Stand: 02.07.2025 19:43 Uhr

Der Senat hat den Gesetzentwurf der Initiative „BaumEntscheid“ abgelehnt. Die Aktivisten bereiten nun ihren nächsten Schritt vor. Wer steckt eigentlich hinter der Initiative? Ein Treffen an dem Ort, wo alles begann. Von Pauline Pieper

„Wie kann man mit moderner Stadtplanung einen so völlig fehlkonstruierten Platz machen?“, fragt Heinrich Strößenreuther. Der Umweltaktivist steht in der prallen Sonne auf dem Otto-Weidt-Platz in der Europacity nördlich des Berliner Hauptbahnhofs. Einige junge Bäume spenden einen spärlichen Schatten, ansonsten glüht das Pflaster vor Hitze. Vor drei Jahren zog der Aktivist Strößenreuther in das neugebaute Viertel und war entsetzt.
 
Wegen der Temperaturen habe er nachts nicht schlafen können. Neu gepflanzte Bäume an der angrenzenden Heidestraße hätten die Hitze nicht überlebt. Da sei ihm der Gedanke gekommen, dass es ein neues Gesetz brauche: „Wer einen Baum fällt, muss in gleicher Zahl Blätter nachpflanzen.“ Denn Bäume spenden Schatten und kühlen die Stadt. Die Idee eines Baum-Volksbegehrens war geboren.

Ein durch Trockenheit und Klimaeinwirkungen geschädigter Baum in einer Straße in Friedrichshain. Bild: Jens Kalaene/dpa

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Mehr als 150 Freiwillige sammeln Unterschriften

Strößenreuther macht sich auf die Suche nach Mitstreitern. Es ist nicht das erste Mal für den erfahrenen Umweltaktivisten. 2015 brachte er die Initiative Volksentscheid Fahrrad auf den Weg. 2019 gründete er die Klimaschutz-Initiative GermanZero. Auch die KlimaUnion gründete er 2021 mit, damals als CDU-Mitglied – mittlerweile ist er erneut Mitglied bei den Grünen.
 
Gemeinsam mit Génica Schäfgen, Deutschland-Chefin der Suchmaschine Ecosia, ruft Strößenreuther 2023 den „BaumEntscheid e.V“ ins Leben. Im Herbst 2024 beginnen mehr als 150 Freiwillige, Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln. Darunter etwa Felix Mühlmann, der gemeinsam mit Strößenreuther nun auf dem heißen Otto-Weidt-Platz steht. Er engagiere sich wegen seiner Oma, sagt der Jura-Student. „Die kann nämlich an heißen Tagen nicht mehr rausgehen. Die muss in ihrer Wohnung bleiben und das finde ich persönlich einfach nicht tragbar. Dass Menschen nicht am sozialen Leben teilnehmen können, einfach weil es heiß ist und die Stadt zu wenig tut.“
 
Rentner Jochen Tschepe erzählt, er habe sich noch nie vorher bei einer Initiative engagiert. „Aber das ist es mir wert“, sagt er. Die Stadt solle auch für seine Enkelkinder noch grün bleiben.

Archivbild: Volksentscheid Baum, PK zur Vorstellung des BäumePlus-Gesetzes im Dussmann, Berlin. (Quelle: imago images/Myller)

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300.000 neue Bäume bis 2040

Die Aktivisten sammeln mehr als 33.000 Unterschriften für ihr Volksbegehren und legen dem Senat einen Gesetzentwurf zur Klimaanpassung vor. Sie fordern: Bis 2040 soll es eine Million Bäume in Berlin geben. Dafür müssten rund 300.000 Bäume neu gepflanzt werden. Außerdem sollen 1.000 neue sogenannte „Kühlinseln“, also Mini-Parks, und 100 neue größere Parks die Stadt hitzesicher machen. Stadtviertel, die besonders von Hitze belastet sind, sollen so um mindestens zwei Grad gekühlt werden. Für jeden gefällten Baum sollen drei Bäume nachgepflanzt werden.
 
Momentan werden laut Senatsumweltverwaltung in Berlin jährlich rund 6.000 Bäume gefällt, aber nur rund 2.500 Bäume gepflanzt. Rund 60 Prozent der Bäume seien zudem krank.

Kühle Oase an der Panke

Wie wichtig Bäume für die Temperatur in der Stadt sind, führen Strößenreuther und seine Mitstreiter an der Panke im Wedding vor. Sobald man von der Straße in den schattigen Weg entlang des Flusses einbiegt, wird es deutlich kühler. „Das sind die schönen, großen, alten Bäume, dann alte Gebäude, die natürlich auch kühlen und dann die kühle Luft von der Panke“, sagt Strößenreuther.
 
Die Hoffnung der Aktivisten auf mehr solche kühlen Oasen wurde zuletzt aber gedämpft. Zwar erklärte die Innenverwaltung den Gesetzentwurf vor zwei Wochen für zulässig, der Senat hat ihn aber am Dienstag abgelehnt. Die Hauptbegründung: Das Vorhaben sei zu teuer. Laut Senat würden die Pläne bis 2040 rund 7,2 Milliarden Euro kosten. Zudem gebe es nicht genug Standorte für 300.000 neue Bäume.

Passanten genießen am 08.06.2023 das schöne Wetter unter Bäumen am Gendarmenmarkt. (Quelle: dpa/Paul Zinken)

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Aktivisten bereiten nächsten Schritt des Volksbegehrens vor

Strößenreuther überrascht die Entscheidung nicht: „Ich bin stinkig, aber es war erwartbar“. Die Ablehnung zeige, dass der Senat Berlin nicht auf zunehmende Hitze und Dürre vorbereite. Er appelliert an das Abgeordnetenhaus, das Gesetz trotzdem zu beschließen. Von SPD-Fraktionschef Raed Saleh kam jetzt ein Angebot zu Gesprächen an die Initiative.
 
Für ihre Entscheidung haben die Abgeordneten nun vier Monate Zeit. Sollte auch das Abgeordnetenhaus ihren Gesetzentwurf ablehnen, wollen die Aktivisten von Januar bis April 2026 erneut Unterschriften sammeln. Für die nächste Stufe des Volksbegehrens sind gut 170.000 gültige Unterschriften nötig.

Rundfunk Berlin-Brandenburg