Ein 74-Jähriger aus Ostfildern steht wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht. Foto: picture alliance/dpa
Vor dem Landgericht hat der Prozess gegen einen 74-Jährigen aus Ostfildern begonnen. Er soll in seiner Wohnung die kleine Tochter von Nachbarn missbraucht haben.
Mehrfach hatte eine Familie einem 74-Jährigen ihr Kind zum Aufpassen anvertraut, mehrfach soll der Nachbar in dieser Zeit das kleine Mädchen missbraucht haben. Seit Donnerstag muss sich der Rentner aus Ostfildern deswegen vor der dritten Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm insgesamt acht Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und unter anderem die Verbreitung jugendpornografischer Schriften vor. Die Taten sollen zwischen dem Frühjahr 2023 und Oktober 2024 in der Wohnung des Mannes passiert sein.
Der Angeklagte soll gegenüber dem Kind, das damals zwischen fünf und sechs Jahre alt war, wohl nie körperlich übergriffig geworden sein. Das macht die Taten, die die Oberstaatsanwältin in ihrer Anklageschrift auflistet, nicht weniger schlimm. So soll er sexuelle Handlungen mit Gegenständen an sich selbst ausgeführt und mehrfach vor dem Kind masturbiert haben. Er soll das Mädchen auch dazu genötigt haben, sich selbst zu filmen. Die Aufnahmen soll der Angeklagte anschließend mit einem Unbekannten geteilt haben. Außerdem zeigte der 74-Jährige dem Kind Pornofilme und stellte dabei anzügliche Fragen.
Angeklagter hat Missbrauch teilweise gefilmt
Die Taten flogen auf, als sich das Mädchen ihrer Familie offenbarte. Auf dem Handy des Angeklagten konnten die Ermittler Videos von einigen der mutmaßlich von ihm begangenen Taten sichern. Seit Januar sitzt er in Untersuchungshaft. Am ersten Prozesstag fand ein sogenanntes Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wie der Verteidiger des Angeklagten, Thomas Mende, in einer Prozesspause sagte, haben sich die Verfahrensbeteiligten dabei auf einen möglichen Strafrahmen für das Urteil geeinigt. Demnach muss sein Mandant mit einer Haftstrafe rechnen, die zwischen mindestens drei Jahren und fünf Monaten sowie höchstens vier Jahren liegt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der 74-Jährige ein umfassendes Geständnis ablegt. Ein Rechtsgespräch in einem Strafverfahren ähnelt einem Vergleich in einem Zivilprozess. Es bietet den Beteiligten die Möglichkeit, eine Art Kompromiss zu finden. Dieser kann dazu dienen, den Prozess abzukürzen oder Zeugen eine belastende Aussage zu ersparen. Er nimmt das Urteil aber nicht vorweg.
Der Angeklagte soll das Kind beim Missbrauch nicht angefasst haben. Foto: dpa Mögliche Spielsucht des Angeklagten
Die Angaben, die der Angeklagte bei Prozessauftakt zu seiner Biografie machte, zeichneten das Bild einer rechtschaffenen und fleißigen Person. Er gründete eine Familie und arbeitete in einem technischen Beruf, obwohl er nie eine Ausbildung absolviert hat. Seine Ehe wurde 2002 geschieden. „Im Guten“, wie er vor Gericht betonte. Vor seiner Inhaftierung spielte der 74-Jährige, der keine Vorstrafen hat, gerne Roulette. Weil er befürchtete, bereits spielsüchtig zu sein, habe er vom Gefängnis aus Kontakt zu einer Beratungsstelle aufgenommen und inzwischen mehrere Gespräche mit einem Therapeuten geführt.
War der Angriff in Esslingen eine Vergeltung?
Im November 2024 wurde der 74-Jährige von drei Unbekannten auf offener Straße angegriffen, als er vor einem Esslinger Café gerade seinen Motorroller abstellen wollte. Sein Anwalt Thomas Mende geht davon aus, dass die Gruppe von den Missbrauchsvorwürfen wusste und ihm eine Abreibung verpassen wollte. Dies sagte er am Rande des Prozesses. Die Angreifer malträtierten den 74-Jährigen mit Tritten und ließen erst von ihm ab, als ein Zeuge eingriff. Laut dem damaligen Polizeibericht kam der Rentner verletzt in eine Klinik.
Der Prozess wird voraussichtlich am 10. Juli fortgesetzt.