Bundeskanzler Friedrich Merz präsentiert sich bei „Maischberger“ als krisenfester Problemlöser. Als er auf Ex-Kanzlerin Angela Merkel angesprochen wird, gerät er ins Straucheln – und versucht einen Konter beim Thema Asylpolitik.
Am Dienstagabend empfing Sandra Maischberger mit Bundeskanzler Friedrich Merz ausnahmsweise nur einen Gast in ihrer ARD-Sendung. Dabei ging es um die großen Streitthemen wie Aufrüstung und Migration – aber auch Deutschlands wirtschaftliche Lage.
Merz, seit acht Wochen im Amt, will sich dabei als zupackender Kanzler präsentieren. „Jeder, der heute Kanzler ist, ist zunächst notwendigerweise Krisenmanager, weil es so viele Krisen auf der Welt gibt“, sagte er. Doch damit wolle er sich nicht zufriedengeben. Sein Anspruch sei größer. So wolle er etwa Deutschland „wirtschaftlich wieder auf Kurs“ bringen und dafür sorgen, dass die Europäische Union „wieder handlungsfähig wird und eine Perspektive hat.“
Merz wählte seinen Ton zu Beginn optimistisch. „Machen wir uns doch nicht kleiner als wir sind. Diese Bundesrepublik Deutschland ist eines der leistungsfähigsten Länder der Welt. Viele Menschen wollen nach Deutschland kommen“, sagte Merz. Zugleich räumte er Versäumnisse ein – allerdings die seiner Vorgänger. In den vergangenen Jahren sei einiges „liegen geblieben“ – das wolle man in der neuen Koalition „korrigieren“. Ziel sei es, dass die junge Generation hier „Spaß hat zu leben und Spaß hat zu arbeiten“.
Ein zentrales Versprechen seiner Koalition war die Senkung der Stromsteuer für alle – doch zunächst werden davon nach einem Beschluss der Bundesregierung nur Wirtschaftsunternehmen profitieren. Merz entschuldigte das mit den engen finanziellen Spielräumen seiner Regierung. Im Koalitionsvertrag seien zwar zahlreiche Vorhaben vereinbart worden, doch „allesamt unter einen Finanzierungsvorbehalt“ gestellt.
Auch die Haushaltsjahre 2027 und 2028 würden „sehr schwierig“, so der Kanzler. Deshalb müsse man Prioritäten setzen. Vorrang habe aktuell der Erhalt von Arbeitsplätzen, vor allem in der Industrie. Rund 600.000 produzierende Betriebe würden nun entlastet. Für Privathaushalte sei aber geplant, die sogenannte Gasspeicherumlage in den Haushalt zu übernehmen – das sei ebenfalls eine Form der Entlastung.
Merz hatte sich zuletzt grundsätzlich offen für eine mögliche Ausweitung der Stromsteuersenkung für alle Verbraucher gezeigt – aber nur, wenn die Gegenfinanzierung gesichert sei. „Alles, was unsere Haushaltsmittel möglich machen, ist denkbar, aber wir müssen eben auch den Haushalt ausgleichen“,
Auch die Zukunft des Rentensystems will Merz neu ordnen. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus lehne er aber ab. Vielmehr gehe es darum, Anreize zu schaffen, damit Menschen freiwillig länger arbeiten. „Die, die dann länger arbeiten wollen, die sollen das können und sollen dafür einen besonderen steuerlichen Anreiz bekommen“, sagte er.
Die geplante Rentenreform werde tiefgreifend und streitbar, kündigte Merz an. „Wir werden umfangreiche Reformen diskutieren und das wird natürlich auch kontrovers sein“, so Merz. In Hinblick auf den erwartbaren politischen Widerstand gibt sich der Kanzler gelassen. Auch auf Maischbergers Frage hin, ob es in der Koalition darüber Streit geben werde – ein Wink auf die Vorgängerregierung, die an ihren zahlreichen internen Krisen zerbrochen ist.
In einer Demokratie sei es normal, dass über den richtigen Weg gerungen werde, so Merz. „Das ist kein Streit, das ist eine notwendige demokratische Diskussion um die Zukunftsfähigkeit unseres Sozialstaats.“ Mit Blick auf die Vorgängerregierungen sagte Merz: „Es hat bisher keine Regierung gegeben, die von Anfang an alles wusste.“
Schlagabtausch zwischen Merz und Merkel
Die einstudierte Rhetorik ließ Merz dann aber doch noch im Stich, als Maischberger auf Alt-Kanzlerin Angela Merkel zu sprechen kam. Auf die Frage, mit wem er lieber ein Glas Wein trinken würde – Angela Merkel oder Gerhard Schröder – geriet der Kanzler kurz ins Stocken. „Weder noch, im Augenblick“, so Merz er ausweichend, um dann hinzuzufügen: „Ich trinke zurzeit fast keinen Alkohol.“ Erst bei der dritten Nachfrage rang er sich schließlich ein diplomatisches „ja, wenn’s die Gelegenheit gibt“ ab – bezogen auf ein mögliches Treffen mit der einstigen CDU-Kanzlerin.
