Am Ende flog dann noch das Wort „Feiglinge“ durch den Raum, denn den Mut, einem gemeinsamen Antrag von Grünen und SPD zum Lebensmittel-Port am Lindenauer Hafen zuzustimmen, hatte die Stadtratsmehrheit dann doch nicht. Entsiegelung – ja. Aber einen Verkaufsort für landwirtschaftliche Produkte aus der Region? Ochnee, nicht so wichtig. So kann man die Haltung der Stadtratsmehrheit am 25. Juni durchaus interpretieren, die lieber dem sehr vagen Verwaltungsstandpunkt zustimmte als dem etwas forscheren Antrag von Grünen und SPD.
Dass es bei den derzeit noch von der Polizei genutzten Bauten an Westufer des Lindenauer Hafens auch um das Thema Graue Energie geht und eine mögliche Nachnutzung eben als Lebensmittel-Port, das betonte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Kristina Weyh gleich mehrfach.
„Wenn es ernsthaft gewollt ist, dass unsere Bauern in der Region nachhaltiger und klimagerechter produzieren, brauchen sie unsere Unterstützung und wir brauchen kurze Wertschöpfungsketten zum Verbraucher, um die großartigen Produkte bezahlbar in der Stadt anbieten zu können. Außerdem entspricht die Umsetzung solcher Themen der EKSP-Strategie der Stadt Leipzig und bietet viele Möglichkeiten, die Stadt-Umland-Beziehungen nachhaltig zu stärken“, betonten die beiden Fraktionen von Grünen und SPD ihr Anliegen, eben nicht nur das Thema Entsiegelung – und damit den Komplettabriss aller Hallen an dieser Stelle – zu denken.
„Die Pläne für eine vollständige Renaturierung der westlichen Seite des Lindenauer Hafens stammen aus dem Jahre 2010. Nach wie vor ist eine weitestmögliche Entsiegelung und Renaturierung von Flächen erstrebenswert, ist jedoch dort zu hinterfragen, wo dafür intakte und nachnutzbare Gebäude abgerissen werden müssen.
Zugleich hat in Zeiten von Klimawandel und Zero-Waste-Strategie ergänzend zu einem Landschaftspark auch die Produktion und der B2B Verkauf nachhaltiger Lebensmittel seinen Platz und seine Berechtigung. Dem kann mit einer Nachnutzung der vorhandenen Gebäude entsprochen werden. Zudem entspricht der Erhalt der in den vorhandenen Gebäuden gebundenen Grauen Energie den Zielsetzungen der Stadt.“
Andreas Geisler (SPD) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Und der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Andreas Geisler sprang ihr immer wieder mit eigenen Wortmeldungen zur Seite.
Denn die Stadt würde eigentlich am liebsten an den alten Abrissplänen festhalten, auch wenn sie mit ihrer Stellungnahme zumindest eine Prüfung der vorgebrachten anderweitigen Nutzungen zugesteht.
Flächennutzungsplan seht Grünfläche vor
Denn aktuell gelten hier zwei vom Stadtrat beschlossene Pläne – ein Landschaftsplan und ein Flächennutzungsplan aus dem Jahr 2010. Beide sehen die komplette Entsiegelung der von der Polizei genutzten Flächen vor und mittelfristig die Schaffung eines großen Schönauer Landschaftsparks.
Womit die Stadt auch ihrem Ziel der Netto-Null-Versiegelung entsprechen möchte, wie Baubürgermeister Thomas Dienberg betonte. Heißt im Klartext: Die Stadt wartet schon seit Jahren sehnsüchtig darauf, dass sie an dieser Stelle großflächig entsiegeln kann als Ausgleich für die vielen städtischen Bauprojekte in der Stadt.
Thomas Dienberg (Bündnis 90/ Die Grünen), Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau, im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Dass das bisher nicht passiert ist, obwohl die Stadt die Flächen schon mit der Polizei des Freistaats getauscht hat, liegt daran, dass die Polizei diese Gebäude ursprünglich noch bis 2025 nutzen wollte. Inzwischen hat sie bei der Stadt sogar angefragt, ob sie bis 2030 vor Ort bleiben kann.
Aus der Sicht von Andreas Geisler eigentlich eine ideale Gelegenheit, auch den Flächennutzungsplan noch einmal zu überdenken. Und eben alles zu prüfen, was Grüne und SPD in der Neufassung ihres Antrags aufgeschrieben haben, nachdem die Stellungnahme der Stadt schon eine halbe Zustimmung gewesen war.
