Neuer Schwung für die Renaissance-Perle: LandshutDie heimlichen Headliner des Festivals: David Helbock und Julia Hofer.Die heimlichen Headliner des Festivals: David Helbock und Julia Hofer. (Foto: Severin Koller)

Los geht es mit etwas Neuem. Das erste „Horizont:Innen Jazz Festival“ in Landshut mag einen bemühten Titel und ein hässliches (sowie in Teilen überholtes) Programmheft haben, aber das ehrenamtliche Veranstalter-Kollektiv hat – auch dank einer erstaunlichen Zahl örtlicher Unterstützer – ein sehr interessantes Programm zusammengestellt.

Gewissermaßen das Vorspiel mit Lesung, Jazz-Talk, Filmen und Jam-Session ist bereits im Juni gelaufen, das eigentliche Festival, also die Konzerte, steigt jetzt am 4. und 5. Juli in der Zentrale zum Rieblwirt. Den ersten Abend bestreiten, nach dem Warmlaufen mit den jungen Locals vom Little Leinberger Jazzensemble, die in New York geborene, in Berlin lebende Rapperin Sorvina und Hattori Hanzi, das noch relativ neue Trio des Hammond-Orgel-Fex Hansi Enzensperger mit Igor Klujic am Bass und Manfred Mildenberger an Drums.

Den langen Samstag läutet um 18 Uhr das eigens fürs Festival gebildete Horizont:Innen Ensemble mit Landhuter Musikern und gleich vier Sängerinnen ein. Nach dem preisgekrönten Trio der Altsaxofonistin Silke Eberhard – für ihr furioses Großensemble Potsa Lotsa auch Gewinnerin des Deutschen Jazzpreises – folgt der heimliche Headliner des Festivals: Der österreichische Star-Pianist David Helbock präsentiert sein neues Duo mit der E-Bassistin und Cellistin Julia Hofer, die zu den vielversprechendsten Talenten der europäischen Szene gehört. Zwei Berliner Bands beschließen den Reigen: das Trio Oùat mit multistilistischem Modern Jazz und das Quartett Cats & Breakkies mit rockig tanzbarer Fusion.

Horizont:Innen Jazz Festival Landshut, Freitag und Samstag, 4. und 5. Juli, Zentrale zum Rieblwirt, www.horizontinnen.de

Zwischen Rosen und Brunnen: AugsburgChristian McBride tritt im Botanischen Garten auf – wie eine Reihe internationaler Jazz-Stars.Christian McBride tritt im Botanischen Garten auf – wie eine Reihe internationaler Jazz-Stars. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Auch schon am Start, und das zum 33. Mal, ist der „Internationale Augsburger Jazzsommer“. Als Konzertreihe dauert er am längsten, bis zum 6. August. Immer mittwochs wird der Botanische Garten mit internationalen Highlights bespielt. Heuer sind im Rosenpavillon Aaron Parks (mit seinem Quartett Little Big, 2. Juli), John Scofield’s Long Day Quartett (9. Juli), Camille Bertault (16. Juli), Remembering Ray Brown mit Christian McBride, Benny Green und Gregory Hutchinson (23. Juli), Nils Petter Molvaer und seine Group (30. Juli) sowie das Anat Cohen Quartetinho (6. August) zu Gast. Allesamt klingende Namen, die man Kennern nicht mehr vorstellen muss.

Für die „rising stars“ ist dann immer samstags der Brunnenhof im Zeughaus reserviert. Diesmal hat Festivalleiter und Schlagzeuger Tilmann Herpichböhm mit sicherem Händchen folgende spannende Acts ausgewählt: den italienischen Pianisten Lorenzo de Finti mit seinem exzellenten Quartett (5. Juli); Alleskönnerin und Kammerspiele-Ensemble-Mitglied Jelena Kuljić mit ihrem neuen Projekt Fundamental Interactions (12. Juli); die Insomnia Brass Band, hinter der sich das großartige Trio mit Anke Lucks an der Posaune, Almut Schlichting am Baritonsaxofon und Christian Marien am Schlagzeug verbirgt (19. Juli); das türkisch-italienisch-schweizerische Ava Trio mit seiner spannenden Jazz-Interpretation der arabischen Maqam-Musik (26. Juli); und das fulminante, von den Stimmen von Josefine Lindstrand und Cecilia Linné getragene Quintett des schwedischen Saxofonisten Thomas Backman (2. August).

