Musik-Enthusiasten haben’s gut in Stuttgart: Auf den Ed-Sheeran-Rausch folgen weitere Live-Freuden. Das Jazz-Open-Gefühl breitet sich aus. Die Stadt klingt – und wie!

Weit über 60 Konzerte (auch kostenlose) an zwölf Tagen auf elf Bühnen – Stuttgart wird erneut zur Musikmetropole! Mit 60 000 verkauften Karten vermelden die 31. Jazz Open schon jetzt einen Besucherrekord. Fans sagen, für sie beginnen die schönsten Tage des Jahres. „Live is the Real Life“ – so formuliert es Promoter Jürgen Schlensog treffend. Damit will er sagen: Live-Konzerte sind das wahre Leben! Wie recht er hat!

In Zeiten von KI und mit High Tech übertrieben perfektionierten Studio-Aufnahmen tut das absolute Echte so gut! Was Echteres als Live-Musik gibt es nicht, wie Ed Sheeran abseits seiner beiden Stadionkonzerte in der MHP-Arena mit seinem unangekündigten Auftritt vor der Staatsoper bewiesen hat – die ganze Stadt zehrt noch immer davon, die Videos davon werden zehntausendfach geteilt.

Stuttgart zeigt sich nach dem Sheeran-Rausch, über den Internet-Europa staunt, weiterhin als ideale Bühne: Im traumhaften Ambiente des Alten Schlosses haben die Jazz Open am Mittwochabend einen Auftakt nach Maß hingelegt. Die historische Kulisse, das enthusiastische Publikum, die urbane Offenheit und die musikalische Spitzenklasse von Jesus Molina und Ezra Collective sorgen gleich zu Beginn für ein Festivalgefühl, das deutschlandweit seinesgleichen sucht.

Für viele sind die Jazz Open ein Lebensgefühl

Für viele Stuttgarter ist der Sommer mit den Jazz Open nicht nur ein musikalischer Hochgenuss, sondern ein tief empfundenes Lebensgefühl. Barbara Benz, die Chefin des Einrichtungshauses Architare im Dorotheen-Quartier, kauft sich seit vielen Jahren stets den Dauer-Business-Pass für das Festival. 2500 Euro hat sie diesmal für zwölf Tagen inklusive Verpflegung bezahlt – und bereut es keineswegs. Denn dann erlebt sie Künstlerinnen und Künstler, die sie davor gar nicht gekannt hat, die es aber wert sind, sie kennenzulernen.

Allein das Ambiente des Alten Schlosses ist ein Genuss Foto: Uwe Bogen

„Würde ich nur Karten für die Superstars kaufen, würde ich sehr viel verpassen“, sagt die Unternehmerin. Am ersten Abend der Jazz Open hat es ihr der kolumbianische Jazzpianist Jesus Molina besonders angetan. Der 29-Jährige ist ein Tastentiger, aber auch ein feinsinniger Interpret. Im Alten Schloss schlägt er voll ein! „Jürgen Schlensog hat einfach ein gutes Händchen für die Stars von morgen“, lobt Barbara Benz.

Die Designerin und Präsidentin des Stuttgarter Wirtschaftsclubs zweifelt nicht daran, dass dem jungen Kolumbianer der große Durchbruch bevorsteht. „Er ist der Superstar von morgen“, sagt sie. Umso mehr freut sie sich, dass sie Jesus Molina nach seinem euphorisch bejubelten Konzert im Vip-Bereich des Festivals treffen kann (außerdem dabei: Rainer Scharr, geschäftsführender Gesellschafter der Scharr KG, und der frühere Südwestbank-Chef Wolfgang Kuhn).

Der Pianist ist ebenfalls im Glück. „Das Ambiente des Altes Schlosses ist ein Traum“, sagt der Südamerikaner unserer Redaktion, „und die Organisatoren des Stuttgarter Festivals sind es ebenso.“ Er sei familiär aufgenommen worden. Am nächsten Tag wird Molina für weitere Konzerte in die Schweiz reisen.

Der größte Teil des Line-ups spielt den Jazz. „Und das ist gut so“, findet Promoter Jürgen Schlensog. Die großen Bühnen mit Stars wie Lionel Richie und Kyle Minogue (alles ausverkauft!) finanzierten die „kleinen Konzerte“. Dies hält der Veranstalter „für einen fairen Deal“. Denn nur gemeinsam und mit Hilfe der Sponsoren könne man weit über 60 Konzerte an zwölf Tagen auf insgesamt elf Bühnen bringen.

Lange Schlange draußen vor dem Gastroständen der Jazz Open Foto: Uwe Bogen

Für das Catering der Vips und des „Publics“ ist zum zweiten Mal der Ratskeller-Wirt Milos Vujicic (Aufschrift auf seinem Lieferwagen: „Überholen Sie uns ruhig, unsere Qualität können Sie nicht überholen“) zuständig. Bezahlt wird ohne Cash – nur mit Karte. Dass die Halbe Bier bei ihm 7,50 Euro kostet, sorgt gelegentlich für Murren der Gäste. Zum Vergleich: Auf dem Wasen musste man zuletzt für eine Maß zwischen 14,10 und 14, 40 Euro zahlen. Damit ist das Bier bei den Jazz Open teurer als auf dem Volksfest.

Wirt Vijicic verweist darauf, dass man bei der Übertragung des DFB-Finales auf dem Schlossplatz gar acht Euro für die Halbe bezahlen musste. Dass es Kritik an seinen Preisen gibt, versteht er aber. „Die Menschen müssen überall sparen und sind deshalb preissensibel“, sagt der Gastronom. Doch bewusst habe er einen Preis „unter vergleichbaren Events“ festgelegt. Weil Mastercard Sponsor ist, sparen Gäste mit dieser Karte 20 Prozent. Dann kostet die Halbe sechs Euro.

Auf der großen Bühne des Schlossplatzes geht es am kommenden Montag los. Erstmals wird der Ehrenhof an sieben Tagen bespielt (bisher waren es sechs). „Wir wollen das Festival weiterentwickeln“, sagt Promoter Jürgen Schlensog. Das gelingt ihm gar über die Grenzen von Deutschland hinaus: 2026 gibt es einen Ableger der Jazz Open in Modena in Italien.