Fabian Feldmann war mal ein junger Wilder, der in Deutschland mit Irokesenschnitt und sehr kreativer Küche im ländlichen Franken von sich reden machte. Doch dann folgte er seiner Frau an die baskische Küste, die genauso wild ist wie er, erkochte sich in der Heimat der Haute Cuisine einen Stern – und hält ihn bis heute.
Ich mag Fabian Feldmann schon lange. Weil bei ihm die wilde Erscheinung, das manchmal etwas wirre Haar, die auffällige Brille mit dem dicken, schwarzen Rand, die kräftige Gestalt mit dem lauten Lachen, eben keine Pose ist, sondern Ausdruck einer inneren Haltung.
Feldmann will kein Szenekoch sein, er will auch kein Fernsehkoch werden, obwohl er durchaus das Zeug für öffentlichkeitswirksame Auftritte hätte. Nein, dieser Fabian Feldmann steht am Herd und präsentiert seine Gerichte allabendlich den Gästen, weil ihn die Küche beherrscht. Weil er gar nicht anders kann.
Feldmann und seine Frau Sarah sind ein gutes Team
(Foto: Markus Bassler)
„Ich war immer ein schwieriger Jugendlicher“, sagt Feldmann. „Ich wäre sicher auf die schiefe Bahn geraten. Da ist mir klar geworden: Ich brauche eine Arbeit, die meinen Kopf gefangen nimmt, die mich aufhören lässt, nachzudenken. Und genau diese Aufgabe, die habe ich in der Küche gefunden.“
Es ist nicht nur die Küche, es ist die ganze Profession des Kochs. Als Feldmann anfing, im Umland seiner neuen Heimat nach Produkten zu suchen, erschraken sich die Bauern, die Tierzüchter, die Fischer anfangs sogar. „Die waren es gar nicht gewohnt, dass ein Sternekoch bei denen auftaucht und nach guten Produkten fragt. Die hatten vorher nur Einkäufer aus den großen Restaurants gesehen – aber doch keine Köche.“
Die ganze Fülle des Baskenlandes
Doch nach dem Schreck kam der Respekt – und heute kann Feldmann im Baskenland aus dem Vollen schöpfen. Die Auswahl der Produkte, die Frische, die Qualität – dies hier ist das Paradies. Weil es längst nicht so dürr und heiß ist wie weiter nördlich, zwischen Biarritz und San Sebastián regnet es auch im Sommer oft. So ist die Landschaft ein echter Gemüsegarten. Im Tal der Aldudes wachsen Lämmer heran, die nur Bergkräuter und saftiges Gras fressen. In Banka werden Lachsforellen im klaren Bergwasser gezüchtet, nach deren Aroma man in Deutschland vergeblich suchen würde. Und in Saint-Jean-de-Luz fischen die Männer auf See noch mit echten Leinen statt mit Netzen – und so schmecken Seehecht und Dorade dann auch.
Sein Lamm zerlegt Feldmann am liebsten selbst.
(Foto: Mamie Baude)
Die Einkäufe erledigt Feldmann noch heute selbst, er zerlegt die Tiere, die er von den Bauern holt, er geht auf den Fischmarkt, er steht ab dem Mittag in der Küche und macht das Mise en place mit seinem kleinen Team. Ein 16-Stunden-Tag zum Kopf abschalten – das würde auch nicht jeder aushalten. Fabian Feldmann aber blüht dabei auf.
Als er mit dem Restaurant in der baskischen Heimat seiner Frau Sarah begann, war klar: Das wird kein Kinderspiel. Im fränkischen Heroldsberg hatte er einen Stern erkocht, seine Stationen in diversen Gourmettempeln waren erfolgversprechend gewesen. Aber das Frankenland war damals noch kulinarische Diaspora. In Frankreich wusste er: Die Konkurrenz ist viel größer – und würden die Franzosen sich wirklich ausgerechnet von einem Deutschen bekochen lassen? Gelten wir Teutonen den Galliern doch nicht gerade als Genussmenschen.
Doch schon zehn Monate nach der Eröffnung erkannte der Guide Michelin das Talent des Deutschen – und gab dem neuen Restaurant einen Stern, den Feldmann bis heute hält. Das ist außer ihm bisher nur David Görne gelungen, der weiter nördlich in der Normandie sein Restaurant führt.
Purismus und Geselligkeit
„L’Impertinent“ heißt der Laden in Biarritz – und das Impertinente hat durchaus einen Sinn – schließlich möchte Feldmann seine Gäste mit seiner Küche herausfordern. Es geht nicht um Provokation, sondern um Aromen, die den klassikverliebten Franzosen beim ersten Bissen ungewöhnlich vorkommen mögen.
Die Rotbarbe wird auf Holzkohle gegrillt.