33. Internationaler Augsburger Jazzsommer, Mittwoch, 2. Juli, bis Mittwoch, 6. August, Botanischer Garten und Brunnenhof Zeughaus, https://augsburger-jazzsommer.de

Wenn die Altstadt bebt: RegensburgSchlagzeuger Diego Piñera (2. v. li.) wird im Thon-Dittmer-Palais zu hören sein. Die Konzerte in Regensburg werden vom BR mitgeschnitten.Schlagzeuger Diego Piñera (2. v. li.) wird im Thon-Dittmer-Palais zu hören sein. Die Konzerte in Regensburg werden vom BR mitgeschnitten. (Foto: Daniel Lindenblatt)

Sogar schon zum 44. Mal wird Regensburg ein langes Wochenende lang zur Jazz-Hauptstadt: beim „Bayerischen Jazzweekend“, das seit jeher eine Plattform nicht nur, aber vor allem für die nationale Szene ist. Über 100 allesamt kostenfreie Konzerte verteilen sich auf 16 Bühnen in ganz Regensburg. Von der Piazza des Gewerbeparks, wo traditionell der Auftakt am Donnerstag stattfindet, und dem Jazzclub Leerer Beutel über den verträumten Schlossgarten in Kallmünz bis zum Schiffsanleger am Marc-Aurel-Ufer oder dem ehrwürdigen Thon-Dittmer-Palais. Ein neuer Spielort ist die Regensburger Boulderwelt mit einem bunten Kinder- und Tanzprogramm.

Im Thon-Dittmer-Palais findet nicht nur die offizielle Eröffnung mit dem Landes-Jugendjazzorchester statt. Alle Konzerte dort werden vom BR mitgeschnitten, der das inzwischen von einem Expertenkuratorium unter Leitung von Christian Sommerer aus über 500 Bewerbern bestückte Festival zusammen mit der Stadt (noch) mitträgt. Deshalb sind dort verstärkt Hochkaräter zu hören, wie etwa Vincent Meissner, Fiona Grond mit Luca Zambito, Chris Gall (mit seinem neuen Prepared Trio), Diego Piñera, Moritz Stahl oder das Berliner Trio Dream Big Fish. 

Ansonsten sind alle Spielarten weit über die klassischen Jazzstile hinaus vertreten, vom elektro-akustischen Breakbeat des Berliner Duos Binary Boy über den Neo-Soul von Molass aus Köln und Yaellee aus Dresden bis zum Avantgarde-Pop der Frauentruppe SieA. Schon zur Tradition geworden sind Walking Act, Jazz Poetry Slam und Jazz-Dinner. Der aus Regensburg stammende, in New York lebende Saxofonist Tobias Meinhart ist der diesjährige artist in residence und tritt viermal in verschiedensten Besetzungen mit Gästen aus aller Welt auf. Die internationale Fraktion wird wieder am stärksten von Österreich vertreten, mit sechs spannenden Bands von der Balkan-Truppe Gewürztraminer und da gmischte Satz bis zu den Groove-Experten von Moreland.

Jazz-Weekend Regensburg, Donnerstag bis Sonntag, 10. bis 13. Juli, Altstadt Regensburg, www.jazzwe.de

Jazz auf dem Bauernhof: DiersbachDas Quartett „Radio Paradise“ verleiht den „Inntönen“ heuer echten Star-Glanz.Das Quartett „Radio Paradise“ verleiht den „Inntönen“ heuer echten Star-Glanz. (Foto: Hamza Djenat)

Näher als die Oberpfalz oder Franken liegt für viele Oberbayern Diersbach, eine kleine österreichische Gemeinde hinter Schärding nahe der Grenze. Und so wird sie von vermutlich ebenso vielen – gern campenden – bayerischen wie österreichischen Jazzfreunden frequentiert, wenn Paul Zauner wieder zum „Inntöne Jazzfestival“ ruft. Schon, seit der Posaunist, Label-Chef und Groß-Impresario (unter anderem für den Jazz in Passau) sein 1995 gegründetes Festival aus Ärger über abspringende Spielorte 2002 einfach auf den elterlichen Bauernhof verpflanzte. Erst recht, seit er diesen „Jazz auf dem Bauernhof“ während Corona von Pfingsten auf Juli und von der Scheune auf die Wiese verlegte.

