Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Experimentierfeld zur Erprobung von Waffensystemen unter realen Einsatzbedingungen. Ein internes Protokoll der Bundeswehr, über das zuerst ein Rechercheteam von WDR, NDR und SZ berichtete, dokumentiert die Performance deutscher Waffen im Kriegseinsatz.
In dem als Verschlusssache eingestuften Papier zieht ein hochrangiger Militärattaché der Deutschen Botschaft in Kyjiw gegenüber Offiziersanwärtern eine in weiten Teilen ernüchternde Bilanz der ukrainischen Erfahrungen mit deutschem Gerät.
Die von Deutschland gebauten Leopard-Panzer zeigen demnach große Schwächen. Der ältere Leopard 1A5 sei zwar „zuverlässig“, werde aber aufgrund „zu schwacher Panzerung oft nur als Behelfsartillerie eingesetzt“, ohne an der Front bewegt zu werden.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Der modernere Leopard 2A6 habe zwar viele Vorzüge, könne aber dennoch oft an der Front nicht eingesetzt werden, weil der „Aufwand der Instandsetzung so hoch“ sei.
Besonders kritisch fällt das Urteil über die Panzerhaubitze 2000 aus. Die Artillerie sei zwar ein „hervorragendes Waffensystem“, zeige aber eine „so hohe technische Anfälligkeit, dass die Kriegstauglichkeit stark infrage gestellt wird“.
Nur ein Waffensystem wird durchweg positiv bewertet
Auch bei den MARS-Mehrfachraketenwerfern gibt es Einschränkungen: Diese seien zwar aufgrund ihrer Reichweite „ein Gamechanger auf dem Gefechtsfeld“, jedoch nur „teilweise“ einsetzbar, da sie keine Streumunition verschießen können – und Deutschland aus völkerrechtlichen Gründen ausschließlich konventionelle Munition liefert.
Auch bei der Luftverteidigung ergibt sich ein gemischtes Bild. Das hochmoderne System IRIS-T gilt zwar als „sehr wirkungsvoll“, doch die Munition sei „nicht in der notwendigen Zahl vorhanden“ und zudem zu teuer. Das Patriot-System sei zwar ebenfalls grundsätzlich ein „hervorragendes Waffensystem“, aber praktisch „untauglich für den Kriegseinsatz“, da die Trägerfahrzeuge von MAN zu alt seien und es keine Ersatzteile mehr für sie gebe.
Einzig der ältere und bei der Bundeswehr bereits ausgemusterte Flugabwehrpanzer Gepard wird durchweg positiv bewertet. Aus ukrainischer Sicht sei er das „beliebteste, effizienteste und zuverlässigste Waffensystem“. Durch die enorme Ausweitung des Drohneneinsatzes im Krieg spielen Systeme zur Luftverteidigung im Nahbereich, wie der Gepard, eine immer zentralere Rolle.
Insgesamt zieht der Militärattaché das Fazit: „Uneingeschränkt kriegstauglich ist kaum ein deutsches Großgerät.“ Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat sich über die Berichte überrascht gezeigt. Er sei in „regelmäßigem Austausch mit unseren ukrainischen Partnern und Meldungen wie diese oder Beschwerden über unser Material sind mir nicht bekannt geworden“, sagte er am Rande des Treffens der Verteidigungsminister der Ukraine-Kontaktgruppe am Freitag in Brüssel.
Ukrainischer Botschaft widerspricht den Berichten
Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev widersprach dem Medienbericht: „Auf keinen Fall sind diese Waffen unbrauchbar“, sagte Makeiev dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Die deutschen Waffen gehören zu den besten, die wir haben. Sie sind den russischen Waffen weit überlegen. Und sie haben sich sehr gut bewährt.“
Mehr zum Thema: Auf dem Weg zur Kriegswirtschaft? Diese Mega-Aufträge soll die Industrie von der Bundeswehr bekommen Das Baltikum im Schatten der Tyrannei „Was für eine Kultur kann es geben, wenn wir uns auf den Krieg vorbereiten?“ Industrie plant Drohnenwall „Wir können die Produktion innerhalb kürzester Zeit verdoppeln“
Natürlich ergäben sich unter Kriegsbedingungen Hinweise auf Probleme, aus denen die Rüstungsindustrie dann ihre Schlüsse ziehen könne. „Die deutschen Waffensysteme sind ja nie in echten Kriegsbedingungen getestet worden. Man konnte also nicht wissen, wie eine Panzerhaubitze reagiert, wenn sie täglich Hunderte Granaten abschießt.“, sagte Makeiev. „Das ist kein Skandal, sondern ein Verbesserungsprozess.“ (Trf)