faktenfinder

Stand: 02.07.2025 11:58 Uhr

In sozialen Netzwerken gehen Gerüchte um, dass Sonnencremes und -brillen schädlich seien. Experten raten klar davon ab, statt auf herkömmlichen Sonnenschutz etwa auf Nahrungsergänzungsmittel zu setzen.


Pascal Siggelkow, SWR

Hautkrebs durch Sonnencreme, Sonnenbrand wegen der Sonnenbrille: In reichweitenstarken Videos in den sozialen Netzwerken werden im Sommer reihenweise Behauptungen aufgestellt, die einer Überprüfung nicht standhalten. Oftmals steht dahinter die Intention, eigene – vermeintlich bessere – Produkte zum Beispiel in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zu verkaufen. Dennoch halten sich die Mythen seit Jahren hartnäckig.

Hautkrebsfälle in Deutschland steigen seit Jahren

Seit Jahren steigen in Deutschland und auch vielen anderen Ländern die Hautkrebsfälle. In den sozialen Netzwerken wird daraus oftmals ein kausaler Zusammenhang zwischen den Hautkrebsfällen und Sonnenschutzmitteln hergestellt. So wird beispielsweise behauptet, dass Sonnencreme entweder gar nicht schütze oder sogar selbst Hautkrebs verursache. Doch das ist falsch.

„Die Sonnenschutzmittel, die in Deutschland auf den Markt kommen, werden vorab getestet“, sagte Claus Garbe, Dermatologe und Seniorprofessor an der Universität Tübingen, dem ARD-faktenfinder. „Das heißt, alles, was in den Sonnencremes verwendet wird, ist getestet und hinsichtlich der Krebsgefahr als unbedenklich eingestuft worden.“

Auch der Schutz vor UV-Strahlung durch Sonnencreme ist nachgewiesen. So zeigen Studien, dass das Auftragen von Sonnenschutzmitteln die Entwicklung von Hautkrebs reduziert. Allerdings schützt Sonnencreme nur bis zu einem gewissen Grad. Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten Menschen deutlich weniger Sonnencreme auftragen, als die empfohlenen zwei Milligramm pro Quadratzentimeter. Erwachsene brauchen demnach etwa 35 Gramm Sonnencreme, um den vollen Schutz zu haben. Zudem zeigen Studien, dass sich Menschen durch den Gebrauch von Sonnencreme in falscher Sicherheit wiegen.

Deswegen empfehlen Experten, die Sonne im Sommer zwei Stunden vor und nach der Mittagszeit ganz zu meiden, da zu der Zeit die UV-Intensität am höchsten ist. Der sogenannte UV-Index beschreibt den am Boden erwarteten Tagesspitzenwert der sonnenbrandwirksamen UV-Strahlung. Wie hoch der UV-Index ist, lässt sich unter anderem auf der Seite des Bundesamts für Strahlenschutz nachvollziehen. Unterschieden wird zwischen niedrig (UV-Index 1-2), mittel (UV-Index 3-5), hoch (6-7), sehr hoch (8-10) und extrem (11+). Auch schützt Kleidung effektiver als Sonnenschutzmittel.

Sonnenbaden und Früherkennung für Anstieg verantwortlich

Die wahren Gründe für den Anstieg der Hautkrebsfälle sind laut Experten vor allem demografische Veränderungen in der Gesellschaft und die Früherkennung. „Wir haben eine älter werdende Bevölkerung und Hautkrebs tritt vorwiegend bei älteren Menschen auf“, sagt Hautarzt Jochen Utikal vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Die Krebsfälle, die man heute sehe, gingen häufig auf Schäden in den 70er- und 80er-Jahren zurück. Damals habe man noch weniger auf Sonnenschutz geachtet und die Lichtschutzfilter der Sonnencremes seien noch nicht so gut gewesen, sagte Utikal.

Zudem haben gesetzlich Krankenversicherte ab 35 Jahren seit 2008 Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen. Die Krankheit wird laut Experten deshalb seltener übersehen.

Sonnenbrillen sorgen nicht für schnellere Sonnenbrände

Eine weitere Behauptung, die in den sozialen Netzwerken aufgestellt wird, betrifft Sonnenbrillen. So sagt eine Influencerin in einem Video, dass man angeblich durch das Tragen einer Sonnenbrille schneller einen Sonnenbrand bekäme. Auch andere greifen diese Behauptung auf und sagen, dass das Tragen einer Sonnenbrille dadurch auch die Entstehung von Hautkrebs fördere. Grund dafür sei, dass nicht genug ungefiltertes Sonnenlicht an die Augen gelange und der Körper daher nicht ausreichend Melanin produziere. Die Augen dienen der Hypophyse im Gehirn als Informationsquelle dafür, Melanin zu produzieren. Doch die Behauptung ist aus mehreren Gründen falsch, sagen Experten.

Zum einen ist die Melanin-Produktion des Körpers nicht nur von der Sonneneinstrahlung aufs Auge abhängig, sagt Carsten Grohmann, Oberarzt für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Wenn Sonnenstrahlen auf die Haut treffen, reagieren die Hautzellen mit der Produktion von Melanin, um die DNA zu schützen – unabhängig davon, ob die Augen ebenfalls der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Deswegen würden auch blinde Menschen braun werden.

