Die Einschränkungen im Fahrplan im nächsten Jahr im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz haben für jede Menge Aufregung gesorgt. Bei Betroffenen, bei Verbänden, in den Kommunen. Die meisten Einschränkungen resultieren schlichtweg daraus, dass der Zweckverband für den Nahverkehr Leipzig (ZVNL) im Dezember 2025 eigentlich das neue S-Bahn-Netz 2025plus starten wollte.
Aber Verzögerungen bei der Lieferung der neuen Fahrzeuge sorgten dafür, dass das Ganze ein Jahr später startet und ein Interims-Fahrplan aus dem Boden gestampft werden musste. Zu dem freilich auch die SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat ein paar Nachfragen hatte.
Einige der Einschnitte wurden ja bekanntlich auf der Verbandstagung des ZVNL am 23. Juni noch zurückgenommen. Zumindest so weit das mit dem beim ZVNL verfügbaren Geld möglich ist. Und dieses Geld hat seine Grenzen. Es stammt aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes, die dieser an die Bundesländer ausreicht. Und der Freistaat Sachsen gibt dieses Geld nicht vollständig an die Zweckverbände weiter, sodass deren Spielräume bei der Vertragsgestaltung denkbar eng sind.
Darauf weist auch das Mobilitäts- und Tiefbauamt hin, das auf die SPD-Anfrage hin die Antworten formulierte.
„Die 98. Verbandsversammlung hat am 23.06.2025 den Verbandsvorsitzenden ermächtigt, unter Beachtung der konkreten weiteren finanziellen Entwicklungen im ZVNL für das Fahrplanjahr 2025/26 zusätzliche Verkehrsleistungen im SPNV zu verhandeln und zu bestellen. Das betrifft die Verlängerung von 2 Fahrtenpaaren Halle-Leipzig bis Borna; Verdichtung der S1 im Abendverkehr mit vier Fahrtenpaaren
Verdichtung der S5 im Abendverkehr mit einer Fahrt.“
Es sind vor allem Angebotserweiterungen auf sowieso bestellten Strecken.
„Möglich werden diese Nachbestellungen, da in der Haushaltsbewirtschaftung im Verband zusätzliche unplanmäßige Einnahmen (Pönale der letzten Jahre, die jetzt haushaltswirksam werden) festzustellen sind. In der intensiven Abstimmung der Verbandsmitglieder untereinander und mit der Geschäftsstelle des ZVNL wurden die oben genannten zusätzlichen Leistungen als technisch umsetzbar und finanziell machbar identifiziert. Dabei war auch die verkehrliche Wirkung im Verbandsgebiet ein Kriterium.“
Eine unbefriedigende Entwicklung
Dabei hatte auch Leipzig damit gerechnet, dass sich das S-Bahn-Angebot mit der nächsten Stufe des S-Bahn-Netzes spürbar ausweitet. So betrachtet auch Leipzigs Verwaltung das Interims-Jahr mit einiger Sorge: „Maßnahmen, wie die Ausdünnung des Abendtakts oder die Reduzierung von Zugkilometern im SPNV, stellen auch für die Stadt Leipzig eine unbefriedigende Entwicklung dar. Die Maßnahmen fallen in eine Zeit positiver Nachfragelage, da die Fahrgastzahlen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sind.
Die Maßnahmen führen aus Sicht der Stadtverwaltung dazu, dass den Bürgerinnen und Bürgern weniger Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um auf umweltfreundliche Verkehrsmittel wie die Bahn umzusteigen. Dieser Umstand läuft den verkehrspolitischen Zielen der Stadt entgegen.“
Aber das Mobilitäts- und Tiefbauamt formuliert auch: „Gleichzeitig ist sich die Stadt der strukturellen Herausforderungen im SPNV bewusst. Eine verlässliche Finanzierung sowie ein konsequenter Ausbau der Eisenbahninfrastruktur sind grundlegende Voraussetzungen, um ein attraktives und leistungsfähiges Angebot langfristig zu sichern. Die Stadtverwaltung steht daher in kontinuierlichem Austausch mit relevanten Partnern wie dem ZVNL und wird sich für die Nachbestellung zusätzlicher Verkehrsleistungen für das Fahrplanjahr 2025/26 einsetzen.“
Und für die Einschnitte im Interims-Jahr gilt letztlich: „Die Gründe sind ausschließlich fehlende finanzielle Mittel, um den IST-Stand 2025 dauerhaft aufrechtzuerhalten.“
Kostensteigerungen begrenzen das Angebot
Und es gilt nicht nur für 2025, dass die Zuweisungen des Bundes nicht ausreichen, die Kostensteigerungen im ÖPNV auszugleichen. Das ist vielen Fahrgästen nicht bewusst. Allein die Trassenpreise verschlingen einen Großteil der vom Zweckverband eingesetzten Gelder. Dazu kommen aber auch noch die heftigen Kostensteigerungen beim ganz normalen Betrieb der S-Bahnen, welche die eigentlich notwendige Ausweitung sogar verhindern. Bund und Land müssten also deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen, um das Angebot ausweiten zu können.