(Foto: Scarlet Korge)
„Biarritz ist eine reiche Stadt, hier geht es neben den Surfern sonst sehr bürgerlich zu. Man liebt die Fischküche, aber auch die großen französischen Saucen, die Gäste lieben Butter und sanfte Aromen. Und genau da wollte ich ausbrechen.“
Das gelingt, weil ein Dîner bei Fabian Feldmann immer eine Ode an die Klarheit ist, an den Purismus. Und an die Convivialité, was in Frankreich soviel heißt wie „großzügige Geselligkeit“. Das bedeutet: Der Koch spielt nicht mit seinen Produkten und der Anrichteweise, sondern er lässt jedem Produkt genau die Aromen, die der Gast davon im besten Fall erwarten könnte – und zwar in Perfektion. Das fällt schon bei den Kleinigkeiten vorab auf: Einem Kohlrabi, der roh und gedünstet als dünnes Segel an den Tisch kommt, die Schärfe schon beim ersten Bissen ist hier nicht weggezüchtet, sondern gewollt – Feldmann traut sich starke Aromen zu. Genau wie beim Tapioka-Chip mit Fenchelsamen und scharfer Gianduja-Wurst.
Schon der erste richtige Gang macht genau da weiter: Erst kommt ein wunderbarer roter Thunfisch, der nur ganz kurz auf dem Grill lag, für ein paar kräftige Röstnoten. Dazu kommen Bohnen mit einem Kintoa-Schinken und eine kräftige Habanero-Sauce. Ein Gaumenschmaus. Sogleich, auf einem zweiten Teller den gleichen Thun als rohes Tartare mit Tomate, Liebstöckel und kräftigen säuerlich-fruchtigen Noten – auch dies ist in Frankreich eine ungewohnte Kombi.
Die Rotbarbe anschließend kommt vom Holzkohlefeuer eines japanischen Binchotan-Grills, auch die schmeckt pur und würzig zugleich, dazu gesellen sich Alge und Spitzkohl als frische, knackige Elemente.
Das Lamm ist im Baskenland sehr oft fabelhaft, hier ist es zur Vollendung präsentiert: Die saftigen Koteletts kommen mit einer tiefdunklen Jus, dazu kommen Zucchini in gelb und grün und in verschiedenen Texturen – und wieder gibt es aromatische Leuchttürme, wie eine Crème aus schwarzen Bohnen und eine kleine weiße Mousse aus spanischer Mandel mit reichlich Knoblauch. Wow, was für ein Gericht.
Abschied vom großen Menü?
Die Sterne-Konkurrenz in Frankreich ist ungleich größer als in Deutschland, aber es gibt auch mehr Menschen, die derart gern und regelmäßig essen – und die Konkurrenz belebt auch den Preiskampf. So kostet ein Menü bei Feldmann knapp über einhundert Euro, das ist bei der Produktqualität unschlagbar.
Das Meer vor der Tür liefert jeden Tag frische Zutaten.
(Foto: Mamie Baude)
Der Erfolg ist so groß, dass Feldmann nebenan in Bayonne noch eine Brasserie eröffnete: Das „Basa“, das auf baskisch „Wild“ heißt – und genau neben der Kathedrale in einem modernen Gebäude wunderbare, klare Kreationen mit baskischen Produkten anbieten. Verkaufsschlager ist das deutsch-türkisch inspirierte Kebask, das hier aber mit grandios-saftigem Lamm im französischen Brot serviert wird.
Anders als viele deutsche Köche findet Feldmann im Südwesten Frankreichs gottlob auch noch gutes Personal. „Aber die wollen keine 16 Stunden mehr arbeiten“, sagt der Koch grinsend, „wir müssen hier schon sehr auf die Work-Life-Balance achten, weil das Meer lockt, die tollen Wellen, die grandiosen Strände. Wenn meine Leute da ein wenig ihrer freien Zeit verbringen können, dann bleiben sie auch bei mir in der Küche.“ Seine Frau Sarah war früher die Sommelière, heute stellt sie das wunderschöne Geschirr des Restaurants selbst her.
Alles fein also, doch Feldmann wäre nicht Feldmann, wenn er nicht schon wieder grübeln würde, wie er sich weiterentwickeln kann. „Vielleicht ändern wir im nächsten Jahr das Konzept, schließlich wollen viele Leute heute ja kein langes Menü mehr essen. Vielleicht gibt es dann gegrillte Fische und Fleisch – und einfach ein lässigeres Beisammensein.“
Da hat er also wieder was zu tun, damit der Kopf nicht über andere Dinge grübeln kann. Doch so lange es so gut schmeckt wie bei Feldmann in Biarritz, kann das den Gästen nur recht sein.
Das Restaurant L’Impertinent ist von Dienstag bis Samstag am Abend geöffnet, am Samstag auch am Mittag. Das Menü kostet 105 bis 125 Euro, je nach der Anzahl der Gänge. Vegetarische Menüs sind möglich. Reservierungen unter www.l-impertinent.fr
Das zweite Restaurant von Fabian Feldmann ist die Brasserie Basa im benachbarten Bayonne. Reservierungen unter www.brasserie-basa.com