Dass Merz zögert, ausgerechnet die Alt-Kanzlerin zum freundschaftlichen Austausch zu treffen, ist nicht überraschend. Das Verhältnis gilt als beschädigt, seit die damalige Parteichefin ihn 2002 als Fraktionsvorsitzenden im Bundestag ablöste. Die Distanz ist geblieben, trotz Merkels Unterstützung für Merz‘ in dessen Wahlkampf. Auch politisch. Nur einen Tag vor dem Interview hatte Merkel in einer WDR-Sendung öffentlich Kritik an der restriktiven Asylpolitik von Merz geäußert.
Der Kanzler konterte bei Maischberger knapp und vielsagend: Man müsse im Augenblick „ein paar Probleme lösen, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind.“ Merkel hatte die deutsche Asylpolitik entschieden verändert, als sie während der Migrationsgrenze 2015 die Grenzen offenließ und in der Folge innerhalb kurzer Zeit hunderttausende Menschen nach Deutschland kamen.
Merkel hatte außerdem Merz damit kritisiert, dass sie selbst stärker für europäische Lösungen sei. Merz konterte bei Maischberger, dass Deutschland zwar keine europäischen Außengrenzen habe, „aber die europäischen Außengrenzen sind auch unsere europäischen Außengrenzen. Und deswegen haben wir ein hohes Interesse daran, dass sie geschützt werden. Wir beteiligen uns daran.“
Es gehe ihm um die Wiederherstellung einer funktionsfähigen europäischen Einwanderungspolitik, „und auf dem Weg sind wir.“ Durch die erweiterten Grenzschließungen seit zwei Monaten gingen die Zahlen in Deutschland „insgesamt deutlich zurück“, merkte Merz als positiven Effekt seiner Politik an.
Strafverfahren und Abschiebegewahrsam
Beim Thema Abschiebungen zeigte sich Merz kompromisslos. Mit Blick auf Syrien sagte er, dass nach dem Regimesturz die Rückführung dorthin wieder möglich sein müsse. Das Land brauche außerdem Menschen, „die es wieder aufbauen“.
Deutlich wurde der Kanzler auch in der Frage kultureller Integration. „Das eigentliche Problem ist, dass wir zum Teil aus diesen Kulturkreisen eine unglaubliche Respektlosigkeit haben – gegenüber Frauen, gegenüber unserer Polizei, in der Art und Weise des Umgangs im Alltag“, sagte er. Das sei ein Verhalten, „das ich nicht sehen möchte, und ich tue alles, um das in Deutschland zu unterbinden.“
Um solche Fälle konsequent zu ahnden, brauche es Strafverfahren und Abschiebegewahrsam. Für Menschen ohne Bleiberecht gebe es, so Merz, „nur eine Tür aus diesem Abschiebegewahrsam, und das ist die Richtung Heimat.“
Mit Blick auf die Verteidigungspolitik betonte Merz, dass die Zeit der uneingeschränkten US-Unterstützung für Europa vorbei sei und Deutschland deshalb mehr Verantwortung übernehmen müsse. „Die Amerikaner werden es nicht mehr so tun, wie in den vergangenen 70 Jahren“, sagte er. Die Bundesrepublik müsse sich darauf einstellen und „mehr für unsere eigene Verteidigung tun“. Das neue NATO-Ziel von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Infrastruktur sei anspruchsvoll, aber machbar. „Dieses Land kann trotz höherer Verteidigungsausgaben wohlhabender werden“, betonte Merz und formulierte damit die Vorstellung, dass in höheren Rüstungsausgaben langfristig auch wirtschaftliches Potenzial stecke.
Auf die Frage nach eigenen Atomwaffen verwies Merz auf zwei internationalen Verträge, durch die Deutschland verpflichtet sei: den Atomwaffensperrvertrag und den 2+4-Vertrag. „Aus heutiger Perspektive sehe ich keine Chance, diese Verträge zu ändern.“ Stattdessen sei es möglich, dass Frankreichs nukleare Abschreckung auch Deutschland einschließe. Merz betonte: „Ich habe ein Interesse daran, dass wir über diese strategischen Fragen gemeinsam mit Frankreich reden.“ Ein solcher Dialog werde jedoch Jahre oder Jahrzehnte dauern.
Zur Außenpolitik sagte Merz außerdem, Deutschland müsse seiner „Führungsrolle gerecht werden“, allein aufgrund seiner 84 Millionen Einwohner. Außerhalb Deutschlands würden sich „die Augen der Erwartung auf uns“ richten, betonte er. Die Erwartungen aus dem Ausland seien, dass Deutschland diese Verantwortung übernehme, „damit es uns allen auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gut geht.“
Zur möglichen Lieferung des Taurus-Raketensystems an die Ukraine im Krieg gegen Russland erklärte Merz, die Ausbildung der Soldaten für das Marschflugkörpersystem dauere etwa sechs Monate. Ein Beginn dieser Ausbildung stehe noch aus. „Es ist und bleibt eine Option“, so die weiterhin vage Aussage des Kanzlers. Künftig werde er militärische Unterstützungsmaßnahmen „nicht mehr in dieser Weise öffentlich diskutieren“, kündigte er an. „Damit Putin eine gewisse Unsicherheit“ hat. Eines wollte Merz jedoch klarstellen: „Deutschland wird nicht Kriegspartei.“