Den Führerschein zu machen, ist in den vergangenen Jahrzehnten komplexer geworden, sagen Fahrlehrer (Symbolbild).

Bild: Radio Bremen

Hohe Preise, fehlende Fahrlehrer und eine hohe Durchfallquote: Ist der Führerschein in der Krise? Zwei Bremer Experten beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Fahrerlaubnis.

Der Führerschein ist für viele junge Menschen ein wichtiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit – doch er ist inzwischen so teuer wie nie zuvor. Wir haben mit Klaus Lüttig, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Bremen und Fahrlehrer in Bremerhaven, sowie mit Nils Linge, Pressesprecher des ADAC Weser-Ems, über die wichtigsten Fragen rund um den „Lappen“ gesprochen.

Warum ist der Führerschein im Vergleich zu früher so teuer?

„Verantwortlich sind die allgemeinen Preissteigerungen“, sagt Lüttig. Seit der Coronapandemie seien Fixkosten wie Energie, Sprit und Wartungskosten massiv angestiegen. Hauptpreistreiber seien aber gestiegene Personalkosten: „Angestellte Fahrlehrer bekommen jetzt im Vergleich zu vor zehn Jahren rund 100 Prozent mehr Gehalt.“ Das liege daran, dass es lange einen Fahrlehrerüberschuss gab und der Beruf relativ unterbezahlt war. Linge sagt, dass aufgrund des immer komplexeren Verkehrs mehr Fahrstunden anfallen: „Es gibt mittlerweile mehr unterschiedliche Verkehrsteilnehmer. E-Roller oder auch die schnellen E-Bikes sind hinzugekommen.“

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Mit diesen Preisen müssen Fahrschüler rechnen

Der ADAC hat 2023 etwa 1.100 Fahrschüler nach den Kosten ihres Führerscheins befragt. Die Befragten hatten ihren Führerschein seit maximal vier Jahren. Die Mehrheit (45 Prozent) hatte damals noch zwischen 2.500 und 3.500 Euro bezahlt. 13 Prozent zahlten mehr als 3.500 Euro und 34 Prozent weniger als 2.500 Euro. Der tatsächliche Preis lag aber wohl schon 2023 etwas höher. So hatten nur 21 Prozent der Befragten, die den Führerschein erst seit einem halben Jahr hatten, unter 2.500 Euro bezahlt. Über 3.500 Euro mussten hingegen schon 22 Prozent zahlen. Wie sich die Preise seitdem entwickelt haben, lässt sich nicht genau sagen. Unter 2.500 Euro bezahlt laut Lüttig aber wohl niemand mehr. „Bei uns in der Region fängt der Führerschein bei 3.000 Euro aufwärts an“, meint er. „Auf dem Land können Sie vielleicht auch mal etwas weniger als 3.000 Euro zahlen.“

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Wird der Preis für den Führerschein auch in Zukunft so stark steigen?

Lüttig ist optimistisch, dass die Preise in Zukunft nicht mehr so drastisch steigen werden, vor allem die Gehälter hätten sich mittlerweile stabilisiert. „Ich rechne mit einer sehr moderaten Preisentwicklung in den nächsten drei Jahren“, sagt Lüttig. Der Sprecher vom ADAC schließt Preissteigerungen wie in den letzten Jahren hingegen nicht aus: „Selbst wenn die Personalkosten stabil bleiben, wissen wir nicht, wie es sich mit anderen Kosten verhalten wird.“

Kann man den Führerschein auch in Raten bezahlen?

Ratenzahlungen bieten Fahrschulen in der Regel nicht an, sagt Lüttig. „Ich kann auch nicht zur Werkstatt gehen und dort in Raten bezahlen.“ Er rät Fahrschülern mit wenig Geld zu einem Kredit bei ihrer Bank. „Unsere Fahrschule arbeitet mit einem Finanzdienstleister zusammen, der sich auf Führerscheine spezialisiert hat. Die haben zwar etwas höhere Zinsen, sind aber eine Alternative zur Bank, falls es dort nicht klappt.“

Machen wegen der hohen Preise weniger Menschen den Führerschein?

Das Interesse am Führerschein ist trotz des Preisanstiegs ungebrochen. Die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes belegen, dass mit 1.490.672 neuen Fahrerlaubnissen 2024 die Zahl fast genauso hoch war wie im Jahr 2007, als 1.490.933 Führerscheine ausgestellt wurden. Nur im Jahr 2008 lag die Zahl der Führerscheine mit 1.518.948 neuen Führerscheinen noch höher. In den Jahren 2022 und 2023 wurden ähnlich viele Führerscheine ausgestellt wie 2024. Zwischen 2009 und 2023 schwankte die Zahl der neuen Führerscheine zwischen 1,4 Millionen und 1,2 Millionen, wobei die geringste Zahl im ersten Jahr der Coronapandemie gemeldet wurde (2020: 1.217.044). Diese unterschied sich jedoch nur gering von anderen Jahren, in denen ebenfalls „nur“ 1,2 Millionen Führerscheine ausgestellt wurden (2012, 2013, 2016, 2021).

