Berlin – Die SPD möchte die Partei der Gerechtigkeit sein. Aber die Liebe zu ihren Vorsitzenden hat sie an diesem Wochenende sehr ungerecht verteilt.
Ihren Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil straften die Genossen bei der Wiederwahl zum Parteichef mit miesen 65 Prozent ab. Arbeitsministerin Bärbel Bas kürten sie mit 95 Prozent zur neuen SPD-Königin.
Wie gefährlich wird die Genossen-Klatsche für Klingbeil?
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Von Bas wird er erst mal keinen Angriff fürchten müssen. Die beiden haben eine Arbeitsteilung vereinbart: Sie kümmert sich um Arbeit, Rente, Soziales. Er um Finanzen, Wirtschaft, Internationales. Das entlastet ihn. Allerdings könnte sie in zwei Jahren auch zur möglichen Kanzlerkandidatur-Konkurrentin aufsteigen.
Viel komplizierter wird es in der Regierung. CDU-Kanzler Friedrich Merz (69) kann zwar kein Interesse haben, seinen Vizekanzler Klingbeil nach der SPD-Demütigung zu destabilisieren. Allerdings wird die Union jetzt sicher nicht auch nach links rücken, um Klingbeil das Leben mit der SPD leichter zu machen.
Die Genossen erwarten von ihren Chefs einen klaren Linkskurs. Mit mehr Umverteilung sollen die Arbeiter, die der SPD in Scharen davonlaufen, zurückgewonnen werden. Beim Parteitag war die Verteilungsfrage ein Lieblingswort. Gemeint: Die Reichen sollen höhere Steuern zahlen.
Parteichef Klingbeil neben Kanzler Merz. An einem schwachen SPD-Chef hat auch Merz kein Interesse
Foto: snapshot-photography
▶︎ Bas versprach: „Unser Problem ist der wachsende Unterschied zwischen oben und unten! Zwischen Arm und Reich. Da müssen wir ran!“ Die neue SPD-Chefin beklagte: „Es gibt Manager, die streichen Vorstandsgehälter in Millionenhöhe ein. Aber was passiert, wenn es in Deutschland wirtschaftlich schlecht läuft? Dann liegt es angeblich an den faulen Arbeitnehmern! Das nenne ich Klassenkampf von oben – und das muss aufhören!“
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▶︎ Juso-Chef Philipp Türmer (29) verlangte: „Es braucht eine Sozialdemokratie, die sich wieder traut, die Verteilungsfrage so laut zu stellen, dass sie von niemandem überhört werden kann.“
▶︎ Der neue Generalsekretär Tim Klüssendorf (33, will die Krankenkassenbeiträge für Gutverdiener erhöhen) stellte fest, dass „die Chancen auf ein besseres Leben unerträglich ungerecht verteilt sind“.
Klingbeil ahnt, wie schwierig das mit den Umverteilungsplänen der Genossen und dem Unionskanzler Merz noch wird. In den Koalitionsverhandlungen konnte er höhere Steuern für Reiche nicht durchsetzen. Jetzt will er sich in der Verteilungsfrage auf den „Kampf gegen den organisierten Steuerbetrug und illegale Steuervermeidung“ konzentrieren.
Ob das seinen Genossen reicht?
Bas (l.) mit Friedrich Merz im März 2025
Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS
Schon jetzt zofft sich die Regierung um die Finanzen (Stichwort Stromsteuersenkung). Und der Geld-Streit wird noch deutlich heftiger werden: Im Haushalt 2027 muss Finanzminister Klingbeil ein 30-Milliarden-Loch schließen – mit Kürzungen oder Steuererhöhungen, die die Union ausschließt.
► Allerdings wird nicht nur Klingbeil mit der Union ringen. Bas muss als Arbeitsministerin das Bürgergeld reformieren. Während sie sagt: „Sozialkahlschlag wird es mit mir nicht geben“, träumt die Union von Milliarden-Einsparungen beim Bürgergeld-Nachfolger. Das Zoff-Potenzial in der Regierung ist riesig, die Frust-Gefahr bei der SPD auch.
Klar ist: In der Regierung wird es nach dem SPD-Parteitag rumpeliger. Wie das mit der Liebe der Genossen zu ihren beiden Chefs ausgeht – bleibt offen.