Die SPD hat am Sonntag eine weitere Hürde zu einem AfD-Verbot genommen. Auf dem Bundesparteitag in Berlin fordern die Sozialdemokraten zügige, ernsthafte Vorbereitungen eines solchen Verfahrens. Bundestag, Bundesrat oder Regierung sollten unverzüglich die Voraussetzungen zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit schaffen, heißt es in einem Antrag, der am Sonntag mit großer Mehrheit angenommen wurde. Viele Delegierte halten ihn für einen der wichtigsten Beschlüsse des dreitägigen Parteitags.

„Mit einer Partei, die demokratische Regeln missbraucht, um die Demokratie von innen zu bekämpfen, ist kein fairer Wettbewerb möglich“, heißt es darin. „Jeder Versuch, sie in den demokratischen Diskurs einzubinden, läuft ins Leere.“ Die SPD sieht sich durch den Verfassungsschutz bestätigt, der die AfD als rechtsextremistisch einstufte.

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„In dem Moment, wo der Verfassungsschutz sagt, das ist eine gesichert rechtsextreme Partei, darf es kein Taktieren mehr geben, darf es keine Argumentation mehr geben“, sagte Parteichef Lars Klingbeil. Der Kampf gegen Rechts sei einer der Gründe, weshalb er in die Politik gegangen wäre. Es sei eine „historische Aufgabe“ dafür zu sorgen, dass keine Rechtsextremen im Bundestag sitzen würden. „Die gehören da nicht hin“, sagte der Vizekanzler.

Thüringens Innenminister hält ein Verbotsverfahren für erfolgversprechend. „Ich habe mich mit der AfD in den letzten Jahren intensiv auseinandergesetzt und bin der Auffassung, dass die Voraussetzungen gegeben sind“, sagte Georg Maier dem Tagesspiegel. „Die Beweislage scheint mir jetzt schon erdrückend zu sein.

Uneinigkeit in der Koalition

Dabei verweist er nicht nur auf den Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz, sondern auch die der Landesbehörden. So gibt es aus seiner Sicht in Thüringen genug Belege. „Björn Höcke ist mittlerweile der Spiritus Rector, was die Themen und Inhalte der AfD anbelangt“, sagte Maier über den AfD-Fraktions- und Landesvorsitzenden. „Das werden wir schon sehr gut herausarbeiten können.“

In der Koalition gibt es jedoch keine Einigkeit über ein AfD-Verbot. Die Union lehnt es überwiegend ab und will die AfD politisch bekämpfen. Gerade in Ostdeutschland mit einem besonders hohen AfD-Wähleranteil wird ein Verbotsverfahren sowohl in der CDU als auch in Teilen der SPD kritisch gesehen. Dies könne die AfD sogar weiter stärken, der Ausgang des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht sei zudem ungewiss.

Zustimmung von CDU-Sozialflügel

Der CDU-Sozialflügel begrüßte den SPD-Beschluss für die Vorbereitung eines AfD-Verbotsverfahrens. „Der Schritt ist richtig. Die AfD muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft werden“, sagte Dennis Radtke, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), dem Tagesspiegel: „Als CDA haben wir uns schon vor Wochen ebenfalls für ein Verbotsverfahren ausgesprochen.“

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Die AfD müsse „mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft werden“, sagte Radtke: „Selbstverständlich ändert das nichts daran, dass die Mitte Probleme lösen und Antworten auf die Vertrauenskrise geben muss. Wenn nur noch jeder Dritte in Deutschland Vertrauen in staatliche Institutionen hat, dann ist das Problem grundsätzlicher und tiefgehender.“

Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll Material sammeln

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am 2. Mai nach mehrjähriger Prüfung bekanntgegeben, die AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einzustufen. Grundlage dafür ist ein über 1100 Seiten langes Gutachten. „Wir können nicht so weitermachen als wäre nichts geschehen“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede. Sie ist zudem Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums.

Eine Arbeitsgruppe über die Parteien hinweg solle zunächst Materialien sammeln, um die Verfassungswidrigkeit zu belegen, sieht der Partei-Beschluss vor. Die Parteispitze hat bereits erklärt, man sei sich sicher, dass dies gelinge. Dann bestehe eine Pflicht für ein Verbotsverfahren. Der Rechtsextremismus sei die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland.

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Ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht können Regierung, Bundestag oder Bundesrat auf den Weg bringen. Es muss nachgewiesen werden, dass eine Partei mit Einfluss aggressiv, kämpferisch gegen die demokratische Grundordnung vorgeht. Das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD allein gilt dafür noch nicht als ausreichender Beweis.

Der Antragsbeschluss ist die letzte wichtige Entscheidung des SPD-Parteitags, der am Sonntag zu Ende geht. Am Freitag hatten die Delegierten zunächst eine neue Parteispitze gewählt. Parteichef Lars Klingbeil erhielt dabei mit 64,9 Prozent ohne Gegenkandidaten das zweitschlechteste Ergebnis in der SPD-Geschichte. (mit Reuters)