Stand: 27.06.2025 20:01 Uhr

Brandenburg will mit einem Gesetzesvorhaben zum Bürokratie-Abbau die Klagerechte von Umweltverbänden einschränken. Alle Fraktionen im Landtag begrüßen den Schritt. Der Verband Nabu dagegen warnt, es fehle künftig ein Korrektiv. Von Andreas B. Hewel

Die Liste war lang, die Hanka Mittelstädt am Freitag im Sonderausschuss Bürokratie-Abbau im Brandenburger Landtag vortrug: Eine halbe Stunde lang zählte die SPD-Ministerin für Landwirtschaft und Umweltschutz eine ganze Flut von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien auf, die vereinfacht werden sollen.
 
Regelrechte Wortungetüme tauchen da auf. Von einer Abfallverbrennungsabwasserverordnung ist da die Rede, von einer Abrechnungsfristenberatungsrichtlinie und gar von einer Apfelbaumrodungsverordnung. Wofür es alles Regeln gibt, mag man sich da fragen. Alles Regelungen, die derzeit auf dem Prüfstand stehen und möglicherweise abgeschafft werden.

Symbolbild: Baustelle mit Familienhäusern in Brandenburg. (Quelle: dpa/Steinach)

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Extra-Klagerechte in Brandenburg sollen abgeschafft werden

Eine Gesetzesregelung aber soll sicher fallen: Umweltverbände haben derzeit noch die Möglichkeit, gegen Planungsvorhaben zu klagen, wenn sie Umweltbelange nicht genügend berücksichtigt sehen. Damit haben Umweltverbände in Brandenburg eine deutlich weitreichendere Klagemöglich als auf Bundesebene. Damit soll jetzt Schluss sein. Im neuen Gesetzentwurf zum Bürokratie-Abbau, der am Freitag im Landtagsausschuss auch bestätigt wurde, heißt es, dass nur noch die Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes gelten sollen.

Umweltministerin verteidigt Einschränkung

Von darüber hinausgehenden Rechten, die bislang das Land Brandenburg den Umweltverbänden einräumte, ist also keine Rede mehr. Umweltministerin Hanka Mittelstädt verteidigt die Einschränkung. „Wir ändern lediglich, dass wir auf Bundesgesetzgebung wieder zurückgehen“, betont die Ministerin. „Das heißt, die Mitwirkungsrechte bleiben nach wie vor bestehen, sind aber auf Bundesgesetzebene reguliert. Wir haben sie nicht deutlich abgeschafft, sondern wir haben sie beschränkt.“
 
Der Koalitionspartner BSW unterstützt diese Beschränkung, auch wenn dieser das selbst nicht als Einschränkung sehen will. „Wir haben die Rechte der Naturschutz-Verbände tatsächlich gar nicht eingeschränkt“, sagt André von Ossowski von der BSW-Fraktion. „Wir haben auf Bundesebene, das wurde von allen noch einmal erwähnt, die Rechte zurückgeführt. Nach wie vor werden die Naturschutz-Verbände auch gehört.“

Archivbild:20.03.2025, Brandenburg, Potsdam: Robert Crumbach (BSW), Brandenburgs Minister der Finanzen und für Europa.(Quelle:dpa/S.Stache)

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Umweltschutzverbände beklagen Demokratie-Abbau

Zurückgeführt, aber nicht eingeschränkt? Der Naturschutzverband Nabu in Brandenburg sieht das anders. Von Demokratieabbau statt Bürokratieabbau spricht gar die Landesgeschäftsführerin des Nabu, Christiane Schröder. „Für uns werden ganz klar ganz stark die Beteiligungsrechte beschnitten und auch die Klagerechte“, erklärt Schröder. „Das ist für die Verfahren aus unserer Sicht ein großes Manko, weil jetzt kein Korrektiv mehr da ist, das auch noch einmal draufgucken könnte, was denn die Behörden entscheiden. Leider sind viele der Entscheidungen fehlerhaft und dem wird jetzt zukünftig noch viel mehr Tür und Tor geöffnet.“

