Wenn am heutigen Donnerstagvormittag die Abgeordneten von CDU, SPD, Grünen und Linke die Reform der Berliner Verwaltung beschließen, ist dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner gelungen, was nur wenige für möglich gehalten haben. Nur etwas mehr als zwei Jahre, nachdem der durch die Wahlwiederholung ins Amt gespülte CDU-Chef das Projekt zur „Chefsache“ erklärt hatte, ist die Reform inklusive Verfassungsänderung verabschiedet. Wegner selbst zitierte zuletzt mit zunehmender Wonne die vielen Zweifler an seinem Vorgehen. Er hat es ihnen gezeigt – und kann darauf völlig zu Recht stolz sein.
Denn ganz offensichtlich war es so, dass der Plan anfangs von den allermeisten und bis hinein in die eigenen Reihen müde bis mitleidig belächelt wurde. Was in 25 Jahren nicht geklappt hatte, wollte Wegner in zwei Jahren erreichen. Übergeschnappt dachten viele über den damals ob seiner Wahl zum Regierungschef geradezu euphorischen Wegner. Sie haben sich in ihm getäuscht.
Denn tatsächlich gelang ihm, woran andere zuvor gescheitert waren: Alle ins Boot zu holen. Die nicht selten untereinander zerstrittenen Bezirke und Senatsverwaltungen, die es gewohnt sind, zuallererst an sich selbst und erst dann an die anderen oder gar das große Ganze zu denken.
Wir brauchen dringend einen Kulturwandel in der Verwaltung.
Martina Klement (CSU), CDO des Landes Berlin
„Wir brauchen dringend einen Kulturwandel in der Verwaltung“, hatte die für ihre Managementfähigkeiten während des Reformprozesses gelobte Staatssekretärin für Verwaltungsmodernisierung, Martina Klement (CSU), jüngst völlig berechtigt gefordert. Allein der Umstand, dass Wegner und sie alle an einen Tisch brachten und diese bis zum Ende dort sitzen blieben, ist ein erster Schritt dorthin.
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Und auch politisch gelang ausgerechnet dem einst stramm konservativen Wegner ein echtes Husarenstück: Von CDU bis zur Linke reicht die Phalanx derer, die sich mit ihm an der Spitze auf den Weg machten und von Wegner dafür – die Opposition häufiger als der Koalitionspartner – demonstrativ öffentlich gelobt gehoben wurden. Den Sozialdemokraten war die intensive Einbindung ihrer einstigen Koalitionspartner dagegen stets ein Dorn im Auge.
Wird parteiübergreifend für ihren großen Anteil zum Gelingen des Reformpakets gelobt: Martina Klement (CSU), Digitalstaatssekretärin in Berlin.
© dpa/Jens Kalaene
Den Vorwurf, die Reform sei an ihnen gescheitert und Berlin deshalb auch weiter die Hauptstadt des Behörden-Pingpongs, wollte sich am Ende niemand machen lassen. Demokratische Parteien sind im Verbund (ver-)handlungsfähig, auch wenn sie sonst kaum inhaltliche Schnittmengen haben, so die Erzählung Wegners. In Zeiten wachsender Demokratieverdrossenheit ein ohne Zweifel wichtiges Zeichen – und ein gleichermaßen unerwarteter wie achtbarer Erfolg des Berliner Regierungschefs.
Nachhaltig aber wird dieser Schritt nur dann sein, wenn aus der Reform, die zunächst nur auf dem Papier besteht, tatsächlich spürbare Veränderungen erwachsen: Wenn erstens die rund 4000 identifizierten Verwaltungsaufgaben künftig tatsächlich erstens klar zugeordnet und zweitens auch wirklich zuverlässig erledigt werden. Wenn drittens Senatsverwaltungen oder besser Ministerien verantwortlich steuern und Bezirke verlässlich ausführen. Wenn viertens letztere dafür auskömmlich ausgestattet werden und fünftens endlich einheitlich vorgehen. Wenn sechstens weniger gegeneinander und mehr miteinander gearbeitet wird.
800
Aufgaben ohne klare Zuständigkeit wurden identifiziert
Die Liste ließe sich fortsetzen und zeigt: Die Nagelprobe dafür, dass die Reform mehr ist als ein aufwändig ausverhandelter Papiertiger, steht jetzt erst an. Und bedrohlich häufig war von Experten und Beobachtern des Prozesses zuletzt zu hören, dass die Umsetzung des Pakets alles andere als sicher ist. Viel wird dabei ankommen auf das sogenannte Konnexitätsgesetz, das die Ausstattung der Bezirke bei für sie zusätzlichen Aufgaben regeln soll. Das Schweigen der Finanzverwaltung dazu ist dröhnend.
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Erfolgreich ist die Reform erst dann, wenn die Berliner Verwaltung tatsächlich funktioniert und das Behörden-Pingpong tatsächlich Geschichte ist. Vom funktionierenden Berlin, das SPD-Chefverhandler Torsten Schneider jüngst für das kommende Jahr angekündigt hatte, ist die Hauptstadt in der Realität noch weit entfernt. Und das aktuell zu Recht positive Urteil über die Verdienste Wegners im Zuge der Verwaltungsreform kann in ein paar Jahren schon ganz anders ausfallen.