WERBUNG
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben die Lage im Gazastreifen als schrecklich, beklagenswert und katastrophal bezeichnet; die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung und das Ausmaß des Hungers seien inakzeptabel.
Gleichzeitig lehnen sie es jedoch ab, das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel ganz oder teilweise auszusetzen.
Eine unabhängige Überprüfung, die ergab, dass Israel gegen die Menschenrechtsklausel verstößt, wurde lediglich zur Kenntnis genommen.
Noch im Mai hatten 17 der 27 EU-Mitgliedsstaaten die Überprüfung gefordert. Bei dem EU-Gipfel am Donnerstag beschäftigten sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs mit dem achtseitigen Bericht beim Mittagessen. In dem Dokument werden Israels Menschenrechtsverletzungen aufgelistet, darunter die Blockade der humanitären Hilfe, Militärschläge gegen Krankenhäuser und die Zwangsvertreibung der palästinensischen Bevölkerung.
Die Staats- und Regierungschefs kamen lediglich zu dem Kompromiss, „die Diskussionen über ein Follow-up fortzusetzen… unter Berücksichtigung der Entwicklung der Situation vor Ort“.
„Gutes Zeichen“, um Handlungsoptionen auszuloten
Einem Diplomaten zufolge war dies ein „gutes Zeichen“ dafür, dass die EU „auf die Notlage der Palästinenser eingeht“. Es gebe der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas die Möglichkeit, mit Israel in Kontakt zu treten und mit der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten, um weitere Handlungsoptionen auszuloten, falls sich die Lage vor Ort nicht verbessert.
Angesichts des jüngsten Waffenstillstands zwischen Israel und dem Iran argumentieren einige, dass ein Abbruch der politischen und handelspolitischen Beziehungen zu Tel Aviv keinen Sinn machen würde.
Für andere ist dies ein weiteres Zeichen für die schwache Reaktion Europas auf die andauernde Krise im Nahen Osten. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedsstaaten über den Umgang mit Israels Krieg gegen den Gazastreifen und die humanitäre Katastrophe sind so tief, dass die meisten Länder es vorziehen, Kallas entscheiden zu lassen, was als nächstes zu tun ist.
Einige warnen auch davor, dass jede Handelsmaßnahme mit Israel eine qualifizierte Mehrheit erfordern wird, die im Kollegium der Kommissare der Europäischen Kommission nur schwer zu finden sein wird.
Spanien, Irland und Slowenien machen Druck, das Assoziierungsabkomme auszusetzen
„Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die EU das Assoziierungsabkommen zwischen Europa und Israel aussetzt, als eine Maßnahme, die der humanitären Katastrophe (…) in Palästina angemessen ist“, sagte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez auf einer Pressekonferenz nach dem Ratsgipfel gegenüber Reportern. „Aus politischer und moralischer Sicht haben wir die Verpflichtung, die moralische Pflicht, Leben in Gaza zu retten“, sagte er.
Die Schlussfolgerungen vom Donnerstag zu Israel kamen trotz des Drucks von Spanien, Irland und Slowenien, deren Staats- und Regierungschefs die EU vor dem Ratsgipfel aufgefordert hatten, konkrete Schritte zu unternehmen, um die Verstöße Tel Avivs in Gaza zu verurteilen.
Irlands Taoiseach Micheál Martin sagte, dass das „Ausmaß des Gemetzels und der Zerstörung“ sowie der „Tod und die Verletzung von Kindern“ in Gaza eine „starke“ humanitäre und politische Reaktion der EU erfordere. Martin sagte, er finde es „unverständlich“, dass Europa keinen Weg finde, „Druck auf Israel auszuüben, um diesen Krieg in Gaza zu beenden“.
Einigkeit bei Forderung nach Waffenruhe in Gaza
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz sagte bereits im Voraus des Treffens, er lehne eine Überprüfung des Abkommens mit Israel ab. „Mit dieser Bundesregierung“ komme das „nicht infrage“, sagte er vor dem Gipfel.
Lediglich bei der Forderung nach einer Waffenruhe in Gaza und einer bedingungslosen Freilassung der israelischen Geiseln in Gewalt der Terrorgruppe Hamas waren sich die EU-Staats- und Regierungschefs einig.
Im Anschluss an die Ratstagung erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz, der Rat habe die Besorgnis über die humanitäre Lage in Gaza geteilt und gemeinsam mit den USA überlegt, wie die EU Druck auf Israel ausüben könne, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron forderte einen sofortigen Waffenstillstand.
Israel hat bisher seine humanitäre Blockade des Gazastreifens aufrechterhalten, um die Hamas zur Freilassung ihrer verbleibenden Geiseln zu zwingen.
Am Mittwoch tötete das israelische Militär nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums mindestens 45 Palästinenser, darunter einige, die um Hilfe gebeten hatten. Gleichzeitig gab das israelische Militär bekannt, dass sieben Soldaten bei einem Bombenanschlag getötet wurden, zu dem sich die Hamas bekannte.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Associated Press, die sich auf das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium beruft, wurden in diesem Krieg bisher mehr als 56.000 Palästinenser getötet und mehr als 131.000 verwundet.
Am Donnerstag forderte der israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Bengvir, auf X einen „vollständigen Stopp“ der humanitären Hilfe im Gazastreifen, da die derzeitige Hilfe eine „wahre Schande“ sei.