Die SPD hat einen drohenden schweren Streit um die Option eines verpflichtenden Wehrdienstes nach den Plänen von Verteidigungsminister Boris Pistorius abgewendet. Nach stundenlangen Krisengesprächen wurde nach Informationen des Tagesspiegels sowie der Deutschen Presse-Agentur ein Initiativantrag der Jusos abgeändert, der zunächst die Verankerung eines zwangsweisen Wehrdienstes im geplanten Gesetzentwurf abgelehnt hatte. 

Zur Abstimmung auf dem Parteitag am Samstagabend stand nun die Formulierung: „Wir wollen keine aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger, bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind. Maßnahmen zur Musterung, Erfassung und Wehrüberwachung wehrpflichtiger junger Männer wollen wir ermöglichen.“ Der Antrag wurde um 20:37 Uhr bei wenigen Gegenstimmen sowie Enthaltungen angenommen. Darüber wurde gesammelt mit weiteren außen- und sicherheitspolitischen Anträgen abgestimmt.

Die SPD bekennt sich damit zu einem neuen Wehrdienst, „der auf Freiwilligkeit beruht und sich am schwedischen Wehrdienstmodell orientiert“. Mit einer Steigerung der Attraktivität des Wehrdienstes solle der notwendige Aufwuchs der Reserve und der Bundeswehr insgesamt erreicht werden. 

Juso-Chef lobt Einigung

„Wir setzen auf Freiwilligkeit“, sagte Juso-Chef Philipp Türmer bei der Debatte am Samstagabend: „Die alte Einführung der Wehrpflicht ist mit uns nicht zu machen“. Es solle keinen Mechanismus geben, der automatisch zu einem Zwang werde.

„Wir wollen ein klares Zeichen setzen, dass wir jungen Menschen vertrauen“, sagte Türmer. Den Kompromiss hat er nach eigener Aussage in mehreren Stunden mit Pistorius ausverhandelt. Er sprach von einer guten Einigung.

In anderen Teilen der Partei sieht man das anders. „Ich habe das Gefühl, die Jusos verlieren sich hier gerade im Klein-Klein“, sagte ein Mitglied der Bundesregierung auf Tagesspiegel-Nachfrage zu der gefundenen Einigung. „Details wie bei diesem Kompromiss zur Wehrpflicht kommen bei den Menschen da draußen doch nicht an.“

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Die Bundeswehr muss eine Personalstärke von mindestens 60.000 zusätzlichen Männern und Frauen und 200.000 Reservistinnen und Reservisten erreichen. 

Anerkannt wird vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Lage und der Erwartungen Verbündeter, dass eine ausreichende Personalausstattung der Bundeswehr nötig ist. „Wir müssen reagieren können, wenn die sicherheitspolitische Lage oder die Bedarfe der Bundeswehr dies erfordern.“ (mit dpa)