Nur drei Monate nach ihrer Wahl zur Co-Vorsitzenden der Grünen in Bielefeld hat Ikram Chemlal ihren Rücktritt erklärt und gleichzeitig ihren Parteiaustritt verkündet. In einem internen Schreiben erhebt sie schwere Vorwürfe gegen Parteikollegen, spricht von Mobbing, gezieltem Ausschluss und einem «zunehmend feindseligen Umfeld», das sie von politischen Prozessen fernhalten sollte. Die Partei sei «sehr weiss, elitär und akademisch», erklärte Chemlal der Zeitung Die Welt.

Die 39-Jährige mit marokkanischen Wurzeln hatte sich für Gespräche mit AfD-Wählern ausgesprochen und kritisierte, dass die Grünen migrantisch geprägte Stadtteile und AfD-Hochburgen bei Wahlen vernachlässigten. In ihrer Amtszeit fühlte sie sich systematisch blockiert: Pressemitteilungen wurden ohne ihre Zustimmung in ihrem Namen veröffentlicht, Einladungen zu Veranstaltungen nicht weitergeleitet, ihr Zugang zur Geschäftsstelle aktiv verwehrt.

Die Situation spitzte sich weiter zu, als OB-Kandidat Dominic Hallau, ein enger Vertrauter der Bundestagsabgeordneten Britta Haßelmann, in einer Pressemitteilung die Teilnahme der AfD an einem Podium kritisierte – erneut unter Nennung von Chemlals Namen, obwohl sie die Haltung nicht teilte. Hallau wies alle Vorwürfe zurück und erklärte, die Zusammenarbeit sei aus seiner Sicht «sehr gut» gewesen.

Chemlals Austritt ist nicht der erste im Umfeld der Bielefelder Grünen. Bereits im Mai hatte Cim Kartal, ein langjähriger Kommunalpolitiker mit jesidisch-kurdischem Hintergrund, die Partei verlassen. Auch er beklagte sich über Mobbing und mangelnde Unterstützung. Die Partei, so Kartal, sei nicht offen für Vielfalt: «Auf den 35 Plätzen der Ratsliste sind nur Weisse zu sehen.»

Chemlal will sich politisch neu orientieren, führt aber zunächst ihr Studium mit einem Stipendium der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung fort. Eine neue Parteizugehörigkeit hat sie noch nicht entschieden.