Fußball | Kommentar
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Herthas Geschäftsführer-Suche entwickelt sich zur Farce
So 29.06.25 | 13:36 Uhr | Von Marc Schwitzky
Bild: Imago / Ulrich Hufnagel, Fussball-News Saarland, Steinsiek.ch, Team 2
Die Suche von Hertha BSC nach einem neuen Geschäftsführer dauert bereits zwei Monate ergebnislos an. Statt einer klaren Lösung spuken die irrwitzigsten Namen durch Berlin. Herthas Präsidium sieht dabei alles andere als gut aus. Ein Kommentar von Marc Schwitzky
Es ist nun zwei Monate her, seitdem Hertha BSC und Thomas E. Herrich das Aus des damaligen Geschäftsführers verkündeten. Öffentlich als freiwilliger Rücktritt Herrichs kommuniziert, ist hinter den Kulissen klar, dass der 60-Jährige den Verein nach 25 Jahren auch deshalb verließ, weil ihm unmissverständlich klar gemacht wurde, dass sich Hertha zukünftig anders aufstellen will. Nach zuletzt enttäuschenden Jahren will und muss die „alte Dame“ mehr sportliche Kompetenz in der Geschäftsführung versammeln. So weit, so richtig.
Doch: die Suche nach einem neuen Geschäftsführer hält weiter an. Statt einer klaren und frühzeitigen Lösung hat sich für Hertha ein peinlicher, medialer Spießrutenlauf entwickelt, bei dem der Verein die Stoßrichtung in der öffentlichen Kommunikation bereits völlig verloren hat.
Es war überraschend, als Hertha Ende April verkündete, dass Herrich den Verein im Sommer verlassen würde. Ja, die Kritik an den letzten Jahren schloss Herrich ein und es war klar, dass sich die Gremien des Hauptstadtklubs verändern werden müssen. Doch Herrich ist ein mehr als verdienter, intern geschätzter Mitarbeiter gewesen, der dem Klub immer noch mehr geholfen als geschadet hatte. Wenn Hertha sein Aus noch während der laufenden Zweitligasaison 2024/25 verkündet, dann doch sicher, weil der Verein bereits einen Nachfolger hat, oder? Oder?
Nein. Wenn auch zwei Monate nach seinem Rücktritt noch immer kein Nachfolger vorgestellt werden konnte, kann sich nur der Schluss entwickeln: Herthas Gremien haben sich nach einer erneut enttäuschenden Spielzeit von der Öffentlichkeit treiben lassen und es hat keinen anderen Plan außer „Hauptsache neu“ gegeben. Auch zulasten von Ralf Huschen, der nun schon länger alleiniger Geschäftsführer mit einem nicht zu haltenden Arbeitsvolumen ist. Hier wurde der zweite vor dem ersten Schritt gegangen.
Geschäftsführer Thomas E. Herrich hat Hertha BSC am Saisonende verlassen. (Foto: IMAGO / Jan Huebner)
Die Frage ist: wäre es die wirklich schlechtere Alternative gewesen, solange mit Herrich weiterzumachen bis ein neuer Geschäftsführer gefunden wurde, der sogar von ihm als erfahrenen Herthaner hätte eingearbeitet werden können? Wozu hat sich Hertha ohne Not dieses Vakuum aufgemacht?
Rangnick, Kahn, Magath – was will Hertha?
Ein Vakuum, das dem Verein medial schadet. Seit Wochen geistern die wildesten Gerüchte (und tatsächlich echte Personalien) durch die Hanns-Braun-Straße. Es begann mit Jonas Boldt, Jochen Sauer, Alexander Rosen und Samir Arabi. Schon hier musste man die Frage stellen, was Hertha eigentlich von einem neuen Geschäftsführer will und wie es sein kann, dass anscheinend jeder Name brühwarm in den Medien landet?
