Nach „Shared Spaces“ vom 18. Oktober 2024 bis 11. Januar 2025 und „Fruchtbare Strukturen“ vom 24. Januar bis 23. Februar 2025 ist “do WORRY be happy“ nun die dritte Ausstellung in der Kunsthalle Barmen. Bisher standen Themen wie Teilen („Sharing Spaces“) und Vernetzung („Fruchtbare Strukturen“) im Mittelpunkt – nun kommt ein weiterer zentraler Aspekt hinzu: Angst. Die Idee zu „do WORRY be happy“ entstand bereits im vergangenen Jahr – ausgelöst durch weltpolitische Ereignisse wie die Pandemie, den Krieg in der Ukraine, den Nahostkonflikt und die US-Wahlen. Hinzu kamen später noch die (vorgezogenen) Bundestagswahlen, die ebenfalls eine starke emotionale Resonanz ausgelöst haben. Es wird deutlich: Das Thema „Angst“ ist heute so aktuell wie nie zuvor. Es ist überall präsent: In den Nachrichten, den sozialen Medien, in der Popkultur, aber auch im privaten Umfeld. Eine der Angst gewidmete Ausstellung kann sich somit in einem breiten und vielfältigen Spielfeld austoben.

Meine Neugier ist geweckt: Was erwartet mich in einer Ausstellung, die sich mit Angst beschäftigt und dabei den ironischen Titel „do WORRY be happy“ trägt?

Teil des Projekts „ÜberLeben im Risikoumfeld“ von Dr. Tim Lukas und Prof. Daniel Deimel – Foto: Lena Nemirowski
Risikoumfeld und persönliches Empfinden

„Also, ich fühle mich eigentlich nicht wohl hier. So, also, gezwungen hier unter den Leuten zu sein, ist sehr, sehr, sehr schwierig und macht einen krank.“- dieser Satz steht prominent auf einer Holzwand und könnte somit ein Zitat sein, das auf eine prägnante Weise die Kernaussage der Ausstellung wiedergibt. Untypisch wäre es jedenfalls nicht und losgelöst vom Kontext treffen diese Worte bei mir sogar ins Schwarze: Ich fühle mich immer sehr unwohl in großen Menschenmengen. Geht es nur mir so?

In Wirklichkeit aber handelt es sich dabei um den Teil des Projekts „ÜberLeben im Risikoumfeld“ von Dr. Tim Lukas und Prof. Daniel Deimel, bei dem Suchtkranke (hier: Klient:innen des Kölner Drogenkonsumraums) ihren Alltag fotografisch dokumentiert haben. Auf dem daneben angebrachten Tablet kann man diese Fotos sehen: Mal erschreckend, mal metaphorisch und bildlich und mal – für eine solche Bilderserie – unerwartet alltäglich.

Jody Korbachs Arbeiten – Foto: Lena Nemirowski
Muss jeder gerecht sein?

Hast du in bestimmten Lebenssituationen jemals versucht, dich mit Gedanken über eine gerechte Welt und der Freundlichkeit Fremder zu beruhigen? Jody Korbachs Arbeiten ziehen einem gnadenlos den Boden unter den Füßen weg: „Niemand muss gerecht sein“, „Immer schön undankbar bleiben“, „Feeding the Hand that bites you“ – lauten Korbachs posterartige, bittere Wahrheiten. Aber hat sie damit wirklich unrecht?

Tim Sandows Film „Country Crew“ – Foto: Lena Nemirowski
Die drohende Ungewissheit

Seit jeher versucht man für verwirrende und unlogische Ereignisse eine vernünftige Erklärung zu finden. Das nimmt uns Angst vor dem Unbekannten. Aber was passiert nun, wenn das Geschehen immer unlogischer wird und die vermeintlichen Anhaltspunkte sich am Ende als „Red Herrings“, also falsche Fährten, erweisen? Tim Sandows Film „Country Crew“ ist ästhetisch und visuell sehr ansprechend: Ein Mann und eine uniformierte Maskottchen-artige Figur mit einem gelben Kopf stehen vor einem Imbissstand inmitten einer malerischen Berglandschaft bei Sonnenuntergang. In der Nähe ist ein Taxi zu sehen. Vermutlich haben die beiden auf ihrer Fahrt eine Essenspause eingelegt. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass nur der Mann am Essen ist. Das Maskottchen steht einfach im Hintergrund, neben ihm zwei Käfige und auf dem Tisch liegen Putzutensilien. Warum zieht es den „Kopf“ nicht ab, um zu essen? Oder handelt es sich dabei gar nicht um einen Menschen, der verkleidet ist? Könnte es ein Roboter sein, oder ein übernatürliches Wesen? Eine spätere Szene bricht allerdings mit dieser Erwartung und lässt dabei sogar daran zweifeln, ob die uniformierte und eher als männlich gelesene Figur tatsächlich männlich ist.

Ähnlich verhält es sich mit den anderen Figuren im Film. Sie scheinen aus dem Nichts zu kommen, verhalten sich allerdings selbst- und zielsicher. Es wirkt so, als ob sie einen bestimmten Plan verfolgen würden. Jedoch führt jede angefangene Handlung ins Leere. Am Ende des Films hat man mehr Fragen als Antworten. Aber ist es nicht genau diese Ungewissheit, die solche Situationen für lange Zeit in unseren Köpfen leben lässt?

