Mit den neuen Bebauungsleitlinien für den Molkenmarkt nimmt die geplante Umgestaltung der einstigen Berliner Altstadt zunehmend konkrete Formen an. Das historische Zentrum soll zu einem lebendigen, sozialen und architektonisch hochwertigen Quartier werden. Neue Gebäudeprofile, archäologische Fenster und sozialer Wohnraum sollen zeigen, wie Vergangenheit und Zukunft sinnvoll verschmelzen können – so jedenfalls der Plan des Berliner Senats.
Die neuen Straßen sind längst fertig, nun muss die Bebauung der freien Grundstücke am Molkenmarkt erfolgen. Der erste Realisierungswettbewerb wurde Ende 2024 gestartet, nun hat der Berliner Senat die Bebauungsleitlinien verabschiedet. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Mit der Veröffentlichung erster Bebauungsleitlinien für das künftige Quartier Molkenmarkt hat die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen einen entscheidenden Schritt in der städtebaulichen Neugestaltung der historischen Mitte vollzogen.
Die Leitlinien betreffen den nördlichen Bereich des sogenannten Block B und bilden die konzeptionelle Grundlage für den aktuell ausgelobten hochbaulichen Realisierungswettbewerb. Dies teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen am Montag in einem offiziellen Pressestatement mit.
Molkenmarkt: Rahmen für den Realisierungswettbewerb in Berlin-Mitte steht
Ziel der Bebauungsleitlinien ist es, ein stabiles räumliches und funktionales Gerüst zu formulieren, das eine qualitativ hochwertige Architektur ebenso ermöglicht wie eine Vielfalt an Nutzungen. Darüber hinaus soll ein starker stadträumlicher Bezug zu den angrenzenden Quartieren geschaffen werden. Die nun vorgestellten Leitlinien ergänzen den bereits 2023 vom Berliner Senat beschlossenen Rahmenplan und bilden gemeinsam mit diesem die sogenannte „Charta Molkenmarkt“.
Senator Christian Gaebler bezeichnete die Entwicklung des Molkenmarkts als eines der wichtigsten stadtentwicklungspolitischen Vorhaben der Hauptstadt. Mit der Veröffentlichung der Leitlinien werde das Projekt nun konkret, so Gaebler. Für die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), die am Molkenmarkt künftig bezahlbaren Wohnraum schaffen wird, sei dies ein bedeutender Schritt in der Umsetzung des Projekts.
Grunerstraße und Jüdenstraße: Erste Gebäudeprofile festgelegt
Der veröffentlichte erste Teil der Leitlinien besteht aus einem sogenannten Blocksteckbrief für Block B sowie acht Gebäudesteckbriefen für die geplanten Neubauten entlang der Grunerstraße, der Jüdenstraße und am Molkenmarkt. Diese Gebäude bilden typologisch und schematisch den sogenannten Stadthof, der als erster Bauabschnitt des neuen Quartiers geplant ist.
Die Steckbriefe legen unter anderem die Einteilung der Baukörper, die Verteilung der Nutzungen auf die Geschosse, die Höhenentwicklung und die Gestaltung der Dächer fest. Auch die Erschließung der Gebäude sowie deren Adressbildung werden definiert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Integration archäologischer Fenster, die die historische Tiefenstruktur des Ortes sichtbar machen und im städtebaulichen Konzept verankert werden sollen.
Molkenmarkt-Wiederaufbau: Städtebauliche Leitlinien für Berlin-Mitte werden weiterentwickelt
Auch die Materialität und Farbgebung der Neubauten wird in den Leitlinien gestalterisch vorgegeben – mit dem Ziel, eine stimmige und identitätsstiftende Quartiersarchitektur zu schaffen. Die Vorgaben orientieren sich dabei an den Anforderungen der WBM, die für die geplante soziale Durchmischung im Quartier verantwortlich ist.
Die Erarbeitung der Leitlinien für die weiteren Abschnitte von Block B sowie für Block A ist derzeit in vollem Gange, wie es heißt, und soll laut Senat bis zum dritten Quartal 2025 abgeschlossen werden. Die Planungen erfolgen in enger Abstimmung mit Vertreterinnen und Vertretern der Landes- und Bezirksverwaltungen, dem Baukollegium Berlin sowie dem Beirat für Öffentliche Räume. Die Bebauungsleitlinien für Block C sollen dann nach Abschluss der Grundstücksneuordnung folgen.
Der neue Molkenmarkt: Ein Projekt mit Symbolkraft für die Berliner Innenstadt
Der Umbau des Molkenmarkts gilt – ähnlich wie die Transformation der benachbarten Grunerstraße – als Symbol für eine neue Form der Stadtplanung in Berlin-Mitte. Weg von breiten Verkehrsachsen und hin zu gemischt genutzten, fußgängerfreundlichen Stadtquartieren mit historischem Bezug – so der Plan des Senats.
Das Areal, das über Jahrzehnte hinweg durch autogerechte Verkehrsplanung geprägt war, soll künftig wieder zu einem lebendigen Teil der Innenstadt werden. Mit der „Charta Molkenmarkt“ und den nun veröffentlichten Leitlinien soll zumindest die Grundlage für diesen Wandel geschaffen werden – gestalterisch, funktional und sozial.
Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt hatte zuletzt im Dezember 2024 gemeinsam mit Lars Domeyer, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) über die aktuellen Entwicklungen zum Vorhaben am Molkenmarkt informiert, in deren Mittelpunkt die Bebauungsleitlinien standen.