Wieso fallen so viele durch ihre Führerscheinprüfungen?

Im letzten Jahr fielen in Bremen 38 Prozent durch die praktische und 43 Prozent durch die theoretische Prüfung. Das entspricht in etwa dem Bundesdurchschnitt. Die hohe Quote erklärt Lüttig durch die gestiegenen Anforderungen in beiden Prüfungen. „Der Verkehr und die Technik der Fahrzeuge sind komplexer geworden und seit 2021 dauert die Prüfung zehn Minuten länger, da kann man also auch mehr Fehler machen“, sagt Lüttig zur praktischen Prüfung. „Der Fragenkatalog für die theoretische Prüfung ist außerdem zu umfangreich. Bis vor circa 30 Jahren gab es nur acht Prüfbögen, die man auswendig lernen konnte, jetzt ist der Fragenkatalog mit über 1.500 Fragen einfach zu aufgebläht.“

Hinzu kämen immer häufiger Sprachprobleme und schwierige Übersetzungen des Lehrmaterials, da beispielsweise Fachbegriffe nicht eins zu eins übersetzt werden können. Linge macht für die hohe Durchfallquote auch den Fahrlehrermangel verantwortlich: „Wenn man lange auf die praktische Prüfung warten muss, vergisst man wieder Lerninhalte und fällt dann eher durch.“ Er sieht hier einen Teufelskreis: „Wenn mehr Leute wiederholen müssen, führt das dazu, dass es weniger Fahrstunden gibt und dann noch mehr durchfallen.“

Eine junge Frau bei der digitalen Führerscheinprüfung (Symbolbild)

43 Prozent der Führerscheinanwärter sind 2024 in Bremen durch ihre Theorieprüfung gefallen.

Bild: dpa | Sebastian Gollnow

Wie verbreitet sind Täuschungsversuche in der theoretischen Prüfung?

In Bremen gab es im vergangenen Jahr 48 Betrugsversuche in der theoretischen Prüfung, im Jahr zuvor waren es sogar 78. Bis zum Juni dieses Jahres zählte der TÜV-Nord bereits 34 Betrugsversuche. Bundesweit sind die häufigsten Betrugsmethoden laut dem TÜV-Verband Hilfsmittel wie Spickzettel (39 Prozent), Technikbetrug mit beispielsweise einem Knopf im Ohr (33 Prozent) und sogenannte Stellvertreterprüfungen mit 29 Prozent. „Bei der Stellvertreterprüfung macht eine Person, die dem Bild auf dem Ausweis ähnlich sieht, die Prüfung“, erklärt Lüttig das Prinzip. Möglich ist diese Art von Betrug, weil die theoretische Prüfung beim TÜV und nicht bei der Fahrschule durchgeführt wird. „Andere gehen verkabelt zur Prüfung. Mit Minikameras und Mikrofonen im Ohr, durch die die richtigen Antworten ins Ohr geflüstert werden“, sagt Lüttig. Für diese Betrugsmasche gebe es sogar Firmen, die das Equipment dafür anböten.

Was wird gegen diese Betrugversuche getan?

Laut Lüttig könne man nur wenig dagegen tun. Mit Blick auf den Technikbetrug sagt er: „Der TÜV darf seine Räumlichkeiten gesetzlich leider nicht vor Strahlungen abschirmen.“ Auch dürfe der TÜV die Prüflinge nicht durchsuchen, sodass Spickzettel und Stöpsel im Ohr häufiger unentdeckt bleiben.

Ein Betrug bei der Prüfung ist laut der Polizei Bremen in der Regel kein Straftatbestand. Die einzige Konsequenz ist eine Sperrfrist, bis die Prüfung wiederholt werden kann. Die Frist beträgt höchstens neun Monate. Der Fahrlehrerverband und der TÜV fordern, dass diese Frist häufiger ausgeschöpft wird, die Betrüger seien häufig schon nach wenigen Wochen wieder zur Prüfung zugelassen. Juristische Konsequenzen kann unter Umständen nur die Stellvertreterprüfung nach sich ziehen. Sie kann als Urkundenfälschung geahndet werden, wenn beispielsweise der Ausweis des Prüflings für die Prüfung manipuliert wird.

Verändern digitale Hilfsmittel den Alltag in der Fahrschule?

Apps, Youtube-Videos und Onlinesitzungen haben den Alltag in der Fahrschule bereits verändert. Einige Fahrschulen verwenden außerdem Fahrsimulatoren zum Lernen. „Sie können das Lernen auf der Straße allerdings nicht ersetzen“, sagt Lüttig. Anders als Flugsimulatoren, auf denen Piloten das Fliegen lernen, seien die Geräte noch lange nicht ausgereift genug. „Eine deutliche finanzielle Entlastung bringen die Geräte auch nicht. Die Kosten starten bei 20.000 Euro und die Simulatoren müssen ebenfalls von bezahltem Personal betreut werden.“ Er schätzt, dass in Bremerhaven, wo er seine Fahrschule betreibt, nur etwa zehn Prozent der Fahrschulen einen Simulator benutzen.

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buten un binnen, 28. Juni 2025, 19:30 Uhr