Temperaturen bis fast 40 Grad
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Wildtieren helfen – aber richtig: Wann Eingreifen bei Hitze sinnvoll ist
Mi 02.07.25 | 14:55 Uhr | Von Hannah Demtröder
Bild: rbb24/Winkler
Wenn in der Stadt die Temperaturen steigen, stellen viele Berliner Wasserschalen für Wildtiere auf. Doch brauchen Fuchs, Igel und Mauersegler wirklich unsere Hilfe? Wildtierexperte Derk Ehlert erklärt, wann und wie wir helfen können. Von Hannah Demtröder
Draußen sind es deutlich über 30 Grad und in Berliner Hausgemeinschaften oder Nachbarschafts-Portalen wird heiß diskutiert: Wasserschalen für Wildtiere aufstellen – ist das sinnvoll? Wo sollen sie aufgestellt werden? Lockt das nicht Schädlinge an?
Klar ist: Vielen Anwohnern ist das Wohlergehen der unzähligen Wildtiere im Kiez wichtig. Füchse, Marder, Igel und Eichhörnchen werden hier regelmäßig gesehen. Dazu Fledermäuse und diverse Singvögel. Aber: Welche Tiere brauchen tatsächlich Hilfe?
„Wildtiere, das sind ganz viele – von der Ameise bis zum Wildschwein. Strenggenommen sind sogar Regenwürmer Wildtiere. Und die Arten, die bei uns leben, sind Hitzeperioden, wie wir sie im Augenblick haben, gewohnt. Die können damit umgehen“, sagt Derk Ehlert, Wildtierreferent der Berliner Umweltverwaltung.
Wildtiere finden Wasserstellen, um dort zu saufen
Natürlich gebe es Tiere, vor allem größere, die regelmäßig Wasser trinken müssten. „Fuchs, Marder, Wildschwein, Waschbär – sie alle nutzen Wasserlachen und -stellen, um dort zu saufen“, sagt Ehlert. Man könne etwa dem Fuchs, der immer durch den Innenhof streicht, eine Schale mit Wasser hinstellen – aber notwendig sei das meist nicht.
Mit Wasserschalen Wildvögeln helfen
Vögel hingegen seien dankbare Wassertrinker in der Stadt und freuten sich über Wassergaben in Gärten und auf Balkonen, sagt Ehlert: Sie kämen, „um dort zu trinken, aber auch, um ihre Jungen zu kühlen und zu füttern – und um zu baden“.
Wer Vögeln helfen will, stellt also eine Wasserschale bereit – täglich bis zu zweimal, regelmäßig gereinigt, nicht in der Nähe von Futter und sicher vor Katzen.
Derk Ehlert
Brütende Hitze kann für kleine Mauersegler ein Todesurteil sein
Gefährlich könne die Wetterlage allerdings für kleine Mauersegler werden, Nestlinge, die noch nicht flügge sind.
Die Gebäudebrüter ziehen ihre Jungen im Hochsommer direkt unterm Dach groß. Hitze bis etwa 30 Grad sind sie durchaus gewohnt. Doch unter der Dachkante können bei sehr heißen Wetterlagen durchaus Temperaturen von 50 Grad entstehen: „Für die jungen Mauersegler ist so ein Wetter ein Drama“, sagt Ehlert. Noch sehr junge Vögel springen dann oft aus dem Nest – ein Todesurteil. Kurzfristig sei Hilfe kaum möglich. Langfristig könne man den Tieren jedoch andere Brutplätze anbieten, etwa Nistkästen an schattigen Fassaden ab dem zweiten Stock.
Warum kühle Böden für Wildtiere wichtig sind
Ehlerts wichtigster Tipp: Der Boden muss kühl bleiben. Wer einen Garten oder Hof hat, sollte Laub unter Sträuchern liegen lassen. Das verhindert das Austrocknen des Bodens und schützt Mikroorganismen und Insekten – eine wichtige Nahrungsquelle für Igel und andere Tiere.
„Überall da, wo der Boden aufheizt, wandern Mikroorganismen und die Tiere in die unteren Bodenschichten, weil der Boden zu heiß und vor allem zu trocken wird. Igel etwa haben dann Schwierigkeiten, weil sie nicht mehr an Regenwürmer und Schnecken kommen“, erklärt Ehlers.
Darum brauchen wir die Wildtiere in der Stadt
Biodiversität zu erhalten, sei lebenswichtig – auch für uns Menschen. „Wir haben etwa 20.000 Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen, das ist nur ein Bruchteil von dem, was wir hier wirklich haben“, sagt Ehlert. Tiere sind unsere Lebensgrundlage. Ameisen, Bakterien, Pilze – sie zersetzen organische Substanz, schaffen Nährstoffe für Pflanzen, die wiederum Sauerstoff produzieren.
„Uns muss klar sein, dass wir ohne Tiere und Pflanzen überhaupt nicht in der Lage sind, zu leben. Deswegen sollten wir ein Interesse daran haben, dass es den Tieren und Pflanzen gut geht, damit wir morgen überhaupt noch Luft zum Atmen haben.“
Derk Ehlert
Junge Stadtbäume sehr viel gießen
Wer der Stadtnatur hilft, hilft auch den Wildtieren. Ein weiterer Tipp von Ehlers: junge Stadtbäume kräftig gießen – ein- bis zweimal pro Woche mit 70 bis 100 Litern. So gelangt das Wasser tief zu den Wurzeln. Außerdem sollten versiegelte Flächen geöffnet werden, damit Wasser versickern kann.
„In den letzten fünf Monaten, gab es nicht einmal die Hälfte der Niederschlagsmengen, die wir sonst pro Monat haben. Und 2023 und 2024 waren gerade mal durchschnittliche Regenjahre. Das heißt, wir haben ein großes Defizit.“ Die Böden sind ausgetrocknet, Strahlung und Temperaturen nähmen zu, erklärt der Experte. „Also sollte jeder großes Interesse daran haben, unser Wasser auch vor Ort versickern zu lassen“.
Manche Berliner Wildtiere lieben die Hitze
Davon profitieren auch Wildtiere. Denn wenn der Boden kühl und feucht bleibt, bleiben auch ihre Nahrungsquellen erhalten. Statt: „Lasst uns noch eine Wanne Wasser aufstellen?“ könnte es also sinnvoller bei engagierten Berliner Nachbarn heißen: „Lasst uns doch den Hof begrünen.“
Übrigens – manche Wildtiere lieben auch die Hitze, sagt Ehlert: „Kreuzottern, Blindschleichen, Gottesanbeterinnen – für sie fängt das Leben bei solchen Temperaturen erst an.“
Beitrag von Hannah Demtröder