Der Berliner Senat will den Schutz der sexuellen Identität im Grundgesetz verankern. CDU und SPD haben sich in der Senatssitzung am Dienstag darauf verständigt, am 11. Juli eine entsprechende Initiative für eine Verfassungsänderung im Bundesrat einzubringen. Der Gesetzesantrag liegt dem Tagesspiegel vor.
Konkret soll Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 im Grundgesetz um den Zusatz „sexuelle Identität“ erweitert werden. Aktuell lautet der Satz: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
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Zur Begründung für die Gesetzesinitiative heißt es, Lesben, Schwule, bisexuelle sowie trans-, intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ) seien immer noch Benachteiligungen, Anfeindungen und gewaltsamen Übergriffen aufgrund ihrer sexuellen Identität ausgesetzt. Berlins Antidiskriminierungssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) bezeichnete den Antrag als „starkes Zeichen gegen Diskriminierung und für die rechte queerer Menschen“. In Berlin steht der Schutz der sexuellen Identität bereits seit 1995 in der Landesverfassung. „Berlin als Regenbogen-Hauptstadt steht für Vielfalt“, sagte Kiziltepe.
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CDU und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag verabredet, sich für eine Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Identität einzusetzen. Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU) hatte eine entsprechende Bundesratsinitiative zudem beim Christopher Street Day (CSD) im Juli 2023 in Aussicht gestellt.
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Wird Wegner in diesem Jahr den CSD eröffnen?
Umso größer war der Unmut bei Verbänden im vergangenen Jahr, weil das Versprechen nicht rasch umgesetzt wurde. Im Vorfeld des CSD 2024 setzten sich die Verantwortlichen vehement dafür ein – und übten Druck auf Wegner aus. Sie formulierten eine Liste an Forderungen, die Wegner bis zu einer von den CSD-Verantwortlichen gesetzten Deadline erfüllen sollte. Darauf ließ sich Wegner nicht ein.
Die Auseinandersetzung gipfelte darin, dass der Regierende Bürgermeister den Christopher Street Day nicht eröffnete – obwohl dies in der Hauptstadt Tradition ist. Ob Wegner den CSD in diesem Jahr eröffnen wird, ist offen. Senatssprecherin Christine Richter erklärte, dass er wie in den vergangenen Jahren auf jeden Fall teilnehmen werde, alles andere liege in den Händen der Veranstalter.
Ein Sprecher des CSD Berlin teilte auf Tagesspiegel-Anfrage mit: „Eine Entscheidung darüber, wer den CSD in diesem Jahr eröffnen soll, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gefallen.“ Die Senatskanzlei habe eine Anfrage für einen Gesprächstermin „seit einigen Wochen unbeantwortet“ gelassen.
Sozialverwaltung wollte auch geschlechtliche Identität schützen
Der Gesetzentwurf, auf den sich der Senat am Dienstag geeinigt hat, weicht von einer ursprünglichen Fassung ab, die die SPD-geführte Sozialverwaltung im vergangenen Herbst zur Mitzeichnung in die anderen Senatsverwaltungen gegeben hatte. Demnach sollte neben der sexuellen auch die geschlechtliche Identität per Grundgesetz geschützt werden. Der damalige Entwurf war jedoch nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt.
Im Koalitionsvertrag ist lediglich verabredet, Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Identität zu erweitern. Insbesondere trans Personen dürften enttäuscht sein, dass es dabei bleibt. Kiziltepe erklärte am Dienstag, dass sie davon ausgehe, dass die Rechtsprechung durch die Verfassungsänderung auch die geschlechtliche Identität mit berücksichtigen werde.
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Ob Berlin mit seiner Initiative im Bundesrat erfolgreich sein wird, ist allerdings mehr als unsicher. Neben Berlin sind sieben weitere Bundesländer CDU- bzw. CSU-regiert. Nur wenn es auch Zustimmung aus ihren Reihen gibt, könnte die Initiative umgesetzt werden. Wegner dürfte noch einiges an Überzeugungsarbeit bevorstehen.