Laut Berichten etwa des Wall Street Journals fordern die USA im Rahmen der Zollverhandlungen mit der EU, dass letztere auf die Durchsetzung ihrer zentralen Gesetze zur Plattformregulierung zumindest zeitweise verzichtet. Im Fokus stehen dabei demnach vor allem die erweiterten Wettbewerbsregeln im Digital Markets Act (DMA), die viele Big-Tech-Konzerne aus den USA treffen. Das Handelsblatt will in Erfahrung gebracht haben, dass die EU-Kommission weitreichende Zugeständnisse an die US-Regierung plant. Dagegen mehrt sich der Widerstand aus Kreisen von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik.

In einem offenen Brief an die Spitze der Brüsseler Regierungsinstitution wehrt sich etwa der deutsche Startup-Verband gemeinsam mit europäischen Verbündeten etwa aus Frankreich und Italien gegen ein Einlenken. „Einen solchen Kuhhandel darf es nicht geben“, betont die Vorstandsvorsitzende der Vereinigung, Verena Pausder. „Das würde die Bemühungen der EU um eine digitale Souveränität Europas völlig konterkarieren.“ Die Einhaltung europäischer Regeln und Gesetze – und damit die Rechtsstaatlichkeit – dürfe „nicht zur Verhandlungsmasse verkommen“.

Der DMA sei „ein sachgerechtes Instrument, um strukturelle Ungleichgewichte auf digitalen Märkten zu adressieren“, argumentieren die Unterzeichner. Für junge und rasch wachsende Firmen in Europa seien die darin enthaltenen Kartellvorschriften etwa für mehr Interoperabilität elementar, um „faire Wettbewerbsbedingungen, Marktzugang und damit Innovationen zu sichern“. Wer europäische Tech-Champions ermöglichen wolle, „kann nicht gleichzeitig zentrale regulatorische Grundlagen für faire digitale Märkte zur Disposition stellen“. Eine Aussetzung würde „das Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit europäischer Gesetzgebung und die Verlässlichkeit des europäischen Binnenmarkts als stabilen Rechtsraum nachhaltig beschädigen“.

Einknicken wäre „inakzeptable Kapitulation“

In die gleiche Kerbe schlägt Felix Duffy von der zivilgesellschaftlichen Organisation LobbyControl: „Es ist absolut inakzeptabel, den US-Tech-Konzernen ein Mitspracherecht über demokratisch geschaffene Gesetze zu gewähren.“ Absehbar sei, dass die institutionelle Festschreibung von US-Einfluss die neuen Tech-Regulierungen abschwächen werde. Die EU sollte ihre Gesetze aber unabhängig und konsequent durchsetzen. Die Bundesregierung müsse in Brüssel dafür sorgen, dass der DMA hochgehalten und „nicht im Zollstreit mit den USA geopfert“ werde. Alles andere wäre ein Bruch des Koalitionsvertrages. LobbyControl forderte schon im Januar zusammen mit mehr als 30 Organisationen wie European Digital Rights (EDRi), dem Open Market Institute und Gewerkschaften die Kommission auf, ihre Regeln gegen Tech-Konzerne strikt durchzusetzen.

„Den DMA auf Eis zu legen, um die USA zu beschwichtigen, wäre eine inakzeptable Kapitulation“, warnt auch Stéphanie Yon-Courtin, eine französische EU-Abgeordnete der liberalen Renew-Fraktion. Es würde ihr zufolge einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, wenn die EU zuließe, dass Länder sie zu einer Überarbeitung bereits verabschiedeter Gesetze drängten. „Friedrich Merz droht vor Digitalkonzernen einzuknicken“, moniert Anna Lührmann, grüne Vizevorsitzende des Digitalausschuss des Bundestags, mit Blick auf die vom Bundeskanzler gezeigte Verhandlungsbereitschaft. Der offenbar im Raum stehende Deal ginge „auf Kosten unserer europäischen Souveränität“. Unter dem Deckmantel wirtschaftlicher Kompromisse würde vor allem großen US-Tech-Konzernen der Rücken gestärkt werden.

Die Trump-Regierung wertet erste Geldstrafen auf DMA-Basis gegen Apple und Meta als „wirtschaftliche Erpressung“. Ein Kommissionssprecher wollte Anfang der Woche nicht über ein potenzielles Ergebnis der Zollgespräche spekulieren. „Wir wollen ein faires und ausgewogenes Abkommen finden.“

(mho)

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