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Die Bundesregierung will Geflüchtete aus der Ukraine nicht mehr gesondert behandeln. Statt Bürgergeld sollen sie Asylbewerberleistungen erhalten – und zwar rückwirkend.

Berlin – Laut Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, dass Geflüchtete aus der Ukraine künftig kein Bürgergeld direkt bei der Einreise erhalten sollen. Diese Regelung wurde direkt nach Ausbruch des Krieges getroffen, im Rahmen der Massenzustromrichtlinie der EU. Politisch hat sich das später als Fehler erwiesen, nach drei Jahren Krieg haben sich die Geflüchteten aus der Ukraine nur langsam in den Arbeitsmarkt integriert. Als Grund dafür wurde oft die Höhe des Bürgergeldes genannt, das nicht zur Aufnahme einer Arbeit anreize.

Merz-Regierung will kein Bürgergeld mehr für Ukrainer: Gesetz verzögert sich

Ob die Höhe wirklich der Grund für die verzögerte Arbeitsaufnahme war, oder andere Gründe (wie fehlende Deutschkenntnisse und bürokratische Hürden) dazu beigetragen haben, sei mal dahingestellt. Die neue Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) will die Strategie ändern und neu ankommende Flüchtlinge keinen direkten Zugang zum Bürgergeld ermöglichen. Stattdessen sollen sie Asylbewerberleistungen erhalten.

Doch wie der MDR nun berichtet, verzögert sich dieser sogenannte Rechtskreiswechsel. Es gebe nach Angaben des Arbeits- und Sozialministeriums noch keinen Zeitplan und noch keinen Gesetzesentwurf. Auch habe es nach Angaben des zuständigen Ministeriums in Sachsen-Anhalt noch keine Abstimmung mit Ländern und Kommunen gegeben, die aber zwingend vorher ins Boot geholt werden müssen. Denn während das Bürgergeld aus der Haushaltskasse des Bundes geleistet wird, zahlen Länder und Kommunen die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Rückwirkende Kürzung des Bürgergeldes für Ukrainer im Gespräch

Darüber hinaus, so berichtet der öffentlich-rechtliche Sender weiter, macht eine Passage im Koalitionsvertrag den Ländern Bauchschmerzen. „Flüchtlinge mit Aufenthaltsrecht nach der Massenzustrom-Richtlinie, die nach dem 01.04.2025 eingereist sind, sollen wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten“, ist die kritische Stelle. Das würde bedeuten, dass den Geflüchteten, die jetzt noch nach Deutschland einreisen, eine Leistungskürzung droht. Theoretisch müssten die Betroffenen sogar den zu viel geleisteten Beträge zurückerstatten. Ein Bürgergeldempfänger bekommt aktuell pro Monat 553 Euro, ein Asylbewerber 441 Euro. Es würde also darum gehen, pro Person hunderte Euro an zu viel gezahlten Leistungen wieder einzusammeln.

Das Sozialministerium in Sachsen-Anhalt rät daher gegenüber dem MDR dringend davon ab, das Bürgergeld rückwirkend für alle, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind, zu streichen. Der bürokratische Aufwand wäre ungleich höher: Länder und Bund müssten zum Beispiel ausmachen, wie es mit den Unterkunftskosten der einzelnen Betroffenen aussieht, wer übernimmt die Arbeit mit den Betroffenen, wenn die Jobcenter nicht mehr verantwortlich sind? Es könnten schnell Doppelstrukturen entstehen, warnt das Ministerium.

Unklar sei auch, ob die ehemaligen Bürgergeld-Empfänger aus der Ukraine dann noch krankenversichert sein würden, oder nicht. Asylbewerber haben nur eine Mindestversorgung, die im Grunde nur für Notfälle gilt.

Es kommen immer noch monatlich tausende Ukrainer nach Deutschland

Die Frage stellt sich, wie viele Fälle das tatsächlich betreffen würde. Nach Angaben des Mediendienst Integration, das die Zahlen des Ausländerzentralregisters zitiert, waren Ende April 2025 insgesamt 1,25 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland gemeldet. Zwischen März und April waren rund 2000 neue Geflüchtete hinzugekommen, zwischen Februar und März waren es 7000 mehr.

Es ist also davon auszugehen, dass eine rückwirkende Leistungskürzung bis Ende Juni inzwischen bis zu 10.000 Menschen betreffen könnte; diese Zahl wächst von Monat zu Monat, solange es keine Änderung des Rechtskreises gibt.

Die Bundesregierung möchte hingegen die Sozialkosten, die auf dem Konto des Bundes landen, senken. Im Mai 2025 waren nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit etwa 200.000 Ukraine-Flüchtlinge, die als erwerbsfähig eingestuft werden, noch im Bürgergeld. Insgesamt beziehen 708.000 Ukrainer und Ukrainerinnen in Deutschland Bürgergeld – die meisten davon sind aber nicht erwerbsfähig (z.B. weil sie Kinder sind). Die Beschäftigungsquote der Ukrainer und Ukrainerinnen liegt bei 33,2 Prozent.