Laith Altimime, Präsident von SEMI Europe. Foto: hw
Semi-Verband plädiert in Dresden für gezieltere Akquise und Weiterbildung
Dresden, 27. Juni 2025. Der Fachkräftemangel ist in den nächsten Jahren eine der drängendsten Herausforderungen für die europäische Halbleiterindustrie. Das hat Präsident Laith Altimime vom Branchenverband „Semi Europe“ während eines 3D-Chip-Gipfels in Dresden eingeschätzt.
Lücke wächst bis 2030 auf 271.000 Fachkräfte europaweit
Laut seiner Prognose steigt der Personalbedarf der Branche in Europa bis zum Ende der Dekade stark an: von derzeit rund 382.000 Arbeitsplätzen auf rund 538.000 im Jahr 2030. Das bedeutet einen Mehrbedarf von rund 156.000 Talenten. Weil aber gleichzeitig mehr Mikroelektroniker in Rente gehen als hinzukommen, fehlen der Halbleiterindustrie zum Ende des Jahrzehnts in Summe sogar 271.000 Leute. Und angesichts der Überalterung der Gesellschaft in Europa ist nicht absehbar, wie diese Lücke gefüllt werden kann.
EU-Chipgesetz fördert auch Chipakademien
Altimime schlägt unter anderem gezielte Fachkräfte-Akquisen unter Schülern und Frauen vor. Sie will er für Karrieren in den Chipfabriken und im Umfeld begeistern. Das würde freilich den Mangel in anderen Branchen nicht lösen, sondern eher verschärfen. Eine andere Option ist die Weiterbildung der bereits verfügbaren Fachkräfte, damit sie besser für die Aufgaben geschult sind, die heute in der Mikroelektronik zu lösen sind. So unterstützt beispielsweise die EU über ihr Chipgesetz nicht nur Großansiedlungen, sondern fördert auch Chip-Akademien in Europa. Auch Semi und weitere Akteure haben Weiterbildungsprogramme aufgelegt.
Ohne qualifizierte Zuwanderer wird Lücke kaum füllbar sein
Zudem drängen andere Verbände wie beispielsweise der „Silicon Saxony“ auf mehr qualifizierte Zuwanderer: Ohne sie werde – zumindest in Sachsen, wo die Frauenerwerbsquote bereits hoch ist – der absehbare Stellen-Zuwachs in der Mikroelektronik nicht zu decken sein.
KI und 3D-Integration als Megatrends
Neben diesen personellen Herausforderungen sieht Altimime auch technologische Umwälzungen in der Halbleiterei. So erzeugt der Boom „Künstlicher Intelligenzen“ (KI) gleich mehrfachen Bedarf an neuen Chips: Einerseits Hochleistungs-Prozessoren, die in Rechenzentren die KIs anlernen, andererseits dezentrale, verbrauchsarme KI-Beschleuniger, die den Einsatz der „Künstlichen Intelligenzen“ in aller Breite möglich machen, ohne dass überall der Energieverbrauch explodiert und die Akkulaufzeiten mobiler Geräte drastisch schrumpfen. Überhaupt seien Chiparchitekturen im Kommen, die den Stromverbrauch auch in den Rechenzentren begrenzen. Semi jedenfalls geht davon aus, dass sich der elektrische Energiebedarf Künstlicher Intelligenzen bis 2030 mehr als verdoppelt: von derzeit 415 Terawattstunden (TWh) pro Jahr auf dann 945 TWh.
Semi-Präsident sieht 3D-Chips als „Game Changer“
Technologisch immer wichtiger werde auch der Trend hin zur 3D-Integration und fortgeschrittenen Endmontage, betonte der Semi-Europe-Präsident während des „3D & Systems Summit 2025“ im Dresdner Hilton-Hotel. Er sieht darin einen „Game Changer“, der wieder einen Weg eröffnet, mikroelektronische Leistungskraft dichter zu packen, selbst wenn die Verkleinerung der Chipstrukturen selbst in Größenordnungen von zwei Nanometern und darunter immer schwerer und teurer werde.
Neue Chancen für die Europäer
Und gerade hier kann Europa auch neue Marktpositionen aufbauen. Denn bei der Integration von Sensoren, Signalverarbeitung, Aktoren und anderen Komponenten in Mikrosysteme haben NXP, Bosch und andere europäische Unternehmen bereits jetzt Führungspositionen. Gelingt es, diese Expertise auf die 3D-Integration heterogener Strukturen nach dem Chiplet-Prinzip zu übertragen, könnte das ganz neue Perspektiven eröffnen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Referate von Laith Altimime, Sebastian Darré und Stephan Guttowski zum „3D & Systems Summit 2025“, Oiger-Archiv, Wikipedia
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