Pink Büchsenschützes Projekt „ALL YOU NEED“ – Foto: Lena Nemirowski
Was macht dir Mut?

Ein durch Holzwände abgeschirmter und innen mit neonpinken Postern beklebter Raum ist auf jeden Fall ein Eye-Catcher. „MUT TUT GUT“, „vote love“, „ALLE!ANDERS ALLE!GLEICH“ und „OPTIMISMUSS“ steht auf den Postern. Hierbei handelt es sich um Pink Büchsenschützes Projekt „ALL YOU NEED“. Einem aufmerksamen Auge kann dabei nicht entgehen, dass einige Sprüche in Frakturschrift geschrieben sind. Diese Schrift löste im 16. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum die damals gängige lateinische Antiqua ab und wurde in den Zeiten des Nationalsozialismus anfangs als die „deutsche Schrift“ gefeiert. Heute gilt sie vielmehr als dekorativ, wird dennoch nicht selten mit der rechten Szene in Verbindung gebracht. Mit diesen für die Toleranz und Akzeptanz sprechenden Aussagen verpasst Pink der Frakturschrift eine funktionelle Neugestaltung und nimmt dem angsteinflößenden Bösen seine Macht.

„ALL YOU NEED“ ist auch ein interaktives Projekt, das die Besucher:innen dazu einlädt, ihre eigenen Poster mit den mutmachenden Sprüchen zu gestalten: „LOVE WINS“, „PEACE“, „FREIHEIT“, „MEN supporting WOMEN“, „cherish your SMALL STEPS!“ – das sind die von den Besucher:innen geteilten Mutmacher. Und was macht dir Mut?

16 Eisbergbilder der Konzeptkünstlerin Christiane Möbus an der B7 – Foto: Lena Nemirowski
Wo beginnt die Ausstellung?

Eine Besonderheit dieser Ausstellung ist, dass sie gar nicht in den Ausstellungsräumen beginnt. Auch nicht am Eingang der Kunsthalle, deren Säulen nun Ivo Kiefers Arbeit „We dance to all the wrong songs“ schmückt. Nicht am Vorplatz, wo noch bis vor Kurzem ein abgebrannter Polizeiwagen – eine Installation des Kunstkollektivs „Frankfurter Hauptschule“ – stand und zum Gegenstand der Diskussionsrunde über die Rolle der Polizei wurde. Nein, die Ausstellung beginnt bereits auf der B7 – der Hauptverkehrsader Wuppertals. Da, wo bis vor ein paar Monaten noch 16 Bundestagswahl-Plakate die Kanzlerkandidaten zeigten, präsentieren sich nun 16 Eisbergbilder. Diese wurden von der Konzeptkünstlerin Christiane Möbus bereits 1970 im Archiv für die deutsche Polarforschung (adP) des Alfred-Wegener-Instituts und dem Institut océanographique de monaco ausgewählt und in einem Konzept mit dem Titel „Schleppe einen Eisberg von Cape Farewell/Grönland in den Jadebusen/W. Deutschland“ verwirklicht. Dieses Konzept wurde nun 55 Jahre später im Rahmen der Ausstellung „do WORRY be happy“ erneut gezeigt. Schmunzelnd muss ich mich fragen, ob das im Titel angedeutete Ziel in all diesen Jahren erreicht wurde?

Mein Fazit

Selbstverständlich bin ich nicht auf jede in der Ausstellung präsentierte Arbeit eingegangen. Der Raum für Neugier muss noch bleiben.

Folgende Fragen lasse ich daher für die neuen Besucher:innen offen:

  • Warum liegen hier Pflanzen und Tiere auf dem Boden?
  • Ist der böse Wolf nun wirklich böse?
  • Wer sucht denn ein Flugzeug?
  • Kann ein Welpe dir die Beine brechen?
  • Und was macht hier eigentlich Goya?

Für mich persönlich war die Ausstellung, die ich sogar zweimal besucht habe, ein interessantes interaktives Erlebnis. Jede Arbeit hat mich angesprochen, bei mir etwas ausgelöst, mich zum Nachdenken veranlasst. Genau das liebe ich an Kunst: Sie soll nicht nur die Sinne ansprechen, sondern auch tiefvergrabene Emotionen wecken. Sie soll auf eine gewisse Weise provokant und (somit) zum Nachdenken anregend sein. Alles in allem soll sie einen Dialog mit dem Betrachter führen. Dies ist in meinen Augen der Ausstellung „do WORRY be happy“ mehr als gelungen. »ln«

Zur Kunsthalle Barmen im Haus der Jugend

Die 2024 wiedereröffnete Kunsthalle Barmen im Haus der Jugend wird – in Trägerschaft der Bergischen Universität Wuppertal und gefördert durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR) sowie die Stadt Wuppertal – von der Fakultät für Design und Kunst mit jährlich drei Ausstellungen bespielt, die spannende Begegnungen zwischen Kunst und Wissenschaft anstreben.

Die Ausstellung „do WORRY be happy wurde initiativ von Momo Trommer und dem kuratorischen Team der Kunsthalle Barmen, Katja Pfeiffer, Katharina Maderthaner, Christoph Westermeier und Sebastian Bartel entwickelt.

Kurz und knapp:

  • Ausstellungsdauer: 23. Mai bis 31. August 2025
    (geöffnet Donnerstag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr)
  • Ort: Kunsthalle Barmen, Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42269 Wuppertal (GoogleMaps)