WBM investiert 220 Millionen für den Wohnungsbau am Berliner Molkenmarkt
Die Planungen für die Häuserblöcke A und B sind laut Lars Domeyer von der WBM am konkretesten fortgeschritten, wo in acht Häusern auf insgesamt 28.000 Quadratmeter vermietbare Fläche entstehen sollen, davon 20.000 Quadratmeter für Gewerbe und 8.000 Quadratmeter für Wohnzwecke. Insgesamt 140 landeseigene Wohnungen sollen im Zuge des Vorhabens entstehen.
Im ersten Schritt sollen allein im Häuserblock B einhundert Wohnungen entstehen. Von diesen 140 Wohnungen werden zirka 50 Prozent durch Fördergelder mitfinanziert werden. Die WBM, als Auftraggeber und Bauherr und übrigens auch als Eigentümerin des Nikolaiviertels, investiert in beiden Häuserblöcken A + B, die gegenüber der Rückseite der Rathauspassagen liegen, insgesamt 220 Millionen Euro
Berliner Senat startet ersten Realisierungswettbewerb für Wohnungsbau am Molkenmarkt
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hatte Ende 2024 den ersten Realisierungswettbewerb für die Bebauung des Molkenmarkts europaweit ausgeschrieben. Der Wettbewerb bezieht sich auf den nördlichen Teilbereich des Blocks B zwischen Grunerstraße, Molkenmarkt und Jüdenstraße.
Auf Grundlage dieses Verfahrens soll die WBM schließlich die bauliche Entwicklung des Areals realisieren. Mit der Ausschreibung rufen die Senatsverwaltung und die WBM Architekturbüros zur Teilnahme am Wettbewerb auf.
Molkenmarkt: Berliner Senat will große gestalterische Vielfalt erreichen
Um eine möglichst große gestalterische Vielfalt zu gewährleisten, wird ausdrücklich auf die Möglichkeit der Bildung von Bewerbergemeinschaften hingewiesen. Der Wettbewerb ist in drei Planungsbereiche (Lose) unterteilt, die jeweils mehrere Gebäude umfassen. Die spezifischen Anforderungen an die Entwürfe ergeben sich aus der stadträumlichen Lage, den vorgesehenen Nutzungen sowie den baulichen Rahmenbedingungen.
Das Verfahren erfolgt zweistufig: In einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb werden bis zu sieben Teams je Los ausgewählt, zusätzlich sind drei Bietergemeinschaften je Los bereits gesetzt. Die ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen voraussichtlich ab Sommer 2025 mit der Ausarbeitung ihrer Wettbewerbsbeiträge beginnen.
Wohnungsbau am Molkenmarkt: Baustart soll im Jahr 2029 erfolgen
Gebaut werden soll ab dann aber erst ab 2029, die ersten Mieterinnen und Mieter werden voraussichtlich im Jahr 2032 einziehen können. Die für die Auslobung der Architekturwettbewerbe erforderlichen Blocksteckbriefe wurden für die Konkretisierungen der ersten acht Häuser und für weitere Wettbewerbe der nachfolgenden Blockbebauungen in sogenannte Gebäudesteckbriefe vorgegeben.
Darin finden sich dann Vorgaben zu den einzelnen Häusern zur Gestaltung der Sockel, der Dächer oder Dachzonengestaltung und dem Fassadenputz in den Obergeschossen. Sämtliche Häuser sollen in Skelettbauweise errichtet werden. Petra Kahlfeldt geht davon aus, dass aufgrund der archäologischen Bestandsaufnahme keine weiteren Verzögerungen für Häuserblock B entstehen werden.
Baustart ab 2029: Initiative Offene Mitte Berlin kritisiert erneute Verschiebung des Baubeginns am Molkenmarkt
Die Initiative Offene Mitte Berlin reagierte schon Ende vergangenen Jahres kritisch auf die Ankündigung des Berliner Senats, vor allem was den kommunizierten Zeitplan angeht: „Am 12. Dezember 2024 teilte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt mit, dass die Bauarbeiten für das neue Stadtquartier am Molkenmarkt frühestens 2029 beginnen sollen. Dieser Zeitplan bedeutet, dass der Baustart abermals um mindestens drei Jahre verschoben wurde. Noch am 22. August 2023 hatte Senator Christian Gaebler erklärt, dass der Baustart in dieser Legislaturperiode, also 2026, erfolgen soll. Die am Molkenmarkt geplanten 450 Wohnungen werden also noch später fertig werden.“
Und weiter: „Diese Verzögerung ist eine schlechte Nachricht für die vielen Wohnungssuchenden in Berlin. Aus Sicht der Initiative Offene Mitte Berlin gibt es für diese Verzögerungen keinerlei Rechtfertigungen. Der Umbau der Straßen ist bereits erfolgt. Die archäologischen Grabungen werden spätestens 2026 abgeschlossen werden. Berlin verfügt somit über hervorragende Baugrundstücke in zentraler Lage, auf denen zügig die dringend benötigten Wohnungen errichtet werden könnten.“
So fordert die Initiative, dass der Baustart für die neuen Wohnungen ab 2026 beginnen solle und nicht erst ab 2029. Wenn 2025 der erste Architekturwettbewerb durchgeführt werden soll, die ersten Mieterinnen und Mieter aber erst ab 2032 in ihre Wohnungen ziehen können, ist am Molkenmarkt tatsächlich ein besonders langer Atem gefragt.
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Quellen: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Architekturbüros Maeckler, Initiative Offene Mitte Berlin