„Die Antragstellerinnen begrüßen das grundsätzliche Interesse der Verwaltung an einem Kompromiss zwischen Ausgleichsmaßnahmen, Erhalt der in den Gebäuden gebundenen Grauen Energie und einer Unterstützung des Konzepts ‘Lebensmittel-Port’. Die Neufassung ergänzt den Verwaltungsstandpunkt um wesentliche Punkte. Die Prüfung eines Erhalts der Gebäude in Bauabschnitt 3 im Rahmen des landschaftsplanerischen Wettbewerbs ist sinnvoll, um die Einbettung in den Landschaftspark zu betrachten“, betonten die beiden Fraktionen.
„Zugleich müssen weitere Aspekte in der Prüfung, wie die Frage der grundsätzlichen Eignung der Gebäudesubstanz geprüft werden. Bei grundsätzlicher Eignung ist ein Erhalt anzustreben für eine Nachnutzung. Im Falle eines Abrisses nachnutzungsfähiger Gebäude ist analog zur Beschlussfassung zum Alten Technischen Rathaus ein ortsnaher CO₂-Ausgleich der gebundenen Grauen Energie vorzunehmen. Zudem ist zu beachten, dass im derzeitigen versiegelten Zustand eine spezifische Artenvielfalt am Standort gewachsen ist, die es ggf. mit einem Teilerhalt versiegelter Flächen zu sichern gilt.“
Aber so recht überzeugt war Thomas Dienberg nicht, ob hier wirklich eine Weiternutzung gewollt sein könne.
Auch den Tourismus mitbedenken?
Erst recht bei dem weitergehenden Prüfungswunsch von SPD und Grünen, der so klang: „Die Errichtung des Lebensmittelports ist eine begrüßenswerte, gleichwohl nicht die einzige Nachnutzungsoption vor Ort. Ebenso denkbar und ggf. mit einem Lebensmittelport kombinierbar sind wasser- und radtouristische Nutzungen (Wasser- und Radwanderplatz o.ä.) im unmittelbaren Hafenbereich und eine kulturelle Nutzung. Dies kann insgesamt dazu beitragen, die Angebotsvielfalt in Grünau und die Standortattraktivität des Lindenauer Hafens deutlich zu verbessern.“
Aber das ging dann AfD-Stadtrat Udo Bütow irgendwie zu weit und er beantragte die Abstimmung des deutlich zurückhaltenderen Verwaltungsstandpunkts. Und da diesmal auch die Linken das Anliegen von Grünen und SPD nicht unterstützten, war es am Ende der Verwaltungsstandpunkt, der mit 33:23 Stimmen bei sieben Enthaltungen die nötige Mehrheit fand.
Also irgendwie der Kompromiss zum Kompromiss, der einige der Prüfwünsche übernahm. Auch den zu einer Weiternutzung einiger Gebäude und auch „Nutzungen einer regional orientierten Lebensmittelproduktion und -vermarktung in erhaltenen Gebäuden des Bauabschnitts 3“, insofern sie „verträglich mit den Zielen des Landschaftsparks kombiniert werden können.“
Heißt im Klartext: Hauptziel ist die Herstellung des geplanten Landschaftsparks. Und nur was sich da integrieren lässt, kann auch erhalten werden.
Was da alles kompensiert werden soll, hatte das Planungsdezernent auch aufgelistet: „Im ‘Landschaftspark Schönau’ sollen Eingriffe kommunaler Bauvorhaben in Natur und Landschaft in einem räumlichen Zusammenhang mit hoher Strukturvielfalt und ökologischer Wertigkeit ausgeglichen werden. Auf dem Areal sollen anteilig Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen für Bebauungspläne (z. B. B-Plan Nr. 397.1 ‘Stadtraum Bayerischer Bahnhof – Stadtquartier Lößniger Straße’ und B-Plan Nr. 462 ‘Schulstandort am Bahngraben’) sowie für städtische Bauvorhaben (soziale Infrastruktur, gewerbliche Fläche, Wegebau) umgesetzt werden. Ein Erhalt der Bestandsimmobilien und versiegelten Flächen würde die Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen entsprechend reduzieren. Im negativsten Fall würden sich dadurch Bauvorhaben verzögern oder als nicht umsetzbar erweisen.“
Eine Zwickmühle. Aber gerade deshalb – so Kristina Weyh – sei das alles als Prüfauftrag formuliert worden. Erst wenn die Prüfung vorliegt, können auch die Ratsfraktionen einschätzen, ob alle Wünsche vor Ort umsetzbar sind oder eben nicht.