Europa ächzt unter Rekordtemperaturen. Die Wissenschaft sieht darin klare Anzeichen des Klimawandels. Doch Panik wäre jetzt der falsche Weg. Ein Telepolis-Leitartikel.
Die Hitze hat Deutschland und Europa fest im Griff. Das ist nicht außergewöhnlich für den Hochsommer. Doch neue Daten zeigen: Die Lage ist doch außergewöhnlich. Und das nicht erst seit gestern. Denn der mutmaßlich menschengemachte Klimawandel beeinflusst die Atmosphäre schon seit über 130 Jahren. Jetzt erreichen die Temperaturen immer neue Höchstwerte. Wissenschaftler warnen eindringlich vor den gefährlichen Folgen für Mensch und Natur. Entschlossenes Handeln ohne Panik ist gefragt.
Die globalen Temperaturen erreichten im März 2025 erneut Rekordwerte, wie die EU-Klimabeobachtungsstelle Copernicus berichtet. In Europa war es der mit Abstand wärmste März seit Beginn der Aufzeichnungen. Weltweit gesehen war es der zweitwärmste März in den Copernicus-Daten seit Beginn der Messungen.
Damit setzt sich eine fast ununterbrochene Serie von Rekord- oder Fast-Rekordtemperaturen fort, die bereits seit Juli 2023 anhält. Seitdem lagen die globalen Durchschnittstemperaturen in fast jedem Monat mindestens 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau, als der Mensch begann, in großem Stil fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas zu verbrennen und damit den Treibhauseffekt massiv zu verstärken.
„Dass wir immer noch bei 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen, ist in der Tat bemerkenswert und alarmierend“, sagt Friederike Otto vom Grantham Institute for Climate Change am Imperial College London gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP. „Wir stecken sehr fest im Griff des menschengemachten Klimawandels“, schlussfolgert die Klimaforscherin.
Temperaturen gehen doch nicht zurück
Tatsächlich hatten Wissenschaftler erwartet, dass die extremen Temperaturen nach dem Höhepunkt eines wärmenden El-Niño-Ereignisses Anfang 2024 wieder etwas nachlassen würden. Doch sie halten hartnäckig an und wollen einfach nicht sinken. „Wir erleben weltweit immer noch extrem hohe Temperaturen. Das ist eine außergewöhnliche und beunruhigende Situation“, sagt Robert Vautard, führender Wissenschaftler beim Weltklimarat IPCC, im Gespräch mit AFP.
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Rückblick zeigt Trend zu Erwärmung
Die Temperaturanomalien für März 2025 im Vergleich zu den März-Durchschnittswerten für den Zeitraum 1991-2020 zeigen das Ausmaß der Erwärmung. Auch die Niederschlagsanomalien, ausgedrückt als Prozentsatz des Durchschnitts von 1991-2020, offenbaren signifikante Veränderungen im Wasserkreislauf.
Folgen des Klimawandels für Wetter und Natur
Wissenschaftler warnen seit langem, dass jeder noch so kleine Bruchteil eines Grades globaler Erwärmung die Intensität und Häufigkeit von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Starkregen und Dürren erhöht – mit Folgen für die Natur und die menschliche Zivilisation. Der Klimawandel betrifft dabei nicht nur die Temperaturen, sondern beeinflusst auch die Niederschlagsmuster weltweit.
Schon im März viel Trockenheit
Im März 2025 erlebten einige Teile Europas den trockensten März seit rund einem halben Jahrhundert, während andere Regionen von Rekordniederschlägen und Überschwemmungen heimgesucht wurden, berichtet Samantha Burgess vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage, das den Klimadienst Copernicus betreibt.
Wetterextreme zu erwarten
Bill McGuire, Klimawissenschaftler am University College London, sagt, diese Wetterextreme zeigten deutlich, wie ein destabilisiertes Klima zu mehr und heftigeren Wetterextremen führt. „Mit fortschreitendem Klimawandel sind weitere Rekorde und Katastrophen leider nur zu erwarten“, so McGuire gegenüber AFP.
Was war 1855?
Dabei hält der Einfluss des Menschen auf das Klima möglicherweise schon viel länger an als bisher angenommen. Schon um das Jahr 1855 wären die ersten Anzeichen eines menschlichen Einflusses auf die Atmosphärentemperatur messbar gewesen – wenn es damals die heutigen hochpräzisen Messinstrumente gegeben hätte. Die Studie wurde in der US-Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
Einfluss erst später messbar
Tatsächlich wurden die wärmespeichernden Eigenschaften von Kohlendioxid erst Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt. Die Emissionen dieses Treibhausgases stiegen damals im Zuge der Industriellen Revolution in Europa bereits an. Doch erst ab den 1970er Jahren gab es systematische wissenschaftliche Studien, die die zentrale Rolle des Menschen beim modernen Klimawandel zweifelsfrei aufdeckten, wie aus einem Bericht des Weltklimarats IPCC hervorgeht.
Menschheit steht vor Klimaumbruch
Die Forscher betonen in der PNAS-Studie, dass wir mit hoher Sicherheit nachhaltige Wege einschlagen müssen, um eine gefährliche vom Menschen verursachte Störung des Klimas noch zu vermeiden. Die für die nächsten 26 Jahre prognostizierten Veränderungen in der mittleren bis oberen Stratosphäre und der Troposphäre seien sogar noch größer als die simulierten Veränderungen in den 39 Jahren von 1986 bis 2024.
„Die Menschheit steht jetzt an der Schwelle zu einer gefährlichen anthropogenen Störung des Klimasystems. Unsere Entscheidungen in naher Zukunft werden maßgeblich bestimmen, ob wir diese Schwelle überschreiten oder nicht“, warnen die Autoren.
Die aktuellen Rekordtemperaturen und die Erkenntnis, dass der menschliche Einfluss auf das Klima möglicherweise schon viel länger anhält als bisher gedacht, unterstreichen die Dringlichkeit entschlossener Klimaschutzmaßnahmen. Nur wenn es gelingt, die Treibhausgasemissionen schnell und deutlich zu reduzieren, lassen sich die schlimmsten Folgen der Erderwärmung wie Dürren, Überschwemmungen, Stürme und ein Anstieg des Meeresspiegels noch abwenden.
Doch die Zeit drängt. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, muss der Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen laut IPCC bis 2030 um 43 Prozent sinken. Davon ist die Welt noch weit entfernt. Im Gegenteil: Die Emissionen steigen weiter.
Umso wichtiger ist es, dass die Politik, die Wirtschaft und jeder Einzelne jetzt entschlossen handeln, um das Ruder noch herumzureißen. Jede Tonne CO2, die nicht in die Atmosphäre gelangt, und jedes Zehntel Grad weniger Erwärmung ist ein Gewinn im Kampf gegen die Klimakrise. Es ist höchste Zeit zu handeln, bevor es zu spät ist.
Resilienz ist das Wort der Stunde Das alles bedeutet, dass wir uns wohl an das neue Klima gewöhnen müssen. Panik ist jedoch ein schlechter Ratgeber. Wer über den Klimawandel schreibt und „erschreckende“, „alarmierende“ oder „besorgniserregende“ Trends beklagt, sollte sich darüber im Klaren sein, welche gesellschaftlichen Auswirkungen das hat. Die irrationalen Abwehrreaktionen von Klimawandelleugnern sind schließlich eine Konsequenz dieses Alarmismus.
Richtig ist: ruhig bleiben und Mensch und Natur auf den Wandel vorbereiten. In dieser Hinsicht haben Gartenbesitzer mitunter ein besseres Gespür als einige Klimaaktivisten und/oder -forscher.