Ein Kontinuum ist, dass die Inntöne dank Zauners Riecher fürs Publikum ein Entdecker- und für die Musiker ein Sprungbrett-Festival ist. Stars wie Gregory Porter, Jazzmeia Horn oder Kamasi Washington haben hier schon gespielt, als sie noch nicht berühmt waren. In diese Kategorie könnten diesmal der Sänger Tyreek McDole, der deutsch-britische Pianist Hans Koller oder der französische Saiten-Weltmusiker Titi Robin fallen.

Als bereits etablierte Kräfte kommen unter anderem die britische Sängerin Heidi Vogel (mit Liam Noble am Klavier), der Tenorsax-Veteran Scott Robinson oder die „italienische Diana Krall“ Francesca Tandoi. Echten Star-Glanz verleihen den Inntönen heuer Saxofonist James Brandon Lewis und der Pianist Yaron Herman mit seinem All-Star-Quartett Radio Paradise. Ein spezieller Tipp ist das Wiedersehen mit dem Super-Cellisten Ernst Reijseger, zusammen mit dem sardischen Chor Cuncordu e Tenore de Orosei unter dem Titel „The Face of God“.

Eröffnet wird die große Bühne mit einem fulminanten weltmusikalischen Entree vom österreichischen Chamäleon Orchestra des Geigers Christian Wirth. Fast schon zum Festival im Festival haben sich inzwischen die Band-Auftritte in der Scheune und im St. Pigs Pub (dem ehemaligen Schweinestall) entwickelt. Zu diesem Rahmenprogramm gehören, wir sind in Österreich, auch allerlei kulinarische Genüsse.

Inntöne Jazzfestival, Freitag bis Sonntag, 18. bis 20. Juli, Diersbach, www.inntoene.com

Internationale Stars im Vorort: UnterföhringMichael Mayo gewann 2022 den Deutschen Jazzpreis. Nach Unterföhring kommt er mit dem hochgelobten Quartett „Fly“.Michael Mayo gewann 2022 den Deutschen Jazzpreis. Nach Unterföhring kommt er mit dem hochgelobten Quartett „Fly“. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Leider genau parallel zu den Inntönen läuft in diesem Jahr das „Internationale Jazz-Weekend Unterföhring“, das sich vor allem viele Münchner seit Jahren im Terminkalender vormerken. Denn seit der Münchner Bassist Harald Scharf 2014 die Leitung übernahm, ist ein Besuch im opulenten Bürgerhaus direkt vor den Toren der Stadt nahezu Pflicht. Stets sind klangvolle Namen – und noch wichtiger: exzellente Musiker – zu Gast. Das ging schon 2014 mit Tom Harrell und Esperanza Spalding los, später kamen unter anderem Teri Lynn Carrington mit China Moses, Dianne Reeves, zuletzt unter anderem Lizz Wright oder Bill Frisell.

In dieselbe höchste Kategorie fällt diesmal am Samstag der Sänger Michael Mayo, der 2022 den Deutschen Jazzpreis als „bester Künstler international“ gewann. Er kommt mit seinem neuen, hochgelobten Quartett Fly, das sich nicht zuletzt mit der Musik von Mayos Mentor Herbie Hancock beschäftigt. Und am Sonntag ist mit dem Trompeter Ambrose Akinmusire einer der prominentesten Jazz-Innovatoren der jüngeren Zeit zu Gast. Einen Rang, den er in Unterföhring mit dem Projekt „Honey in a Winterstorm“ unterstreicht. Ein intensives Programm zwischen Jazz, Modern Music und Spoken Word, zelebriert von einem Nonett mit Streichquartett und Rapper wird zum Nachdenken über unsere Zeit anregen.

Ebenfalls schon traditionell geht es aber am Donnerstag mit einem Kinderkonzert los. Die Jazzbande von Frank Wuppinger und Marco Kühnl – selbst höchst erfolgreiche Festivalmacher des „NueJazz“ in Nürnberg – lädt zum Jazz-Quiz. Und der Freitag gehört wieder einer echten Entdeckung: die Französin Sophye Soliveau, die das Harfenspiel in die gesamte schwarze Musik überführt und revolutioniert hat.

Internationales Jazz-Weekend Unterföhring, Donnerstag bis Sonntag, 17. bis 20. Juli, Bürgerhaus Unterföhring, www.unterfoehring.de