Doch das Namenskarussell hat in den letzten Tagen ein nahezu irrwitziges Tempo angezogen. Auf einmal sind Ralf Rangnick, Oliver Kahn und Felix Magath bei Hertha im Gespräch. Namen, die Hertha-Fans wohl eher in die Zeit 2019 zurückversetzen und an die Klinsmann-Verpflichtung in der Windhorst’schen Goldgräberstimmung erinnern. Namen, die überhaupt nicht zum eingeschlagenen Weg der letzten zwei Jahre passen. Und Namen, die bis auf Rangnick auch nicht nachgewiesen haben, auf solch einer Position ein echter Gewinn sein zu können.
Wie Rangnick und Co. zu den derzeitigen Herausforderungen und finanziellen Möglichkeiten der Berliner passen sollen, ist völlig schleierhaft. Und auch hier die Frage: Was will Hertha eigentlich? Die Suche nach einem Herrich-Nachfolger wirkt ob der vielen unterschiedlichen Profile völlig wirr und ohne klare Vision, wohin der Verein will. All die Namen haben bislang nur eins gemeinsam: Sie alle haben Hertha letztendlich abgesagt.
Herthas Präsidium gibt kein gutes Bild ab
So holt sich Herthas Präsidium derzeit eine öffentlich gut dokumentierte Klatsche nach der anderen ab. Und das, obwohl Herthas höchstes Vereinsgremium mit „Sportheads“ sogar eine nicht allzu billige Personalberatungsagentur hinzugezogen hat. Diese – so der Eindruck – fragt allerdings schlicht bei jedem Fußballfunktionär an, der nicht bei drei auf dem Baum ist. So soll das Unternehmen teilweise Kandidaten kontaktiert haben, mit denen Hertha selbst bereits gesprochen hatte. Eine desaströse Vorstellung.
Es gibt derzeit keine Interpretation, die Herthas Präsidium gut aussehen lässt. Entweder Fabian Drescher und Co. fragen tatsächlich selbst bei Kandidaten wie Kahn oder Magath an, was stark an der Vision, fußballerischen Kompetenz und dem Realitätssinn des Gremiums zweifeln lassen würde. Oder aber die engagierte Agentur nimmt Kontakt zu diesen Personen auf, was die Frage stellen würde, wozu Hertha sie überhaupt hinzuzieht und teuer bezahlt. Eine Suchanfrage bei ChatGPT dürfte ähnlich viel Mehrwert liefern.
Hertha-Präsident Fabian Drescher und seine Stellvertreterin Anne Noske bei der Mitgliederversammlung am 25.05.2025 in der Messe Berlin (Bild: picture alliance/dpa/Soeren Stache)
Eine weitere Möglichkeit ist, dass Magath und andere Herthas derzeitige Suche für sich nutzen, um sich öffentlich wieder ins Spiel zu bringen und Interesse an sich vorzugaukeln. Das passiert im Fußball oft genug. Doch ist das nur möglich, weil sich Hertha vor zwei Monaten ohne Not von Herrich trennte und die Suche nach einem Nachfolger (unfreiwillig) maximal öffentlich wie bislang erfolgslos angeht. Der Verein hat sich kommunikativ blank gemacht und ist nun die willkommene Spielwiese für jeden, der sich wieder ins Gespräch bringen will.
Hertha hat sich die Suppe selbst eingebrockt – und die Person, die irgendwann als neuer Geschäftsführer Sport vorgestellt wird, darf sie auslöffeln. Aufgrund des katastrophalen Umstands, dass jegliche Aktivitäten des Präsidiums in jener Angelegenheit in den Medien ausgebreitet werden und Herthas Maulwurfproblem schmerzhaft sichtbar machen, weiß die Öffentlichkeit, dass jede Wunschlösung bereits abgesagt haben wird. Kandidat X wird somit als Not- und/oder Kompromisslösung wahrgenommen werden – und keinen einfachen Start bekommen. Aber wer bekommt den schon bei Hertha?
Beitrag von Marc Schwitzky