• Leipzigs ältestes Kaffeehaus „Zum Arabischen Coffe Baum“ empfing viele berühmte Persönlichkeiten.
  • Leipzigs Kaffeehäuser haben auch Musikgeschichte geschrieben, so bekommt Bachs „Kaffeekantate“ einen eigenen Raum.
  • Die neue Dauerausstellung schärft auch den Blick auf Themen wie Kolonialgeschichte, Welthandel und Fairtrade.

Literaturpapst Johann Christoph Gottsched trank hier seinen Kaffee ebenso Max Klinger, Erich Kästner, Kurt Masur oder US-Präsident Bill Clinton. Seit drei Jahrhunderten ist das barocke Gebäude in der Leipziger Innenstadt Anziehungspunkt für Kaffeeliebhaber.

Einer der ersten soll der Überlieferung nach August der Starke gewesen sein, der angeblich die Plastik über dem Eingang stiftete, der der „Coffe Baum“ seinen Namen verdankt: ein osmanischer Würdenträger unter einem Kaffeebaum, dem ein Putto eine Schale reicht. „Wir wollen das Kaffeetrinken als ein historisch gewachsenes Kulturgut dieser Region zeigen und zugleich die wunderbaren Wirkungen und Spuren, die der Kaffee in der Kulturgeschichte hinterlassen hat“, erklärt Anselm Hartinger, Direktor Stadtgeschichtliches Museum Leipzig.

Wir wollen das Kaffeetrinken als ein historisch gewachsenes Kulturgut dieser Region zeigen.

Anselm Hartinger, Direktor Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Kaffee und Musik – eine lange Leipziger Geschichte

Einer der legendären Stammgäste zwischen 1833 und 1840 war Robert Schumann. Mit seinem Freundeskreis, den Davidsbündlern, gründete er hier die „Neue Zeitschrift für Musik“. Die Schumann-Ecke in dem Kaffehaus war noch Jahrzehnte nach dem Tod des Komponisten beliebter Treffpunkt von Musikern. Richard Wagner, Edvard Grieg, Franz Lehár saßen ebenso hier wie Dirigent Arthur Nikisch und Thomaskantor Günther Ramin.

Einen eigenen Raum in der neuen Ausstellung hat das bekannteste Musikwerk über den Kaffee bekommen: Bachs Kaffeekantate. Dabei hat Bach sein Werk gar nicht im „Coffe Baum“ uraufgeführt, sondern im Zimmermannschen Kaffeehaus, wo er mit seinem Collegium musicum allwöchentlich aufspielte. Auch das Zimmermannsche war ein legendäres Kaffeehaus in Leipzig – genauso wie das Corso, Felsche, Grundmann oder Richter, in denen auch immer Musik erklang. Schon vor Telemann und Bach musizierten hier Studenten der Uni Leipzig, um 1900 erobern Musikautomaten der Leipziger Hupfeld Fabrik die Cafés. In der DDR ging man zu Jazz und Liedermacherkonzerten ins Café Grundmann.

Klischee und Kult, Bliemchengaffee und Plörre

Um wenige Getränke gibt es so viele Anekdoten und Legenden wie um den Kaffee. Er stärke Geist, Körper und Magen und verlängere das Leben, behaupteten die Kaffeeliebhaber schon im 18. Jahrhundert, während andere ihn als gefährliches Gift sahen, das Kopfschmerz, Schwindel und Hämorrhoiden verursacht. Was wohl kaum beim berüchtigten sächsischen „Bliemchengaffee“ passieren konnte, gekocht aus „sieben Bohnen auf 14 Tassen“. Dabei stand der Begriff ursprünglich für den Besitz von Kaffeetassen aus wertvollem Porzellan, deren Innenseiten Blümchen zierten.

Noch mit einer anderen Legende räumt die neue Ausstellung auf: mit den „Gaffeesachsen“. Geprägt von Preußenkönig Friedrich dem Großen, der so sächsische Soldaten beschimpfte, die sich aus dem Schlachtfeldstaub machten, weil sie keinen Kaffee vor dem Kampf bekamen. Allerdings hatte Kaffeeliebhaber Friedrich II. den Bohnenkaffee nur für sich vorgesehen, seine Soldaten bekamen einen Ersatz aus Zichorie und gerösteter Gerste.

Die politische Seite des Kaffees

Nicht nur Preußenkönig Friedrich hatte Ärger wegen des Ersatzkaffees. Noch größer war er für DDR-Chef Erich Honecker in den 80er-Jahren, als das devisenknappe Land den Bürgern eine Ersatzmischung präsentierte, die zu massiven Beschwerden führte. Die Genossen kamen dann auf die Idee, im befreundeten Vietnam Kaffee anbauen zu lassen. Bittere Ironie der Kaffeegeschichte: Die erste Ernte 1991 erlebte die DDR nicht mehr. Heute ist Vietnam aber der zweitgrößte Kaffeeproduzent der Welt.

Dass Kaffeeanbau und -verarbeitung auch immer eine politische Seite hatten, wird in der Dauerausstellung deutlicher als früher gezeigt. Man habe die Themen Kolonialgeschichte, Welthandel und Fairtrade deutlich erweitert, sagt Maike Günther, Kuratorin Stadtgeschichtliches Museum Leipzig. So schufteten afrikanische Sklaven auf südamerikanischen Kaffeeplantagen, und die Vermarktung arbeitete bis vor wenigen Jahrzehnten mit rassistischen Klischees. Und die Monokulturen haben fatale ökologische Folgen.

Inhaltlich haben wir die Geschichten zur Kolonialgeschichte, zum Welthandel, zu Fairtrade deutlich erweitert und geschärft.

Maike Günther Kuratorin Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Auf Geschichtsstürmerei verzichten die Ausstellungsmacher. Die dem osmanischen Würdenträger nachempfundene Figur begrüßt noch immer den Besucher am Eingang zur Ausstellung. Nun aber werden sie und die mit ihr verknüpfte „Türkenmode“ hinterfragt und in ihren historischen Kontext eingeordnet.

Kaffeegenuss und Kaffeewissen unter einem Dach

Mit dem „Zum Arabischen Coffe Baum“ bekommt das Stadtgeschichtliche Museum eine publikumslockende Ausstellung, die das Leipziger Lebensgefühl feiert und erzählt, wie wichtig Kaffeehäuser für die Stadt waren und sind. Hier wurden und werden Kontakte geknüpft und die besten Ideen entstehen bei einer „Schale Heeßen“.

Redaktionelle Bearbeitung: jb