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Stand: 27.06.2025 13:19 Uhr

Die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle steigt an vielen Schulen. Pädagogen müssten das eigentlich auffangen. Doch Recherchen von Report Mainz zeigen: Manche von ihnen stehen selbst am rechten Rand.

Von David Meiländer, Philipp Reichert, Anna Stradinger, SWR

Ein Lehrer mit fragwürdiger Vergangenheit: Es geht um einen Abend im Februar 2003, wie Dokumente belegen. Sie verweisen auf eine Kriminalakte, mit Verurteilungen, unter anderem für eine Tat begangen vor 22 Jahren. Ein Mann wird laut dem Bericht in der Regionalzeitung am Boden getreten von Angreifern, die zuvor laut Pressebericht rechtsextreme Parolen gerufen haben sollen.

Der heutige Lehrer war zwar nicht der Haupttäter, verurteilt wurde er trotzdem, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monate auf Bewährung, laut Dokument wegen gefährlicher Körperverletzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Zu ihm hat das ARD-Politikmagazin Report Mainz unter anderem recherchiert.

Der Mann fiel dabei auch in anderem Zusammenhang auf, wenn auch nicht mit Straftaten: Bis Anfang 2024 war er in führender Funktion beim Altherrenverein einer Burschenschaft, die inzwischen der Verfassungsschutz im Visier hat. Und er sitzt in einem Stadtrat für die AfD, die mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz derzeit über ihre für den Prozess vorläufig ausgesetzte Einstufung als gesichert rechtsextremistische Partei vor Gericht streitet.

Klare Regeln auch für Lehrer

Es gibt klare Regeln für Lehrerinnen und Lehrer. Sie müssen sich laut dem sogenannten Beamtenstatusgesetz nicht nur „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“, sondern sogar für „deren Erhaltung“ eintreten. Für Angestellte im Landesdienst gilt ähnliches.

Doch wie passt das zu diesem Lehrer? Die zuständige Schulaufsicht lässt konkrete Fragen zu dem Mann auf Anfrage offen, verweist auf den Datenschutz und die Vertraulichkeit bei Personalangelegenheiten. Ein Einzelfall?

Die Bildungswissenschaftlerin Nina Kolleck bildet an der Universität Potsdam angehende Lehrerinnen und Lehrer aus. „Es gibt auf jeden Fall auch sehr rechtsextreme Studierende schon, auch in der Studierendenschaft, und die werden dann auch angehende Lehrkräfte”, sagt sie. „Wo man es dann meldet, dann auch nur so ein Schulterzucken kommt und die Aussage, ’naja wir hier als Universität können es nicht lösen‘.“

Der Eindruck einer Professorin. Wie oft das vorkommt, bleibt offen. Denn die Parteimitgliedschaft wird auch bei der Verbeamtung in keinem Bundesland in Deutschland abgefragt, eine Abfrage beim Verfassungsschutz, ähnlich wie bei Polizisten, wird nur in wenigen Bundesländern gemacht, wie etwa in Brandenburg bei der Verbeamtung auf Probe.

Beispiele fragwürdiger Lehrer

Das ARD-Politikmagazin Report Mainz hat sich Kandidatinnen und Kandidaten näher angeschaut, die in den vergangenen fünf Jahren für eine gesichert rechtsextremistische oder als Verdachtsfall eingestufte Partei bei Wahlen angetreten und gleichzeitig Lehrer sind: etwa 60 Personen. Es ist nur eine Annäherung, und doch gibt es darunter weitere Fälle, die Fragen aufwerfen.

Zum Beispiel ein Geschichtslehrer. Er hatte eine führende Position bei der Deutschen Burschenschaft, dem umstrittenen Dachverband, den Experten dem politisch-rechten Rand zuordnen und der immer wieder in der Öffentlichkeit auftrat. In seinen Reden kritisierte er den sogenannten Zeitgeist, Deutschland sah er in der Hand einer angeblichen „amerikanischen Vorherrschaft“. „Die einzige freie Nation in Europa, die uns auf diesem Wege helfen könnte, ist die russische“, sagte er etwa 2014 auf einer Festrede. „Die Russische Föderation ist stark genug, um uns in diesem Willen nach Freiheit zu unterstützen.“

Ein Geschichtslehrer mit fragwürdigem Geschichtsverständnis. Denn er kritisierte auch die „Mär“ einer deutschen Gedenkkultur, „die durch Anschuldigungen den sachlichen Blick auf beide Weltkriege versperrt“.

Gefahr einer Normalisierung?

Der Mann lässt Fragen von Report Mainz unbeantwortet, seine Schulaufsicht schreibt, es lägen keine „hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor“, etwa für ein Disziplinarverfahren. Genauso wie bei einem weiteren Fall. Ein Grundschullehrer, der vergangenes Jahr zweimal bei Wahlen für die Freien Sachsen angetreten war, die laut sächsischem Verfassungsschutz fest entschlossen sei „die Demokratie zunächst mithilfe von Sitzen in Stadträten von innen auszuhöhlen, um dann ihre verfassungsfeindliche Agenda umsetzen zu können“.

Das Problem an solchen Fällen? Sie hätten Auswirkungen auf die Schüler, so Nina Gbur, Geschäftsführerin des Netzwerks für Demokratie und Courage in Sachsen. Je weniger Konsequenzen es gebe, desto mehr gewöhnten sie sich an ihre Lehrer am rechten Rand. „Wenn das die völlige Normalität ist, wie will man Menschen noch beibringen, dass das nicht die Norm ist?“, sagt sie.

„Das ist ja dann die Normalisierung per se: Ich kann morgens Mathe unterrichten, abends stehe ich auf einer rechtsextremistischen Demonstration, und übermorgen sitze ich für die AfD im Stadtrat.“ Eine Gefahr sei das, gerade in dieser Zeit, in der der Staat wehrhaft sein müsse, angesichts eines immer weiter fortschreitenden Rechtsrucks.