„Vorstellbar ist lediglich, dass man durch das Tragen einer Sonnenbrille möglicherweise die Blendung und damit die Sonne weniger stark wahrnimmt und sie dadurch unterschätzt und sich beispielsweise nicht oder weniger eincremt“, sagt Grohmann. Ansonsten gebe es jedoch keinen Zusammenhang zwischen Sonnenbrillen und Sonnenbränden.

Sonnenstrahlen hingegen können nicht nur die Haut schädigen, sondern auch die Augen. Mögliche Folgen von UV-A- und UV-B-Strahlen sind eine Entzündung der Hornhaut oder Bindehaut, eine Eintrübung der Linse (Grauer Star) und sogar Krebs. Experten vermuten außerdem einen Zusammenhang zwischen Sonnenstrahlen und dem Entstehen der Makuladegeneration.

Ausreichend Licht trotz Sonnenbrille

Hinzu kommt, dass laut den Experten eine Sonnenbrille nicht verhindert, dass gar kein Sonnenlicht an die Augen gelangt. „Eine Sonnenbrille absorbiert typischerweise 70 bis 80 Prozent des Sonnenlichts“, sagt Klaus Rohrschneider, Augenarzt am Universitätsklinikum Heidelberg und Sprecher der gemeinsamen Kommission Ophthalmologische Rehabilitation von DOG und BVA. „An einem sonnigen Sommertag kommt somit immer noch vielfach mehr Licht an die Augen, als an einem dämmrigen Wintertag.“ Dass wegen einer Sonnenbrille nicht genug Licht ins Auge fällt, sei somit falsch.

UV-Schutz von Sonnenbrillen

UV-A-Strahlen haben eine Wellenlänge zwischen 315 und 380 Nanometern (nm). UV-B-Licht hat Wellenlängen zwischen 280 und 315 nm und ist die Hauptursache für Hautkrebs. Die meisten Menschen können Wellenlängen zwischen etwa 400 und 780 nm mit dem Auge wahrnehmen. Sonnenbrillen, die in Deutschland verkauft werden, müssen mindestens vor UV-Strahlen mit bis zu 380 nm Wellenlänge schützen (CE-Zeichen). Sonnenbrillen mit einem UV400-Schutz filtern Wellenlängen bis 400 nm.

Daher seien auch Behauptungen falsch, dass die Sonnenbrille den Bio-Rhythmus durcheinander bringen könne. Denn es komme ebenfalls genug Licht durch eine Sonnenbrille, damit die Produktion des Schlafhormons Melatonin gehemmt und der Mensch dadurch nicht müde werde. „Auch an bewölkten Tagen profitieren wir vom gesamten Tageslichtspektrum und unser Bio-Rhythmus bleibt intakt“, sagt Rohrschneider.

Genau so falsch sei die Behauptung, dass es bei Kindern durch das Tragen von Sonnenbrillen zu Hormonstörungen oder Entwicklungsstörungen kommen könne, sagt Grohmann. „Das ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Kinder haben sehr empfindliche Augen und die Schutzmechanismen sind da noch begrenzt. Deswegen ist ein UV-Schutz gerade für Kinderaugen besonders wichtig.“ Generell sei bei Kindern UV-Schutz sehr wichtig, sowohl für die Augen als auch für die Haut. Denn schädliche UV-Strahlung könne für frühzeitige DNA-Schäden sorgen, die sich bei der langen Lebenserwartung von Kindern dann akkumulierten.

Nahrungsergänzungsmittel kein Ersatz für Sonnenschutz

In einigen der Videos in den sozialen Netzwerken wird empfohlen, statt auf Sonnenschutz lieber auf Nahrungsergänzungsmittel zu setzen, die die Influencer oft selbst vertreiben. Grohmann hält das für gefährlich. „Menschen davon abzuraten, Sonnenbrillen oder Sonnencreme zu nutzen und stattdessen Supplemente zu empfehlen, kann gesundheitlich schwerwiegende Folgen haben.“

Es gebe zwar eine schwache Evidenz dafür, dass die Einnahme von hochdosierten Antioxidantien und Zink bei der altersbedingten Makuladegeneration die Wahrscheinlichkeit eines Sehverlustes und eines Fortschreitens der Krankheit verringern kann. Allerdings gelte dies nur für dieses Krankheitsbild, so Rohrschneider. „Das Auge hat viel mehr Strukturen, wo sich zum Beispiel auch Hautkrebs bilden kann durch zu viel UV-Strahlung. Insofern würde ich sehr davor warnen, Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen, um sich dann freimütig in der Sonne aufzuhalten.“

Schätzungsweise 80 Prozent aller Fälle von weißem Hautkrebs treten im Gesicht, am Kopf oder Hals auf – oft an den Augenlidern. Intensive Sonnenbestrahlung gilt dabei als Hauptverursacher. Eine Sonnenbrille und Sonnencreme können das Risiko minimieren. „Das Tragen einer Sonnenbrille bei strahlender Sonne hat nur Vorteile und überhaupt keine Nachteile“, sagt Rohrschneider.