Ein klarer Baukörper am Hang, der sich in den historischen Ortskern von Aichtal-Neuenhaus einfügt. Foto:
Hausbesitzer im Kreis Esslingen öffnen ihre Türen und gewähren einen öffentlichen Einblick in ihre ganz privaten Wohnträume.
Ein Wohnhaus an den Hang in der Ortsmitte von Neuenhaus zu bauen, das war für den Stuttgarter Architekten Jan Endemann herausfordernd. „Die Bauherren haben sich ein modernes, reduziertes Haus gewünscht.“ Dass es auf dem relativ kleinen Grundstück in der Ortsmitte des Aichtaler Stadtteils nicht ganz einfach war, nachzuverdichten, berichtete der Architekt den Gästen bei der Rundfahrt zum Tag der Architektur in Esslingen. Planung und Statik waren da große Themen.
Mit einem Bus waren rund 30 Männer und Frauen unterwegs, um sich bemerkenswerte Gebäude anzusehen. „Baukultur im Alltag zu verankern, ist unser Ziel“, sagte der Architekt Thomas Sixt Finckh, Vorsitzender der Kammergruppe Esslingen I, über das Angebot, das jedes Jahr am letzten Wochenende im Juli auf dem Plan steht. „Bauen und Architektur sollten schon in der Schule feste Bestandteile im Lehrplan sein“, sagt der Esslinger. Wie sich Architektur mit ästhetischem Anspruch in Wohnhäusern wie auch in öffentlichen Gebäuden verwirklichen lässt, zeigten die Blicke hinter die Kulissen.
Einblicke in Esslingens Wohnträume: Offene Architektur erleben
Dass die Reisegruppe aus dem Kreis Esslingen in die Wohn- und Schlafzimmer schauen durfte, war besonders spannend. Architekt Jan Endemann zeigte am Beispiel der offenen Küche, wie Sichtbeziehungen in den Ortskern entstehen. Aus dem großen Fenster hat man einen Blick auf die evangelische Kirche Zu unserer Lieben Frau. Helle Räume und klar gesetzte Fensteröffnungen prägen das lichtdurchflutete Haus. „Die Balance zwischen Offenheit und dem intimen Wohnbereich zu halten“, das fand Endemann bei diesem Projekt besonders spannend. Offen gestaltet sind die Treppenhäuser, die in die luftig gestalteten Wohnräume führen.
Aus der Küche ist der Kirchturm von Neuenhaus zu sehen. Foto: privat
„Bei den Baumaterialien haben wir auf wenige Elemente gesetzt“, beschreibt der Architekt seine Philosophie. Die Außenfassade ist ein Hingucker. Das Sockelgeschoss ist von einem Versatz und Fassadentafeln aus Faserzement geprägt. Der Baukörper oberhalb ist mit feinen Lärchenholzlamellen verkleidet. Das Dach ist auf beiden Seiten unterschiedlich geneigt. Das gibt dem Bau seine charakteristische Form. Dass der Neubau 2024 beim Wettbewerb Beispielhaftes Bauen ausgezeichnet wurde, freute den Architekten wie auch das junge Ehepaar, das sich seinen Wohntraum erfüllte.
Spielerischer Umgang mit baurechtlichen Vorgaben im Kreis Esslingen
Die Plakette der kreisweiten Auszeichnung ziert auch das Haus der Familie Demircioglu in Berkheim. Durch das in dem Wohngebiet am Rand des Esslinger Stadtteils vorgeschriebene Pultdach waren die Vorgaben relativ strikt. Damit spielerisch umzugehen, war für den Architekten Camilo Hernandez die große Herausforderung. „Unser Ziel war es, einen klaren Baukörper ohne Dachüberstand zu schaffen, mit integriertem Wintergarten und einer dezenten Fassadengestaltung.“ Die Hülle des Gebäudes ist mit Holzlamellen aus grauem Lärchenholz gestaltet. Dadurch hebt sich das Haus wohltuend von den weiß gestrichenen Häusern in der Nachbarschaft ab.
Mittelpunkt des Hauses, in dem das Ehepaar mit seinen Söhnen und dem vier Jahre alten Kater lebt, ist der offene Koch- und Essbereich im Wintergarten mit direktem Zugang zur Terrasse. Der zentrale Raum öffnet sich sowohl im Bereich des Wintergartens oben mit einem großzügigen Luftraum als auch zum Wohnzimmer und dem Arbeitsbereich. Der hohe, offene Raum mit Blick in den Himmel begeisterte die Besucher ebenso wie der vorgelagerte Wintergarten, den die Familie als Bibliothek nutzt.
Das Haus in Berkheim besticht durch seine Fassade aus Holzlamellen. Foto: Roberto Bulgrin Nachhaltiges Bauen: Energieeffizientes Haus ohne fossile Brennstoffe
„Wir hatten viele Ideen für unser Haus“, blickt Berna Demircioglu auf den Bau zurück. Diese umzusetzen, war nach ihren Worten allerdings nicht ganz einfach. Da habe die Architektin Nataly Granados viel Verhandlungsgeschick gebraucht, um das mit dem Baurechtsamt auszuhandeln.
Großen Wert hat Ahmet Demircioglu auf die Energieversorgung gelegt. Da wollte der Bauherr zukunftsweisend denken. Der minimierte Heizbedarf wird durch Fernwärme an das städtische Wärmenetz angeschlossen. „Das Gebäude ist komplett ohne fossile Brennstoffe zukunftsweisend konzipiert“, sagt Demircioglu. Die Temperierung erfolgt über eine Fußbodenheizung.
Küchengespräche mit der Hausbesitzerin Berna Demircioglu. Foto: privat
Dass innovative Konzepte auch in öffentlichen Gebäuden möglich sind, bewies die Stadt Ostfildern beim Bau der Kindertagesstätte Kunterbunt. Nur wenige Kilometer von seinem Objekt in Berkheim hat der Architekt Camilo Hernandez auch da eine spannende Lösung gefunden. Das zeigt sich schon an der Fassade im Eingangsbereich. Ziegelplatten aus Frankreich korrespondieren im Eingangsbereich mit der Holzfassade. Die Innenräume sind auf 80 Jungen und Mädchen zugeschnitten. Besonders schön hat der Architekt die Matsch- und Kreativräume in den Garten geöffnet. Die Stockwerke des Kinderhauses sind mit einer Rutschbahn verbunden. Da dürfen sich die Kleinen auch an Regentagen austoben.
Das Beispiel des Ostfilderner Kindergartens zeigt Thomas Sixt Finckh, dass solche Projekte für die Kommunen eine große städtebauliche Chance bedeuten. „Es ist immer gut, wenn es für solche Projekte Wettbewerbe gibt“, ist der Kammervorsitzende aus Esslingen überzeugt. Das koste die Kommunen zwar etwas, „aber die Ergebnisse zahlen sich städtebaulich aus“. Leider setzten viele in Zeiten knapper Kassen auf Billiglösungen. Wie fruchtbar der Wettbewerb für die Entwicklung des Kita-Baus war, bestätigt Volker Schulz, der das Projekt bei der Stadt Ostfildern betreute. „Da haben wir uns viele Anregungen geholt.“