Zustimmung bei der Opposition

Doch auch beide Oppositionsparteien im Landtag, AfD und die CDU, verteidigen das Gesetzesvorhaben der Landesregierung. Für die AfD sei diese ein wichtiger Schritt im Bürokratie-Abbau. Zudem würde das Gesetz nur auf das Niveau der Bundesebene zurückgestutzt werden. „Die Sachen, die im Brandenburger Gesetz zusätzlich geregelt worden sind“, so Lars Hünich aus der AfD-Fraktion, „hat man zurückgenommen. Das ist absolut begrüßenswert.“
 
Auch Unionsfraktionschef Jan Redmann kann die Kritik des Nabu nicht nachvollziehen. „Wir haben in Brandenburg eine sehr gut aufgestellte Umweltverwaltung in den Landkreisen und auch auf der Landesebene mit dem Landesumweltamt, die natürlich prüfen, dass auch weiterhin Umweltrecht eingehalten wird“, sagt Redmann. „Insofern muss man sich wirklich fragen, ob es diese Doppelstruktur braucht, dass es einerseits behördlich geprüft wird und dann aber nochmal Umweltschutzverbände selbst auch klagen dürfen. Wir sind der Auffassung, das ist ausgeufert in der Vergangenheit. Da sind zu oft Voraussetzungen geschaffen worden, um die Verfahren einfach zu verlängern.“ Und er fügt an: „Diese Klagerechte führen am Ende dazu, dass die Genehmigungsverfahren sehr viel länger brauchen.“ Die Union wolle natürlich die Umwelt schützen.
 
In vielen Bereichen aber seien viele kleine Beiträge dazu geleistet worden, Genehmigungsverfahren zu verlängern. Jetzt sei man an dem Punkt angelangt, wo nicht wenige Zweifel hätten, dass das gegenwärtige Genehmigungssystem eines sei, das international nicht mehr wettbewerbsfähig sei, so Redmann. Genehmigungsverfahren dauerten mittlerweile so lange, dass sie Investoren abgeschreckt werden würden. Das sei nicht mehr tragbar.

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Nabu sieht Verantwortung bei den Verwaltungen

Der Nabu weist das zurück. „Dass Dinge lange dauern“, beklagt Christiane Schröder, „liegt in Deutschland nicht an den Umweltverbänden und nicht an den Naturschutzgesetzen. Das liegt tatsächlich an den Wasserköpfen in der Verwaltung und häufig dem geringen Entscheidungswillen, dass Verfahren erstmal sehr lange liegen, bis überhaupt mal jemand draufguckt. Die Umweltverbände haben vier Wochen Beteiligungsfrist.“ Danach sei das Mitwirkungsrecht verwirkt. Maximal also würde es ohne diese Mitwirkung vier Wochen schneller. Genehmigungsverfahren allerdings dauerten oft zwei bis drei Jahre.
 
Ganz stimmt das nicht, denn werden in dieser Frist durch die Umweltschutzverbände Klagen vor Gericht erhoben, kann es deutlich länger dauern, bis diese entschieden werden. Überhaupt will Umweltministerin Hanka Mittelstädt den Vorwurf eines Demokratie-Abbaus nicht stehen lassen. „Demokratie hat mit Mitwirkung zu tun“, sagt die Ministerin. „Die Mitwirkungsrechte bestehen nach wie vor. Deswegen ist das für mich in der Tat kein Demokratie-Abbau.“
 
Gut möglich, dass dieses Gesetzesvorhaben, das die Klagerechte der Umweltverbände einschränkt und generell den Bürokratie-Abbau vorantreiben soll, eines der wenigen Gesetze im Brandenburger Landtag wird, dem alle Fraktionen im Landtag zustimmen werden. Im Ausschuss am Freitag jedenfalls war dies der Fall.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.06.2025, 18:20 Uhr

Rundfunk Berlin-Brandenburg