Damit hatte kaum jemand gerechnet: Außenseiter Finnland hat sich am Mittwoch den ersten Sieg bei der Frauen-EM gesichert. Gegen Island waren die Skandinavierinnen beim 1:0 (0:0)-Sieg von Beginn an das bessere Team. Das Goldene Tor gelang Katariina Kosola in der 70. Minute. Island musste eine gute halbe Stunde in Unterzahl agieren, nachdem Hildur Antonsdóttir in der 58. Minute die Gelb-Rote Karte gesehen hatte.
Drei Stunden vor der offiziellen Turniereröffnung durften die Teams von Island und Finnland die erste Partie der 14. Frauen-EM bestreiten. In der idyllisch gelegenen Kleinstadt Thun, rund 90 Kilometer südlich von Zürich gelegen, war es noch früh am Abend. Also hell, teils sonnig und vor allem: heiß!
Bei rund 31 Grad Lufttemperatur und einer gehörigen Portion Luftfeuchtigkeit waren die 22 Spielerinnen aus dem hohen europäischen Norden schon nach dem Aufwärmen ganz gut auf Betriebstemperatur. Was sie aber nicht daran hinderte, ihre Auftaktpartie mit Tempo und Leidenschaft anzugehen.
Island – Standards als wichtiges Stilmittel
Schnell und direkt nach vorn – so das Motto beider Teams. Island hatte die erste Torchance: Nach Eva Nyströms überflüssigem Foul an Sandra Jessen schlug Bayer Leverkusens Karólína Vilhjálmsdóttir den Ball von der Strafraumgrenze vors Tor – aber irgendwie konnte die finnische Verteidigung klären.
Damit waren auch gleich die Stärken beider Teams zum Tragen gekommen. Island setzte auf Standards: Ecken, Freistöße und Einwürfe, die von der ehemaligen Wolfsburgerin Sveindís Jónsdóttir wie Freistoßflanken in die gefährliche Zone segeln. Finnland hingegen: Kompakt in der Abwehr stehend, schnell konternd und nach Möglichkeit früh den Abschluss suchend.
Finnland überraschend dominant
Was die Zuschauer in der 8.500-Plätze-Arena von Thun kaum zu sehen bekamen: technische Feinheiten, flüssige Ballstafetten. Dafür sind beide Teams aber auch nicht bekannt. Eher für Einsatz und Willen. Finnland, das in der ersten Hälfte überraschenderweise die besseren Ansätze zeigte, wäre in der 17. Minute um ein Haar in Führung gegangen: Kosola hatte 17 Meter vor dem Tor Platz, schoss halbhoch, doch Islands Keeperin Cecilía Rúnarsdóttir nutzte ihre 1,88 Meter Körpergröße und wehrte ab.
Finnland war besser, spielte strukturierter. Island hatte Jónsdóttir und ihre Einwürfe. Ein solcher brachte in der 27. Minute Gefahr: Von rechts auf den kurzen Pfosten geworfen, per Hinterkopf von Vilhjálmsdóttir verlängert – es wäre fast die isländische Führung gewesen.
Verbissen: Islands Hlin Eiriksdottir (r.) und Finnlands Joanna Tynnila
Viggósdóttir verletzt raus
Es blieb aber torlos. Bis zur Pause und auch danach. Zumindest zunächst. Island – das nach der Halbzeit den verletzungsbedingten Verlust von Kapitänin Glódís Viggósdóttir (Bayern München) verkraften musste – schaffte es einfach nicht, seine Favoritenrolle auf den Platz zu bringen. Die einzige Waffe nach wie vor: Jónsdóttirs Einwürfe. Ein solcher brachte in der 57. Minute erneut helle Aufregung in Finnlands Abwehr, aber auch diesmal fand der Ball keinen Weg durch die vielbeinige Abwehr ins Tor.
Spielerisch lief’s nicht bei Island. Die Siegchancen des Weltranglisten-14. sanken in der 58. Minute weiter, als Hildur Antonsdóttir vom Platz gestellt wurde. Die Mittelfeldspielerin hatte Gegenspielerin Eveliina Summanen gestempelt, wie man den Tritt auf den Spann der Gegnerin heute nennt. Es war eine korrekte Gelbe Karte – ihre zweite.
Finnland trifft in Überzahl
In Überzahl eröffneten sich Finnland immer größer werdende Siegchancen. Seit 2009 hatten die Skandinavierinnen keine EM-Begegnung mehr gewinnen können. Jetzt hatten sie einen Dreier irgendwie greifbar. Und es passierte: In der 70. Minute zog Kosola von links nach innen und schlenzte die Kugel gefühlvoll mit rechts ins lange Eck – 1:0.
Island musste jetzt irgendetwas tun – und versuchte es auch. Und tatsächlich hatte Jónsdóttir in der 75. Minute den Ausgleich auf dem Fuß, als sie nach einem langen Ball zu überhastet abschloss und die Kugel allein vor Keeperin Anna Koivunen am Tor vorbei schoss. Dabei aber blieb es. Und die Frauen-EM hatte ihre erste Überraschung.
Für Island geht’s am Sonntag (06.07.2025, 21 Uhr) mit der zweiten Gruppenpartie gegen Gastgeber Schweiz weiter. Am gleichen Tag (18 Uhr) trifft Finnland auf Norwegen.