Es ist ein Paukenschlag, der die Belegschaft am Dienstag völlig überraschend getroffen hat. Und das ausgerechnet an einem Standort, an dem sie ganz aktuell noch Kollegen aus Sigmaringen aufgenommen haben, nachdem Kaufland dort am 14. Juni zugemacht hat. Aus Mitarbeiterkreisen war am Mittwoch zu erfahren, wie der Tag der Hiobsbotschaft bei Kaufland abgelaufen ist.
Demnach habe die Geschäftsführung Aushänge an den Sozialräumen angebracht und zwei Besprechungen angekündigt, eine um 11 Uhr für die Frühschicht, eine um 16 Uhr für die Spätschicht. „Niemand von uns wusste, worum es geht“, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Die Verkündung habe dann nur ein paar Minuten gedauert, schildern Anwesende übereinstimmend.
Erst in drei bis vier Jahren soll der Neubau stehen
Ein Vertreter der Geschäftsführung habe den Mitarbeitern – einige sprechen von insgesamt 70 bis 80 Betroffenen, einige von knapp 100 – dann eröffnet, dass der Konzern sie aufgrund der Schließung des Standorts entlassen werde. Kaufland begründe dies damit, dass sich der Um- beziehungsweise Neubau in der Kientenstraße über drei bis vier Jahre ziehen werde, und damit wohl länger als gedacht.
Der Extra-Markt in der Kientenstraße ist längst abgerissen, das Gelände liegt brach. Darüber kann auch dieser farbenfrohe Sonnenaufgang nicht hinwegtäuschen. Viele fragen: Wann rollen hier die Bagger an? (Foto: Michael Würz/Archiv)
Einige in der Belegschaft zweifeln nun jedoch daran, dass Kaufland überhaupt noch ernste Bauabsichten in der Kientenstraße hegt. Sie sagen: „Würde man einen neuen Laden hinstellen, müsste man uns nicht feuern.“
Unsere Redaktion hatte Kaufland in den vergangenen Monaten mehrmals zu diesem Sachverhalt angefragt. Unternehmenssprecher in Neckarsulm hatten daraufhin stets betont, dass Kaufland an der neuen Filiale festhalte – ohne jedoch, dass man einen konkreten Bau- und Eröffnungstermin nennen könne. Zuletzt hatte das Unternehmen der Stadt geänderte Pläne vorgelegt.
Keine Alternativstellen für die Beschäftigten
So oder so: Für die Mitarbeiter in der Kientenstraße ist wohl in einigen Monaten Schluss, die Rede sei von Ende Januar, erfuhr der Zollern-Alb-Kurier am Mittwoch aus Mitarbeiterkreisen. In den Besprechungen am Dienstag habe Kaufland Abfindungsgespräche in Aussicht gestellt. Den Betroffenen würden, so berichteten es Mitarbeiter am Mittwoch, keine Alternativstellen innerhalb der Unternehmensgruppe angeboten.
Was die Mitarbeiter besonders erzürnt: „Wenn wir uns in anderen Filialen bewerben, müssen wir das so tun, als hätten wir nie hier gearbeitet.“ Betriebsjahre würden nicht angerechnet, ein Verkaufsleiter soll den Mitarbeitern angeblich geraten haben, „sich zum Mindestlohn in anderen Filialen neu zu bewerben“.
Auch deshalb wollen sie nicht einfach aufgeben. Bereits am Mittwoch, dem Tag nach der Hiobsbotschaft, formiert sich in der Ebinger Kientenstraße Protest. In der Belegschaft ist die Rede von einer „geschlossenen Front“, die sich bereits gebildet habe. Gemeinschaftlich wollen sie jetzt Anwälte in Gang setzen, um die Maßnahmen des Unternehmens, das wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört, schnellstmöglich rechtlich überprüfen zu lassen.
Die Belegschaft wird eiskalt überrascht
Die Belegschaft sei auch deshalb eiskalt überrascht worden, weil es bislang seitens der Geschäftsführung stets geheißen habe, Kaufland wolle die Mitarbeiter während der Bauphase auf andere Standorte verteilen.
Umso schockierter sind sie in der Kientenstraße nun angesichts der Massenentlassung. Besonders bitter kommt die Nachricht freilich auch für die Beschäftigten der jüngst geschlossenen Kaufland-Filiale in Sigmaringen, die jetzt in Ebingen arbeiten. Sie hatten geglaubt, hier einer sicheren Zukunft entgegenzusehen.
Stattdessen, so ist aus Mitarbeiterkreisen zu hören, hätten nun viele der Beschäftigten Existenzsorgen. Mehrere sagen: „Wie Kaufland mit uns Mitarbeitern umgeht, ist sehr traurig.“ Auch, und das kritisieren mehrere Quellen übereinstimmend, weil bei den Plänen keine Rücksicht auf Härtefälle genommen werde, darunter erkrankte, aber auch ältere Beschäftigte sowie zahlreiche Alleinerziehende. „Wir sind fix und fertig“, sagen sie.
Kaufland hat die Informationen unserer Redaktion am Donnerstagnachmittag bestätigt. Wie das Unternehmen die Massenentlassung erklärt, lesen Sie hier.