Immer wieder zieht der siebenjährige Nikolai am Hosenbein seiner Mutter. „Mama, Mama, Mama“, sagt er aufgeregt. Nevyana Georgiev setzt ihre Sonnenbrille ab, und ihr Sohn präsentiert stolz einen Herthinho-Stoffbären – das Maskottchen des Berliner Fußballvereins Hertha BSC. „Ganz toll gemacht“, lobt die 47-Jährige ihren Sohn und tätschelt ihm liebevoll den Kopf.

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Als der Junge wieder Richtung Torwand flitzt, schaut Nevyana Georgiev ihm kurz nach. „Irgendeiner will immer etwas“, sagt sie. Neben Nikolai hat die Bulgarin noch zwei weitere Kinder und gehört damit zu den 50 Familien in der Hauptstadt, die Mehrlingsgeburten ab drei Kindern haben und somit vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) als Pate begleitet werden. Seit 2003 übernimmt der Regierende Bürgermeister in Berlin für sie Patenschaften.

Bis zum 14. Lebensjahr ist das so, dann endet die Patenschaft. Sie besteht im Wesentlichen in dem Sommerfest, das die Senatskanzlei einmal jährlich veranstaltet, zu dem alle 154 Patenkinder zusammenkommen, sich austauschen und austoben können. Im Cantianstadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark sind deshalb an diesem Sonnabend dutzende Stände aufgebaut: ein Basketballkorb, eine Torwand, ein Kleinfeld, eine Hüpfburg und ein Eisstand gehören dazu.

Familie Georgiev lebt in einer Fünfzimmerwohnung in Hellersdorf.

© Nick Wilcke

Für Familie Georgiev ist dieses Fest eine wohltuende Abwechslung. Sie wohnen in einer Fünfzimmerwohnung in Hellersdorf, das gehe zwar noch, wenn die Kinder aber älter werden, müsse eigentlich etwas Größeres her. Einfach in Berlin ist das nicht. Vor allen Dingen dann nicht, wenn die Aufgabenteilung so wie den Georgievs ist. Nevyana kümmert sich den ganzen Tag um die Kinder, Ivan arbeitet als Gabelstaplerfahrer.

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„Gerade die letzten Jahre waren schwer, alles ist teurer geworden. Wenigstens müssen wir keine Windeln mehr kaufen“, sagt Nevyana und muss etwas schmunzeln.

Für Familie Sahin sind Windeln noch ein teures Unterfangen. Ihre jüngste Tochter ist gerade einmal drei Jahre alt. Eine andere schon elf und dann haben sie auch noch zwölfjährige Drillinge.

Hanifi Sahin mit seiner Ehefrau Hatice. Die beiden haben fünf Kinder.

© Nick Wilcke

Sie wohnen in Pankow, ganz in der Nähe des Jahn-Sportparks, auf 95 Quadratmetern. „Es ist schon okay, auch wenn die Zimmer klein sind. Umziehen ist für uns nicht drin“, erklärt Vater Hanifi. Vorher sei es noch schlimmer gewesen. Bis vor sechs Jahren wohnten sie am Nauener Platz in Wedding auf 65 Quadratmetern.

Hanifi Sahin arbeitet bei einer Umzugsfirma, seine Frau ist den ganzen Tag mit den Kindern beschäftigt. Aktuell suchen sie auf Gebrauchtwagen-Portalen nach einem neuen Auto, doch nur wenig kommt für die siebenköpfige Familie infrage. „Entweder ist das Auto zu klein oder zu teuer“, sagt Sahin. Von einem Urlaub in seiner Heimat, der Türkei, kann er nur träumen.

Am liebsten würde er mit seiner Familie nach Izmir fliegen, zu Oma, Opa, Onkel und Tante. Doch: „Ein Urlaub ist für uns unbezahlbar.“ Das Sommerfest genießt er trotzdem. Vor allem, weil er jetzt endlich mal wieder viel Zeit mit seinen Kindern verbringen kann.

Für Familie Doberschütz ist es der letzte Besuch beim Sommerfest. Zum Abschied haben die Kinder einen Berliner Bären von Kai Wegner bekommen.

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So geht es auch Familie Doberschütz. In ihrer Fünfzimmerwohnung in Marzahn-Hellersdorf fällt der fünfköpfigen Familie manchmal schon die Decke auf den Kopf.

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Hier beim Sommerfest aber sitzen sie zusammen, essen Melonenhäppchen aus kleinen Plastikbechern und genießen die Junisonne. Vater Marcus ist Elektriker, seine Ehefrau Katrin Unterrichtshilfe. Die beiden sind zufrieden. „Man kommt so durch“, sagen sie.

Für die Familie ist es heute der letzte Besuch beim Sommerfest, da bei den Kindern der 14. Geburtstag vor der Tür steht. Von Kai Wegner haben sie als Abschiedsgeschenk einen kleinen Berliner Bären bekommen. Wo der in der Wohnung seinen Platz findet, wissen sie noch nicht. „Und wenn euch je danach ist“, sagte Wegner noch, „dann kommt bei mir vorbei im Roten Rathaus.“