Wird es auch in Zukunft einen Dalai Lama geben? Die Debatte darum hatte das geistliche Oberhaupt der Tibeter teils selbst befeuert. Kurz vor seinem 90. Geburtstag legt er sich nun fest – zum Ärger Chinas, das darüber bestimmen will.
Kurz vor seinem 90. Geburtstag hat das geistliche Oberhaupt der Tibeter – der Dalai Lama – angekündigt, dass es grundsätzlich einen Nachfolger für ihn geben soll. „Ich bekräftige, dass die Institution des Dalai Lama fortbesteht“, sagte er in einer Videobotschaft von seinem Exil in Dharamsala im Norden Indiens aus. Damit zerstreute er vorerst Spekulationen darüber, ob die seit Jahrhunderten währende Tradition weiterbestehen werde oder nicht. Der 89-Jährige teilte mit, allein die Tibeter hätten das Recht, über die Wiedergeburt des Dalai Lama zu bestimmen. Damit forderte er direkt China heraus, das Tibet kontrolliert.
Die Suche nach dem Nachfolger und seine Anerkennung als Reinkarnation des jetzigen Dalai Lamas solle „in Übereinstimmung mit der vergangenen Tradition“ erfolgen, hieß es vom Dalai Lama. Nur die von ihm gegründete gemeinnützige Organisation Gaden Phodrang Trust in Dharamsala darf demnach auswählen. „Niemand sonst verfügt über eine solche Autorität, um sich in diese Angelegenheit einzumischen.“ Kritik und Widerspruch nach der Ankündigung des Dalai Lamas kamen umgehend aus China. Der Konflikt um die Nachfolgeregelung für den Dalai Lama schwelt seit Jahren – und hat auch politische Relevanz.
Sinnbild des gewaltlosen Widerstands
Eine Sprecherin des Pekinger Außenministeriums teilte mit, nur die chinesische Regierung habe das Recht, über die Reinkarnation des Dalai Lama zu entscheiden. Die Auswahl müsse in China erfolgen. Peking sieht das tibetische Hochland als Teil des eigenen Territoriums und betrachtet den aktuellen Dalai Lama bis heute als Separatisten. Der Dalai Lama und die tibetische Exil-Regierung in Indien streben dagegen eigenen Angaben zufolge nach einer „echten Autonomie“ Tibets.
Dem Glauben der tibetischen Buddhisten nach werden spirituelle Lehrer (Lamas) nach ihrem Tod wiedergeboren. So ist es demnach auch möglich, die jeweils nächste Reinkarnation eines Dalai Lama zu finden. Die Oberhäupter der Tibeter werden von hohen buddhistischen Gelehrten ausgesucht – so wurde auch der jetzige Dalai Lama 1937 als Zweijähriger gefunden.
Die Spekulationen über seine Nachfolge nährte der Dalai Lama, der vielen Menschen auf der ganzen Welt als Sinnbild des gewaltlosen Widerstands seines Volks gegen China gilt, über Jahre hinweg selbst. So sagte er stets, dass er der letzte in der Reihe der Dalai Lamas sein werde, sollten sich die Tibeter gegen den Fortbestand der Institution entscheiden.
Wer der Nächste sein könnte, ist offen
In seiner Videobotschaft erklärte er, schon in den vergangenen 14 Jahren seien unter anderen Würdenträger der religiösen Traditionen Tibets, Mitglieder des Exil-Parlaments sowie Buddhisten aus Asien einschließliche Chinas und anderen Ländern an ihn mit der Bitte herangetreten, einen Nachfolger zu finden. Ungeklärt bleibt die Frage, wer der nächste Dalai Lama sein könnte.
„Wann immer die Zeit kommt, wird das intern entschieden, und es wird keine weitere öffentliche Botschaft von Seiner Heiligkeit zu der Angelegenheit erfolgen“, sagte der frühere Chef der tibetischen Exil-Regierung, Lobsang Tendzin, in Dharamsala vor Journalisten. Der nachfolgende Dalai Lama könne männlich oder weiblich sein und sein Aufenthaltsort sei nicht auf Tibet beschränkt.
Nach tibetischer Zählung wurde der Dalai Lama im Alter von 16 Jahren – nur einen Monat nach dem Einmarsch der chinesischen Volksarmee in Tibet – zum politischen Oberhaupt der Tibeter ernannt. Er lebt seit seiner Flucht 1959 als staatenloser Tibeter im Exil in Indien. 2011 legte er seine politische Führungsrolle vollständig ab. Dort wird er am Sonntag nach Angaben seines Büros auch an öffentlichen Feierlichkeiten zu seinemn 90. Geburtstag teilnehmen.