„Entschuldigung, dürfte ich mal durch?“ – immer wieder war dieser Satz am Donnerstag am Anfang der Kastanienallee in Prenzlauer Berg zu hören. Mal wollte eine ältere Dame mit Hackenporsche, mal ein Mann mittleren Alters mit seinem Fahrrad auf dem völlig überfüllten Gehweg vorbeikommen.
Die Reaktion darauf: meist ein höflich-fröhliches „Entschuldigung“ oder ein leicht überraschtes „Oh, natürlich“. Obwohl rund 200 Menschen stundenlang vor dem Restaurant Home of Dumplings ausharrten, war die Stimmung erstaunlich gelassen.
„Fühlen uns wie bei einem sozialen Experiment“
Schon seit Monaten stand auf der Fassade des asiatischen Restaurants – dessen Name bereits auf das kulinarische Angebot hinweist – zu lesen: „Home of Dumplings is coming to Prenzlauer Berg“. Am Donnerstag war es dann so weit. In der Nähe der Eberswalder Straße eröffnete die zweite Filiale. Zur Premiere gab es jedes Gericht für einen Cent. Tempura, Edamame, Kartoffelsticks oder die asiatischen Teigtaschen – von 12 bis 22 Uhr war alles praktisch kostenlos. Auf fünf Optionen war die eigene Bestellung begrenzt.
Schon bevor sich die Türen öffneten, bildeten sich meterlange Schlangen auf dem Gehweg. „Wir sind schon um 11 Uhr gekommen und warten jetzt seit eineinhalb Stunden. Ich bin gespannt, ob sich das wirklich lohnt“, erzählt Siraphob, der über Instagram von der Aktion erfahren hat. Ähnlich geht es einer Dreiergruppe junger Frauen – auch sie sind über Social Media auf das Angebot aufmerksam geworden.
„Wenn man einmal in der Schlange steht, zieht man’s durch. Dann geht man nicht mehr“, sagt Bonnie. Noch etliche Meter vom Eingang entfernt, stellt das Trio fest, dass sie bereits seit zwei Stunden in der brütenden Mittagshitze ausharren. Eine von ihnen nutzt die Zeit, um für eine Prüfung zu lernen. „Wir fühlen uns ein bisschen wie bei einem sozialen Experiment“, sagt Maida grinsend. Auf die Frage, ob sie bei diesem Experiment gewonnen oder verloren haben, schweigen die drei – und lachen.
Prognose: Wartezeiten von vier bis fünf Stunden
Auch wenn viele mit einer langen Schlange gerechnet hatten (schon um 13:30 Uhr reichte sie von der Eberswalder Straße bis zur Oderberger Straße), überraschte das Ausmaß dann doch die meisten. Auch die Betreiber selbst: „Dass die Schlange über die nächste Kreuzung hinausgehen würde, hätte ich nicht gedacht“, sagt Bau, einer der Mitarbeiter.
Dennoch werde es den ganzen Tag über genug Essen geben. „Für heute haben wir extra einen Kühllaster organisiert, in dem zusätzliche Dumplings lagern. Und wenn die leer sind, bekommen wir Nachschub aus unserer Filiale in Kreuzberg auf der Skalitzer“, erklärt der Gastronom. Das Problem sei nicht der Vorrat, sondern die begrenzte Küchengröße: „Die Küche ist auf unseren Betrieb ausgelegt – nicht auf diese Riesenschlange.“ Trotzdem zeigt er sich zufrieden mit dem Andrang.
Nach stundenlangem Anstehen: Wer es bis hierhin geschafft hat, ist vom Kassenbereich nicht mehr weit entfernt.Enno Kramer
Seit der Öffnung um 12 Uhr bewegte sich die Schlange im Schneckentempo vorwärts. Für einen einzigen Meter habe man eine halbe Stunde gebraucht, erzählt Ivan, ein Mann mittleren Alters. Seine Freunde stellten sich bereits um 11 Uhr an, kurz darauf kam er dazu. „Alle, die jetzt erst kommen, müssen vier bis fünf Stunden warten“, schätzt er.
Das stundenlange Warten sei für ihn inzwischen Routine. Erst vor ein paar Tagen stand er über eine Stunde für ein kostenloses Magnum-Eis an. Auch davon erfuhr er über Social Media: „Solche Aktionen ziehen heute zwei Gruppen an. Die einen kommen über Influencer, die anderen, weil sie einfach sparen wollen.“
Ivan hat den Eindruck, dass bei solchen Rabattaktionen auch immer mehr ältere Menschen mit dabei sind: „In Berlin ist die Lage wirtschaftlich nicht leicht. Die Löhne sinken, die Kosten steigen. Vorhin hat sich eine ältere Dame zu uns gestellt, aber sie ist dann doch wieder gegangen.“ Ein Blick in die Schlange bestätigt diesen Eindruck allerdings kaum: fast ausschließlich Jugendliche – viele davon minderjährig.
Ob sich das stundenlange Warten letztlich gelohnt hat? Da sind sich viele nicht sicher. Fünf maximale Speisen für fünf Cent – ein echtes Schnäppchen, klar. Aber dafür stand man eben auch stundenlang in der Hitze. Selbst diejenigen, die „nur“ zwei Stunden warteten und bereits gegessen haben, sind sich unschlüssig.
Eins aber ist sicher: Für Home of Dumplings war der Tag ein perfekter Einstand und wohl auch ein voller Marketing-Erfolg.
Home of Dumplings. Kastanienallee 100, 10435 Berlin. Mo-So 12-23:15 Uhr. Weitere Informationen unter www.homeofdumplings.de