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Weimer wettert bei „Maischberger“ gegen die „woke Blase“, Göring-Eckardt wundert sich über ihn – zu Recht. Klöckners Haltung zur Pride-Flagge sorgt für Misstrauen.
Bei „Maischberger“ sorgte der Unternehmer Michael Otto am Montagabend für erstaunliche Einsichten in die Anfangsjahre eines der reichsten Männer der Welt: Jeff Bezos. Dass dessen Karriere als milliardenschwerer Tech-Tycoon zu Beginn alles andere als glatt verlief, davon wusste Otto, langjähriger Chef des gleichnamigen deutschen Versandhauses, eine spannende Episode zu erzählen. Zunächst ging es in der Talkshow allerdings um den Umgang der demokratischen Parteien im Bundestag mit der AfD.
So verteidigte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer die umstrittene Aktion von Julia Klöckner, zum Christopher Street Day am Wochenende keine Regenbogenflagge auf dem Reichstag zu hissen. Er könne beide Seiten verstehen, sagte Weimer am Montagabend bei „Maischberger“. Die Bundestagspräsidentin (CDU) achte eben sehr auf Spielregeln und auf die Neutralität des Parlaments, meinte der von Friedrich Merz berufene Publizist (der Bundeskanzler ist am Dienstag alleiniger Gast in der Talkshow). Klöckner erregte im Studio aber auch Misstrauen.
- Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister
- Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), Bundestagsabgeordnete
- Michael Otto, Unternehmer
- Helge Fuhst, „Tagesthemen“-Leiter
- Anna Lehmann, Journalistin (taz)
- Paul Ronzheimer, Journalist („Bild“)
Der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur Paul Ronzheimer vermutete bei „Maischberger“, dass Klöckner mit der Aktion dezidiert AfD-Wähler ansprechen wollte. Während Ronzheimer bei der Pride-Flagge auf dem Reichstag ebenfalls Verständnis für Pro und Contra zeigte, bezog der „Tagesthemen“-Moderator Helge Fuhst klar Stellung.
Angesichts von immer mehr Gewaltangriffen auf die queere Community habe Klöckner durch das Nichthissen der Regenbogenfahne ein deutliches Zeichen gesetzt, sagte der Journalist. „Sie möchte andere Wählergruppen damit ansprechen“, meinte er ebenfalls mit Blick auf die AfD. Ähnlich sah es Anna Lehmann von der „tageszeitung“ (taz). Die Regenbogenfahne stehe für Toleranz und Vielfalt. „Eigentlich müsste Julia Klöckner sie jeden Tag hissen.“
Weimer betonte hingegen, dass die Bundestagspräsidentin auch sehr deutlich gegen Ausfälle der AfD-Fraktion vorgehe. Ähnlich sei es bei „Kleiderdebatte“ gewesen, „als die Grüne da kam mit Pullover“, sagte der Kulturstaatsminister. Die Frage „Welcher Pullover?“ der grünen Bundestagsabgeordneten Katrin Göring-Eckardt ignorierten in der Dreierrunde sowohl Weimer als auch Maischberger.
Dabei hatte Göring-Eckardt recht: Klöckner hatte nicht eine Politikerin der Grünen, sondern Cansin Köktürk von der Linkspartei wegen eines Shirts mit dem Aufdruck „Palestine“ des Plenarsaals verwiesen. Möglicherweise hatte Weimer auch an den Eklat um den „Alle Polizisten sind Bastarde“-Pullover der Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, gedacht.
Wie schon bei seinem Auftritt kürzlich bei „Markus Lanz“ (dort mit dem Grünen-Chef Felix Banaszak) beklagte Weimer, dass Bürger es angeblich nicht mehr wagen, offen ihre Meinung zu äußern. Dazu trage die AfD bei, aber auch die „grüne, woke Blase“, warf er Göring-Eckardt vor. Die ehemalige Vizepräsidentin des Bundestages ihrerseits warnte Weimer davor, mit dieser Behauptung erst recht Ängste zu schüren. Denn Weimer könne sehr wohl offen seine Ansichten vertreten, wolle aber bloß keinen Widerspruch.
„Schützt Ihr Freiheitsbegriff auch Herrn Elsässer?“, wollte Maischberger von Weimer wissen. Gemeint war Jürgen Elsässer, Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift „Compact“. Deren Verbot durch die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben worden. „Natürlich“, erwiderte Weimer. „Wir müssen diese Meinung ertragen.“
Dass er mit Merz befreundet ist, daraus machte Weimer auf Nachfrage von Maischberger keinen Hehl. Die Moderatorin wollte wissen, ob es schwierig sei, jetzt seinen Freund zum Chef zu haben? „Nein, das fühlt sich gut an“, antwortete der Publizist, dessen Berufung auf breite Kritik gestoßen war.
Der Unternehmer Michael Otto begrüßte bei „Maischberger“ grundsätzlich das riesige Schuldenpaket der Bundesregierung für Verteidigung und Infrastruktur. Er hätte sich allerdings gewünscht, dass der für die Schuldenbremse berücksichtigte Anteil des Bruttoinlandsprodukts schrittweise angehoben wird. Die Bundeswehr könne nicht auf Dauer über Schulden finanziert werden, warnte der Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats der Otto Group.