Es kann den Surferinnen und Surfern am Freitagmittag gar nicht schnell genug gehen, das spüren möglicherweise auch die Arbeiter in den orangefarbenen Westen. Alle Absperrungen an der Welle sollen weg, alle Zäune, alle Gitter, so lautet die Ansage von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Surfen am Eisbach ist wieder erlaubt. Doch vor lauter schnell, schnell und vor den Augen der schon wartenden Sportler entfernen die Arbeiter aus Versehen auch einen Teil des Bauwerks, von dem die Surfer ins Wasser gehen.
Stillstand an der Welle, erstmal wieder. Vertreter der Interessengemeinschaft Surfen in München (IGSM) und der Stadt beraten, was nun passieren muss. Ein Stein ist unter anderem abgetragen worden, der schon seit mehr als 30 Jahren dort liegt. Aus der Lücke ragt gefährlich ein Stahlstift heraus. Dann gehen einige Arbeiter wieder zum seitlichen Bauwerk ans Wasser. Mit roten Schwimmwesten gesichert, reparieren sie den Einstieg provisorisch.
Mitarbeiter der Stadt bringen Schilder mit den neuen Regeln an. (Foto: Stephan Rumpf)
Ideal ist die Lage nicht, das beschädigte Bauwerk verändert die Strömung und macht die Welle bei viel Wasser schwerer zu surfen. Doch das ist den ersten Surfern egal, gegen 14 Uhr sind sie auf der Welle. Gut zwei Monate nach dem tödlichen Unfall einer 33 Jahre alten Frau dürfen sie das wieder. Das hat am Freitagvormittag OB Reiter schriftlich und in einem Film auf der Plattform Instagram erklärt. „Viel Spaß auf der Welle und passt auf euch auf“, sagt er.
Vorsicht gehört für Surferinnen wie Flavia Resch ohnehin zu ihrem Sport. Als die Nachricht von der Wiedereröffnung über Social Media verbreitet worden sei, sei die Community sofort in Aufruhr gewesen, sagt sie. „Instagram ist explodiert, alle haben gepostet – sogar Freunde, die nicht surfen, haben mir Fotos geschickt. Ich bin sofort hergekommen.“ Zu den ersten zehn Surfern, die nach der offiziellen Freigabe auf der Welle sind, gehört Pit Vanhöfer. Die Schließung sei auch für ihn ein harter Einschnitt gewesen, sagt er. „Natürlich waren es sehr traurige Umstände.“
Umso größer ist nun die Freude, gemeinsam mit Freunden wieder aufs Brett zu steigen. „Man kann es nicht beschreiben, was das für Glücksgefühle hier sind, endlich wieder surfen zu dürfen!“, sagt auch sein Kollege Alexander Neumann.
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In Zukunft gelten dafür aber einige neue Regeln, die OB Reiter am Freitag vorgestellt hat: So ist das Wellenreiten nur noch von 5.30 Uhr bis 22 Uhr erlaubt. Auch müssen die Sportler erfahren sein und in Begleitung surfen, damit jemand im Notfall Hilfe holen kann. Zudem müssen sie eine selbst lösende Leash nutzen. Diese soll verhindern, dass sich die Sicherungsleine nach Stürzen an Gegenständen verhakt und die Surfer unter Wasser zieht.
Dies war mutmaßlich im Frühjahr dieses Jahres der Fall, als eine 33-jährige Surferin am späten Abend des 16. April verunglückte. Eine Woche später starb sie an den Folgen des Unfalls im Krankenhaus. Die Welle war daraufhin gesperrt worden, die Staatsanwaltschaft ermittelte. Wochenlang haben die Surferinnen und Surfer Druck gemacht, die Welle so schnell wie möglich wieder freizugeben. Die Stadt wollte vorher die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten, um keine unnötigen Sicherheitsrisiken einzugehen.
Am Montag hat die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungen eingestellt und den Vorfall als „äußerst tragisches“ Unglück eingestuft. Die Stadt hat in den vergangenen Tagen die Akten eingesehen. Wichtig sei für die Freigabe gewesen, dass die Staatsanwaltschaft „kein Verschulden“ der Stadt gesehen habe, sagt OB Reiter. Das Surfen am Eisbach ist zwar bisher schon ausdrücklich auf eigene Gefahr erfolgt, doch eine gewisse Verkehrssicherungspflicht besteht trotzdem für die Stadt.
Die lange Sperre und das Zögern bei der Freigabe hätte sich die Stadt sparen können, wenn sie die Liberalitas Bavariae ernst genommen hätte, sagt Surfer Martin Grün. Für ihn und die anderen erfahrenen Sportler sei von Anfang an klar gewesen, dass es sich um ein Unglück gehandelt habe. Doch auch bei Grün, einem der Initiatoren eines offenen Briefs, in dem eine schnelle Öffnung der Welle nach dem Unfall gefordert wurde, überwiegt jetzt die Freude. „Wir sind froh, dass endlich wieder geöffnet ist“, sagt er.
Konflikt um die Sperrung
:Was seit dem tödlichen Unfall an der Eisbachwelle alles passiert ist
Es war ein Unglück, das die Stadt bewegte: Vor zwei Monaten verunglückte eine Surferin auf der weltbekannten Welle am Münchner Eisbach tödlich. Eine Chronologie der Ereignisse.
Die Surfer sind eine heterogene Gruppe, die nicht geschlossen agiert. Während Grün und seine Freunde Druck machten, arbeitete die IGSM mit der Stadt zusammen. In der Beurteilung der neuen Regeln scheint sich die Community aber weitgehend einig zu sein. Sicherheits-Leash, das Buddy-Prinzip und die Zulassung nur für körperlich fitte und erfahrene Sportler finden alle in Ordnung. Wenig sinnvoll erscheint vielen das Nacht-Surf-Verbot. Schließlich seien die Sportler das ganze Jahr über im Wasser, dann sei es auch zu den erlaubten Zeiten am Tag oder am frühen Abend dunkel.
David Roth von der IGSM zeigt sich bis auf diesen Punkt zufrieden: „Es bleibt ein Risikosport, das ist vollkommen klar. Die wichtigste Änderung ist vor allen Dingen natürlich die Leash, die jetzt selbstauslösend sein muss.“ Der Verzicht aufs Nacht-Surfen sei eine harte Pille, die sie zurzeit schlucken müssten, damit der Bach wieder fürs Surfen habe geöffnet werden können, sagt er. Roth und seine Mitstreiter hoffen aber, dass sie da noch nachverhandeln können.
Während sie noch bei den Arbeiten zur Freigabe zusehen, stellen Arbeiter parallel schon Schilder mit den Sicherheitshinweisen der Stadt auf, inklusive der neuen Regeln und der Allgemeinverfügung. Die Schrift ist klein. Deutsch und Englisch stehen untereinander. Für die Sportler am Eisbach wird sich dadurch nicht viel ändern, sie sind selbst für ihre Sicherheit verantwortlich. Das weiß auch Surferin Flavia Resch, die ihre Wünsche für die Zukunft an der Welle so ausdrückt: „Dass alles so bleibt wie früher. Mit viel Eigenverantwortung, Rücksicht – und einer Portion Respekt vor dem Wasser.“