Berlin – Wenn der Hausherr oder gefährdete Staatsgäste beim Kanzleramt einschweben, landen sie mit einem Hubschrauber im Garten – die Fläche ist aber kein offiziell genehmigter Landeplatz.
Gut zwei Jahrzehnte nach Eröffnung von Deutschlands Regierungszentrale gibt’s jetzt von der Oberen Luftfahrtbehörde grünes Licht für den Betrieb eines Sonderlandeplatzes: in 24 Metern Höhe auf einem sechsgeschossigen Bürogebäude. Ready for takeoff!
Dreizehn Standorte wurden von der Fliegergruppe der Bundespolizei zunächst überprüft: Wie hoch ist die Lärmbelastung? Könnte der Landeplatz für terroristische Anschläge missbraucht werden? Gibt es umgebende Luftfahrt-Hindernisse?
Nur ein Standort blieb übrig, rund 900 Meter westlich vom Reichstagsgebäude und ist bereits in Bau. Er bekommt vier ausgewiesene An- und Abflugrichtungen – über den Tiergarten bis zum Bayrischen Platz und Moritzplatz. Im Westen Richtung Schloss Charlottenburg, nach Osten Richtung Alexanderplatz. Die Genehmigung umfasst 34 Seiten, regelt viele Details.
Bäume müssen gekürzt werden
Bevor der neue Landeplatz (im Winter beheizt) in Betrieb geht, müssen Bäume vermessen werden – nach jetzigem Stand wird ein 65-Meter-Riese um 5,32 Meter und ein 50-Meter-Baum um 0,29 Meter gekürzt. Nahe dem Hauptzollamt wird zudem ein Naturdenkmal gelegentlich überflogen – „eine gewöhnliche Rosskastanie“, heißt es in der Genehmigung lapidar. Höhere Gebäude des Innenministeriums wurden bereits mit Hindernisfeuern ausgestattet.
Ein Habicht und ein Mäusebussard haben ihre Horste in der Nähe. Nach Ansicht der Experten stecken die Greifvögel die maximal 86 Dezibel Krach beim Überflug weg, weil es im Tiergarten nur eine „sehr geringe Anzahl von Überflügen“ pro Jahr geben soll.
Auf dem Rasen des Kanzleramts stehen Besucher beim Tag der offenen Tür am Kanzler-Hubschrauber an. Bundespolizei und Luftwaffe setzen meistens einen Airbus AS332L1 und AS532U2 ein
Foto: picture alliance/dpa
Kein Anspruch auf Lärmschutzfenster
Das Kanzleramt rechnet im Jahr mit 200 Flugbewegungen, jede zehnte könnte zur Nacht erfolgen. Unstrittig sei, dass beim direkten Überflug nahe dem Landeplatz Gespräche unterbrochen werden, man TV und Radio nicht mehr verfolgen kann.
Die Luftfahrtbehörde sieht das Problem aber maximal viermal die Woche – Gerichte halten täglich fünf- bis sechzehnmal für zumutbar. Einen Anspruch auf Lärmschutzfenster haben Nachbarn jedenfalls nicht.
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Achten müssen die Piloten allerdings auf drei Kamine von Netz-Ersatzanlagen für Notstrom. Bei Betrieb und wenig Wind könnten heiße Rauchgase (550 Grad Celsius) bis zu 80 Meter Höhe aufsteigen – bei einem Durchflug könnte das aerodynamisch bedingt zu einem Flugunfall führen. Notfalls wird der Betrieb um ein paar Minuten verzögert, damit An- bzw. Abflug aus dem kritischen Bereich abgeschlossen ist.
Zu den Kosten nur für die Landeplattform kann das Bundespresseamt keine Details nennen. Die Gesamtkosten für die Erweiterung liegen nach letzten Berechnungen bei 657 Millionen Euro plus 140 Millionen Risikovorsorge. Der nächstgelegene Hubschrauber-Landeplatz ist rund drei Kilometer entfernt am Virchow Klinikum in Wedding – aus Sicht der Flugsicherung kein Problem.