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Die Mehrheit der Menschen in Großbritannien unterstützt die Initiative. Die Mehrheit der Menschen in Großbritannien unterstützt die Initiative. © IMAGO/WIktor Szymanowicz

Nach monatelanger Debatte stimmt das britische Unterhaus der begrenzten Freigabe zu. Die Abstimmung in der zweiten Kammer des Parlaments steht noch bevor.

Lautstarke Kundgebungen vor dem Palast von Westminster, emotionale Schlagzeilen der Londoner Tageszeitungen – wie zu Beginn der knapp siebenmonatigen Debatte über eine begrenzte Freigabe der Sterbehilfe in England und Wales prallten auch am Freitag wieder die Meinungen aufeinander.

Am Ende des vierstündigen letzten Austausches von Argumenten gaben die Abgeordneten im britischen Unterhaus mit 314:291 Stimmen den Weg für die Reform frei. Nach der Zustimmung im Unterhaus muss nun im nächsten Schritt das Oberhaus darüber entscheiden. 

Die Initiative stammt von der Labour-Politikerin Kim Leadbeater, die argumentiert, die neue Regelung biete Todkranken in der letzten Phase ihres Lebens eine „mitfühlende und sichere Wahlmöglichkeit“. Von Regierungschef Keir Starmer ist bekannt, dass er die Rechtsreform unterstützt. Sterbe-Helfer:innen müssen derzeit mit einem Ermittlungsverfahren rechnen, gehen im Normalfall aber straffrei aus. De jure aber bleibt die Androhung einer Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren für Beihilfe zum Suizid bestehen.

Breite Mehrheit unterstützt Reform

Leadbeaters überarbeiteter Plan sieht die Prüfung des Suizidwunsches von Schwerstkranken mit einer Lebenserwartung von weniger als einem Jahr durch mindestens zwei Ärzt:innen vor. Ausdrücklich soll es in den Gesprächen auch um eine mögliche palliative Pflege gehen. Mit ihrer Unterschrift sollen die Ärzt:innen garantieren, dass die Sterbewilligen geistig gesund sind und keine Anzeichen von äußerem Druck vorliegen. Allen Umfragen des vergangenen Jahrzehnts zufolge stimmen die Menschen in Großbritannien mit einer Zweidrittelmehrheit der Reform zu.

Die eigentlich viel gerühmte Hospizbewegung auf der Insel steckt in einer tiefen Krise. Palliativpflege wird nur zu einem Drittel staatlich unterstützt, den Rest müssen Wohlfahrtsverbände und Lobbygruppen aus Spendenmitteln finanzieren. Das hat die ohnehin knappe Zahl von Hospizen weiter reduziert. Die Folge sind immer wieder würdelose Sterbeverläufe in Sechsbettzimmern ohne Privatsphäre. Die Verbesserung solcher Zustände wird seit Jahren gefordert, worauf viele Gegner:innen der Reform hinwiesen.

Ohnehin war auch diesmal die Debatte von gegenseitigem Respekt geprägt. Seine Gegnerschaft basiere „weder auf religiösem Glauben noch auf Unkenntnis“, teilte James Cleverly als prominenter Sprecher der Reform-Skeptiker:innen mit. Vielmehr halten viele Abgeordnete die bisher durchgesetzten Einschränkungen und Kontrollen nicht für ausreichend. Im Verlauf der Beratungen gaben die Befürworter:innen den Plan auf, jeden Fall durch eine Richterin am High Court überprüfen zu lassen.

Dagegen hatte sich Justizministerin Shabana Mahmood unter Hinweis auf die Überlastung der Gerichte gewehrt. Sie steht dem neuen Gesetz weiterhin ebenso ablehnend gegenüber wie Gesundheitsminister Wesley Streeting. Angesichts des Zustandes in der Palliativpflege hätten Todkranke „keine echte Alternative“.