Stand: 01.07.2025 21:42 Uhr

100 Tage nach der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters İmamoğlu haben Zehntausende seiner Unterstützer gegen die türkische Regierung demonstriert. Zuvor waren in Izmir 126 Oppositionsanhänger festgenommen worden.

In Istanbul haben Zehntausende Menschen gegen die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu vor 100 Tagen demonstriert. Vor der Stadtverwaltung riefen sie in Sprechchören Parolen wie „Gegen den Faschismus, Schulter an Schulter“ oder „Präsident İmamoğlu“. Wie ARD-Korrespondentin Katharina Willinger berichtet, wurde auch der Rücktritt der türkischen Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan gefordert. Zu der Kundgebung hatte İmamoğlus CHP-Partei aufgerufen.

Der populäre Politiker und aussichtsreiche Herausforderer von Präsident Erdogan war am 23. März verhaftet und abgesetzt worden. Zahlreiche weitere Personen aus seinem Umfeld und seiner Partei wurden in mehreren Festnahmewellen in Gewahrsam genommen. Seine Partei hat ihn trotzdem als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Die nächsten regulären Wahlen sollen 2028 stattfinden. 

Hunderte Festnahmen in Izmir

Der Protest fällt zusammen mit einem weiteren heftigen Schlag für die Partei von İmamoğlu: Am Morgen wurden in Izmir 126 Menschen wegen Korruptionsermittlungen festgenommen. Die Partei sieht sich als Opfer einer von der Regierung instrumentalisierten Justiz. Präsident Erdogan hingegen bekräftigt immer wieder die Unabhängigkeit der Justiz.

Die CHP, derzeit größte Oppositionspartei der Türkei, ging aus den vergangenen landesweiten Kommunalwahlen als stärkste Kraft hervor. Die AKP von Erdogan landete erstmals in ihrer Geschichte nur auf dem zweiten Platz bei einer landesweiten Wahl.

Ausschreitungen wegen angeblicher Mohammed-Karikatur

Am Nachmittag führte zudem eine angebliche Mohammed-Karikatur in einem türkischen Satiremagazin zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden und zur Abriegelung des Zentrums von Istanbul. Die Polizei sperrte den Taksim-Platz und die Einkaufsmeile Istiklal, nachdem sie am Vorabend mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstrierende vorgegangen war.

Diese hatten sich aus Wut über die angebliche Mohammed-Karikatur des Magazins „Leman“ versammelt, welche die Festnahme mehrerer Mitarbeiter der Zeitschrift zur Folge hatte. Innenminister Ali Yerlikaya erklärte am Montag im Onlinedienst X, wegen „Verunglimpfung“ religiöser Werte habe die Polizei den Zeichner der „abscheulichen“ Darstellung sowie den Grafiker und zwei weitere Mitarbeiter von „Leman“ festgenommen.

Präsident Erdogan sprach mit Blick auf die Satire von einer „widerwärtigen Provokation“ und von einem „Hassverbrechen“. Die Verantwortlichen bei „Leman“ würden zur Rechenschaft gezogen. Die renommierte Satirezeitung versicherte, die Zeichnung habe „nichts mit dem Propheten zu tun“.

Benjamin Weber, ARD Istanbul, tagesschau, 01.07.2025 05:10 Uhr