Moorfleet gab es einen Großeinsatz, nachdem ein ehemaliger Mitarbeiter
gegenüber einem Kollegen mit Waffengewalt gedroht hatte. Nach einem sogenannten
Schockanruf hat eine Seniorin in Osdorf Betrügern Schmuck und Münzen in
sechsstelligem Euro-Wert übergeben. In Schnelsen haben Unbekannte Holzpaletten
und Autoreifen von einer Brücke auf die Autobahn 7 geworfen
THEMA DES TAGES
© Georg Wendt/dpa
Neue Hoffnung fürs Bahnhofsviertel
Um den Obdachlosen und Suchtkranken am
Hamburger Hauptbahnhof zu helfen, soll dort ein Psychiatriezentrum entstehen –
mit einem ungewöhnlichen Therapieansatz. Lesen Sie hier einen Auszug des Artikels von
ZEIT:Hamburg-Autor Tom Kroll
Der Hamburger Psychiater Jürgen
Gallinat will dorthin, wo die Versorgung schwerer psychischer Erkrankungen
vielleicht am notwendigsten ist: zu den Obdachlosen und Suchtkranken am
Hamburger Hauptbahnhof.
Vor dem örtlichen Drogenkonsumraum,
dem Drob Inn, drängen sich dort Tag und Nacht Menschen, die die Behörden als „randständiges Milieu“ bezeichnen. Viele von ihnen sind längst aus der
offiziellen Gesundheitsversorgung rausgefallen, obdachlos und teilweise ohne
Krankenversicherung. Sie sind weitgehend angewiesen auf die Almosen von
Passanten und Freiwilligenhelfern. Auch die Straßensozialarbeit kann die Not
vor Ort nur lindern, aber nicht überwinden. Die Verelendung ist inzwischen so
sichtbar geworden, dass sich einige Pendler, Passanten und Touristen am
Hauptbahnhof nicht mehr sicher fühlen.
Zuletzt versuchte die Innenbehörde
das Problem mit mehr Druck zu lösen. Um den Bahnhof sicherer zu machen, gab es
mehr Kameras, Polizisten und Sicherheitsleute. Seitdem verschieben sich die
Probleme vom Hauptbahnhof in die Wohngebiete des Stadtteils St. Georg. Dort
berichten Anwohner, dass die Kriminalität zugenommen habe; die Süchtigen
finanzieren ihre Drogen teils über Taschendiebstähle und Raub.
Am Hansaplatz klagen Familienväter,
ihre Kinder seien nicht mehr sicher, weil Obdachlose und Suchtkranke so
aggressiv bettelten. Kürzlich sorgte eine schwere Straftat am Bahnhof für
Aufsehen. Lydia S., die nach ZEIT-Informationen an einer paranoiden Schizophrenie
litt, verletzte am Bahnsteig mit einem Messer wahllos 15 Reisende. Sie war
zuvor in Niedersachsen aus der medizinischen Versorgung gefallen.
Wie sich die neue Therapiemethode, die Gallinat am Hauptbahnhof einsetzen will, in ersten
Praxisversuchen bewährt, lesen
Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf ZEIT ONLINE.
Korrektur: Anders als
irrtümlich in der gestrigen „Elbvertiefung“ berichtet, war der Vertrag der
ehemaligen HHLA-Vorstandschefin Angela Titzrath nicht erst im Januar 2025,
sondern bereits ein Jahr zuvor im Januar 2024 verlängert worden. Wir bitten den
Fehler zu entschuldigen.
DER SATZ
© Marcus Brandt/dpa
„Der Verfassungsschutz ist mindestens ein Jahr zu
spät mit seiner Einschätzung.“
Die Gruppe
Thawra wird ab sofort vom Verfassungsschutz beobachtet. Diese Entscheidung war
überfällig, kommentiert ZEIT:Hamburg-Autor Tom Kroll.
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Wahre
Geschichte(n) im Comic: Können Graphic Novels historische Zusammenhänge
vermitteln? Und wenn ja, wie? Birgit Weyhe ist bekannt für ihre Comics über
autobiografische Stoffe und unterrichtet junge Comickünstlerinnen und
Comickünstler an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Simon
Schwartz zeichnete unter anderem Comicbände über die Republikflucht seiner
Eltern aus der DDR, über eine historische Expedition zum Nordpol und
veröffentlicht demnächst eine Comicbiografie über Karl Lagerfeld. Gemeinsam erzählen
Weyhe und Schwartz am kommenden Sonntag im Rahmen der Altonale im Kultur-Energie-Bunker
(Kebap) von ihrer Arbeit und beantworten Fragen. Ein Gespräch mit Bildern und
kurzen Lesungen, moderiert von Sascha Hommer.
Wahre Geschichte(n) im Comic, 29.6.,
19.30 Uhr, Kebap, Kultur Energie-Bunker, Schomburgstraße 6; weitere Infos und Tickets hier
MEINE STADT
Welch Ausblick bei der Teatime in the Sky © Imke Schwarz
HAMBURGER SCHNACK
Im Restaurant
mit alten Freunden aus der Studentenzeit – inzwischen sind wir alle im
Ruhestand. Beim Bezahlen erzählen wir dem freundlichen und aufmerksamen Kellner
den Anlass unseres Treffens: Vor 50 Jahren haben wir uns im Studentenheim
kennengelernt.
Er schaut uns mit einem feinen Lächeln an und meint:
„Dann sind Sie heute Abend also alle 50 Jahre jünger!“
Gehört von Marilies
Brinkmann
Das war die Elbvertiefung, der tägliche
Hamburg-Newsletter der ZEIT. Wenn Sie möchten, dass er täglich um 6 Uhr in
Ihrem Postfach landet, können Sie ihn hier
kostenlos abonnieren.