So aber frisst die Inflation die eher kleinen jährlichen Steigerungen auf.
Oder mit den Worten des Mobilitäts- und Tiefbauamtes: „Dieses ist wesentlich von der Kostenentwicklung von Energie, Personal, Instandhaltung und Infrastruktur abhängig. Hier waren seit 2021 Kostensprünge zu verzeichnen. Wir müssen davon ausgehen, dass dem ZVNL jährlich rund 20 Mio. € (dynamisiert) zusätzlich zur Verfügung stehen müssen. Durch die Fahrten in benachbarte sächsische Aufgabenträgergebiete – aber auch in die Bundesländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen – müssen auch dort mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Insofern ist dies eine gesamtdeutsche Aufgabe zur Ausstattung mit Regionalisierungsmitteln.“
Was noch zurückhaltend formuliert ist. Wenn es die deutsche Bundesregierung mit der Verkehrswende wirklich ernst meinen würde, würde sie die Gelder für den Nahverkehr deutlich stärker anheben. Stattdessen sorgen die Mindereinnahmen durch das so wichtige Deutschland-Ticket dafür, dass das Geld bei den Zweckverbänden noch knapper wird.
Auch der Freistaat Sachsen knausert
„Gibt es Gespräche bzw. Verhandlungen mit dem Freistaat Sachsen und dem ZVNL, damit die Einschränkungen vermieden werden können?“, wollte die SPD-Fraktion deshalb wissen.
Aber der Rau Leipzig steht mit dem Problem nicht allein da: „Alle sächsischen Aufgabenträger haben den Freistaat über ihre angespannte finanzielle Situation unterrichtet. Der Freistaat hat ab 2023 (rückwirkend auf 2022) den sächsischen Zweckverbänden zusätzliche Mittel aus dem Fond der Regionalisierungsmittel zugewiesen. Im Jahr 2025 sind dies 26.153.767 €. Für 2026 und 2027 wird dieser Betrag reduziert.
Ab 2028 liegt keine Zusage durch den Freistaat vor. Den Großteil davon benötigt der SPNV, um die unter Punkt 3 genannten Mehrkosten zu kompensieren. Die weiteren Mittel werden den Verbandsmitgliedern zur Verfügung gestellt, um z.B. ebenfalls diese Mehrkosten im ÖSPV auszugleichen.“
Wobei letztlich nicht die Fahrgastzahlen ausschlaggebend sind, wie sich das S-Bahn-Netz finanziert. Sie könnten – wie der ZVNL-Verbandsvorsitzender Kai Emanuel sagt – bestenfalls helfen, die Finanzierungslücke zu schließen, wenn die Fahrgasteinnahmen steigen würden. Aber genau das verhindert ja das Deutschland-Ticket. Es ermöglicht vielen Fahrgästen, überhaupt bezahlbar im ÖPNV unterwegs zu sein, mindert aber die Fahrgasteinnahmen der Zweckverbände. Hier müsste also der Staat einspringen.
Und so betont das Mobilitäts- und Tiefbauamt: „(Wieder-)Bestellung von S-Bahnen sind in allererster Linie eine finanzielle Frage und bedingen zusätzliches Personal und ggf. auch Fahrzeuge und Infrastruktur. Im günstigsten Fall kann innerhalb eines Jahres mehr Verkehr möglich werden. Bei Beschaffung neuer Fahrzeuge sind 4 Jahre anzunehmen. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Zugbestellung über einen längeren Zeitraum erfolgt. Ansonsten schlagen sehr hohe Fixkosten zu Buche, die die Finanzsituation weiter belasten.“
Was ein Grund dafür war, dass die S-Bahn 10 nach Grünau wieder gestrichen wurde. Sie war im Betrieb schlicht zu unzuverlässig und zu teuer.
Fürs eigene Liniennetz sehen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) eher keine Auswirkungen durch das Interims-Angebot der S-Bahn im Jahr 2025/2026. Im Dezember 2026 sollte dann das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz 2025plus in Kraft treten, mit neuen Angeboten und vor allem größeren Fahrzeugen, die deutlich mehr Fahrgäste (und Fahrräder) aufnehmen können.