Stand: 27.06.2025 19:43 Uhr
Die Deutsche Bahn (DB) hat am Freitag ihre Vorplanung für die Strecke zwischen Hannover und Hamburg vorgestellt. Das Unternehmen betonte, neben der Generalsanierung weiterhin auch auf einen Neubau zu setzen.
Seit Jahren wird über das Bahn-Projekt „Alpha-E“ – Ausbau oder Neubau von Bahnstrecken im Dreieck Hamburg, Hannover, Bremen – gestritten. Die Deutsche Bahn hat nun betont, dass sie an einer Neubaustrecke festhält. Diese soll über Bergen (Landkreis Celle) führen. Es seien 29 Varianten geprüft worden, teilte die Bahn mit. „Der Neubau von Hannover nach Hamburg über Bergen erfüllt die Kriterien für den Deutschland-Takt und das Ziel, mehr Platz auf den Gleisen für mehr Züge im Nah-, Fern- und Güterverkehr zu schaffen“, erklärten Vertreter der Bahn. Trotzdem soll im Jahr 2029 die Generalsanierung der bestehenden Strecke über Lüneburg und Uelzen erfolgen. Die Vorplanung für den Neubau soll im nächsten Schritt dem Bundestag vorgestellt werden – der hat das letzte Wort.
Die Deutsche Bahn hat Details zur geplanten Generalsanierung der überlasteten AlphaE-Strecke bekannt gegeben. (26.08.2024)
Verkehrsminister Tonne: „Bringt Menschen vor Ort nichts“
Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) übte am Freitag scharfe Kritik an den Plänen. Dass die Bahn weiter an ihren Planungen einer Neubaustrecke festhalte, sei „entgegen aller Vereinbarungen in Niedersachsen, ohne Rückhalt in der Region und auch entgegen der früheren Ankündigungen einer Bündelung mit vorhandenen Verkehrswegen.“ Die Neubauplanung verlaufe abseits vorhandener Infrastruktur – „und bringt den Menschen vor Ort nichts“, so Tonne weiter.
Landkreis Harburg: „Missachtung aller bisherigen Vereinbarungen“
Kritik kommt auch aus dem Landkreis Harburg. Der neue Vorstoß der Bahn sei eine klare Missachtung aller bisherigen Vereinbarungen, erklärte Landrat Rainer Rempe (CDU). Es gebe eine klare Einigung, dass die Bestandsstrecke zunächst saniert wird. Auch die Landtagsabgeordnete und Vize-Landrätin Nadja Weippert (Grüne) betonte, die Planung der Bahn sei eine Missachtung der parlamentarischen Beschlüsse. Es sei ein „Schlag ins Gesicht für alle, die sich seit Jahren für eine Verbesserung des Schienenverkehrs im Einklang mit Mensch und Natur einsetzen“, so die Grünen-Politikerin. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Seevetal, Emily Weede (CDU), kritisiert, ihre Kommune werde „durchschnitten“. Die Trasse gehe mitten durch die dörfliche Wohnbebauung. „Wenn ich das höre: Diese Neubauvariante sei für die Menschen gut – da können wir hier nur drüber lachen“, sagte Weede dem NDR Niedersachsen.
Landrat Celle: „Gefährdet massiv die Lebensqualität“
Von einem „Schlag ins Gesicht all jener, die sich jahrelang für einen verträglichen und sinnvollen Ausbau des Schienennetzes eingesetzt haben“, spricht derweil der Celler Landrat Axel Flader (CDU). Der Landkreis stehe fest an der Seite betroffener Regionen. „Eine neue Schneise durch unsere Landschaft gefährdet massiv die Lebensqualität vieler Menschen“, sagt Flader weiter.
Projektbeirat: Vorplanung trägt nicht zu kurzfristiger Lösung bei
Auch der Projektbeirat Alpha-E spricht in einem Statement von einer Vorplanung, „die nichts zur kurz- oder mittelfristig notwendigen Lösung der Probleme der Bahnstrecke beiträgt“. Die Strecke bleibe bei der vorgestellten Variante für Jahrzehnte überlastet. Die Generalsanierung 2029 bringe nur minimale Verbesserungen mit sich und ein Abschluss der Neubauarbeiten sei erfahrungsgemäß „frühestens in 20 bis 30 Jahren“ der Fall.
Zuspruch aus dem Landkreis Lüneburg
Positiv auf die Vorplanung der Deutschen Bahn reagiert unter anderem der Landkreis Lüneburg. „Für unsere Region, für ihre wirtschaftliche Entwicklung und für das gesamte norddeutsche Schienennetz ist die Neubaustrecke Hamburg-Hannover zwingend erforderlich“, so der Landrat des Landkreises Lüneburg, Jens Böther (CDU). Er spricht weiter von einer langfristigen Entlastung für Pendlerinnen und Pendler.
Pro Bahn: Pläne „sehr unterstützenswert“
Als „sehr unterstützenswert“ ordnet Malte Diehl vom Fahrgastverband Pro Bahn Niedersachsen die Pläne der Bahn ein. Es sei „eindeutig, dass es ohne Neubaustrecke nicht geht“. Dem schließt sich der Landesverband Niedersachsen des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) an. Der von der Landesregierung als Teilprojekt von „Alpha-E“ geforderte Ausbau reicht laut VCD nicht aus. Das Land müsse sich „jetzt auf die Vorteile besinnen“. Dazu gehöre etwa die Einrichtung von zwei neuen Bahnhöfen in Soltau und Bergen.
Infrastruktur ist Verkehrsprognosen nicht gewachsen
Die Strecke Hannover-Hamburg gehört nach Angaben der Bahn mit einer Auslastung von 147 Prozent zu den am stärksten überlasteten und unpünktlichsten Strecken Deutschlands. Durch die vom Bund prognostizierten steigenden Zugzahlen werde das zunehmend zu Problem, so die Deutsche Bahn. Man sei mit der derzeitigen Infrastruktur nicht in der Lage, den Verkehrsprognosen des Bundes gerecht zu werden, sagt DB-Konzernbevollmächtigte für die Länder Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein, Ute Plambeck.
Von Hannover nach Hamburg unter einer Stunde
Laut der Verkehrsprognose des Bundes sollen auf der Strecke täglich 400 Züge fahren. Derzeit seien jedoch nur 200 möglich, so der Leiter Infrastrukturprojekte Regionalbereich Nord DB InfraGO, Frank Limprecht. Limprecht zufolge bringt die Strecke viele Vorteile für die Region. So wäre beispielsweise Hamburg von Soltau per neuem Express-Nahverkehr in 30 statt in 84 Minuten erreichbar. Und auch die Strecke Hannover-Hamburg wäre unter einer Stunde zu schaffen. Wann genau der erste Zug über die Neubaustrecke fahren wird, ist noch unklar. Der Bahn zufolge hängt das davon ab, wann sich der Bundestag mit dem Projekt befasst.
Was ist Alpha-E? Um welche Bahnstrecke dreht sich der Streit? Was spricht für und gegen einen Neubau? Ein FAQ.
Bei der Generalsanierung 2029 sind nach NDR Informationen für die Strecke keine zusätzlichen Gleise vorgesehen.
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