Schon im April hat die Eichhörnchen-Hilfe in Berlin Alarm geschlagen: Tiere würden extrem Durst leiden und teils wegen der anhaltenden Trockenheit sogar von den Bäumen fallen. Jetzt, Anfang Juli, hat es nicht nur weiterhin viel zu wenig geregnet, es auch extrem heiß.

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Die Extremtemperaturen betreffen natürlich alle Wildtiere in der Stadt, und Berlin hat viele davon, müssen damit jetzt klarkommen. Wir haben deshalb in unserer Rubrik „3 auf 1“ drei Experten gefragt, was diese hohen Temperaturen von teils bis zu 38 Grad für die Wildtiere in der Stadt bedeuten:

Manche Insekten lieben die Hitze

Derk Ehlert ist Wildtierexperte der Senatsumweltverwaltung in Berlin. Er sagt: Von den vielen verschiedenen Tieren, die wir hier in Berlin haben, reagieren die einzelnen Arten jetzt ganz unterschiedlich auf die Hitze.

Von den Fischen über die Vögel und Säugetiere bis hin zu den vielen verschiedenen Insekten, die hier in Berlin leben, reagieren die einzelnen Arten ganz unterschiedlich auf das heiße und trockene Wetter. 

Füchse und Wildschweine zum Beispiel bleiben tagsüber einfach im Schatten, fressen nachts und holen sich so Ihre Feuchtigkeit. Für Amphibien und manche Insekten ist es tödlich, wenn jetzt kleine Tümpel und Gewässern austrocknen. Und andere Insekten wieder lieben die Hitze.

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Sehr gefährlich sind jetzt die Temperaturen über 30 Grad für Vögel, die gerade ihre Jungen großziehen und direkt unterm Dach nisten. Dort wird es bis zu 50 Grad heiß, das halten die kleinen Vögel nicht aus und springen aus dem Nest.

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Für Fische ist eher ein Problem, was nach der Hitze kommt. Je wärmer das Wasser wird, umso weniger Sauerstoff enthält es. Spült dann ein heftiger Gewitterregen Abwasser und organische Substanz direkt in Spree und Seen, frisst das Zersetzen, vereinfacht gesagt, den übrigen Sauerstoff weg.

Schatten suchen jetzt fast alle Tiere, die Bäume selbst brauchen vor allem Wasser. Wer die Möglichkeit hat, einen vor allem jungen Straßenbaum einmal in der Woche mit 80 bis 100 Litern zu wässern, der sollte das gerne tun.

Auch Tieren hilft Wasser

Julia Epp ist Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Berlin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie sagt: Akut können wir Tieren mit Wasser helfen. Besonders wichtig aber ist, dass Berlin gar nicht erst so heiß wird.

Nicht nur für uns Menschen sind die zunehmenden Hitzewellen in den Städten eine Bedrohung, sondern auch für die Wildtiere, beispielsweise der Mauersegler-Nachwuchs. Die Luft-Akrobaten brüten unter Hausdächern. Viele Jungvögel sterben wegen der extremeren Verhältnisse, die dort in Hitzephasen herrschen.

Generell stellen hohe Temperaturen, aber auch die anhaltende Dürre, für Tiernachwuchs eine noch viel größere Herausforderung dar als für Elterntiere.

Akut können wir Wildtieren hauptsächlich mit Wasser helfen. Wasserschalen helfen Vögeln und Insekten, aber auch Igeln und Eichhörnchen. Die Schalen müssen täglich gereinigt werden, um die Übertragung von Infektionen und Krankheiten zu verhindern. Damit Insekten landen können und einen flachen Wasserzugang haben, sollten beispielsweise Steine platziert werden.

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Besonders wichtig ist, dass Berlin erst gar nicht so heiß wird—hier sind die Politik sowie jede und jeder Einzelne gefragt. Weg mit Beton und Asphalt, wo immer möglich, viele natürliche Schattenplätze schaffen mit Bäumen, Sträuchern oder hohen Gräsern, Dach- und Fassadenbegrünung und idealerweise fließende Wasserquellen.

Hitze und Klimawandel sind das kleinere Problem

Matthias Glaubrecht ist Professor für Biodiversität der Tiere an der Universität Hamburg und am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB). Er sagt: Landnutzung, also Flächenfraß und Landwirtschaft, ist der Haupttreiber des Artenschwundes

Mit der Hitze kommen Wildtiere meist gut zurecht, sofern es schattige und kühle Rückzugsräume gibt, wo sie ausreichend Wasser finden. Was Wildtieren viel mehr zusetzt, ist der Verlust ihrer Lebensräume – weit mehr noch als selbst der Klimawandel.

Landnutzung, also Flächenfraß und Landwirtschaft, ist der Haupttreiber des Artenschwundes. Kein Wunder, dass es in Berlins Grünzonen, Gewässern und Gebüschen gefühlt mehr Nachtigallen gibt als in Brandenburg, wo ausgeräumte Agrarsteppen ohne Hecken und Bäume vielen Vogelarten keine Überlebensmöglichkeit mehr lassen.

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Nur retten wir leider selbst mit noch so vielen grünen Parks und Gärten in unseren Städten nicht die Artenvielfalt. Hier überleben von all unseren Wildtieren nur die wenigsten – vor allem sogenannte Kulturfolger und Allerweltsarten.

In den vergangenen Jahren haben viele – Naturschutzverbände eingeschlossen – die Stadtökologie immer mehr in den Blick genommen. Wildbienenfreundliche Blühwiesen sind wichtige Botschafter für eine naturentfremdete Großstadtbevölkerung. Aber das täuscht über die wahren Verluste an Biodiversität insgesamt hinweg – und die sind weitaus dramatischer als heiße Sommertage oder der Klimawandel.