Die Technik kommt Foto: Ferdinando Iannone

Die Fruchtsäule musste weichen, das Zelt von Festwirt Marcel Benz durfte stehen bleiben. Nicht nur, weil Hofbräu das Bier ins Zelt und aufs Festival liefert, sondern weil Ostern und damit der Beginn des Frühlingsfestes sehr spät waren. Hätte Benz abgebaut, hätte er kurze Zeit später schon wieder mit dem Aufbau fürs Volksfest beginnen müssen. Weil man sich im Kessel gut kennt, die Wege kurz sind, einigten sich Benz sowie Christian Doll und Tobias Reisenhofer, die Geschäftsführer der Festival GmbH, darauf, das Zelt stehen zu lassen. Man hat einige Meter von den sechs Kilometer Bauzaun abgeknappt, um das Zelt einzufrieden.

Schwindelfrei muss sein, wer die Tribüne baut. Foto: Ferdinando Iannone

Wer über das 170 000 Quadratmeter große Gelände geht, begegnet also auch einem Bierzelt. In dem findet nichts statt, keine Maß Bier, kein Humtata. Blasmusik gibt es woanders, nämlich im 5000 Quadratmeter großen Palastzelt. Aber ganz anders als gewohnt. Am Freitag spielen dort Meute Techno mit Saxofon, Posaune, Querflöte, Sousafon und Trommeln. Auch Bosse oder Paula Hartmann treten auf. Und vorausschauend haben die Macher das Zelt um vier Stützen und zwei Segmente auf 5000 Quadratmeter erweitert. Nachdem man im Vorjahr wegen der EM vom gewohnten Termin weichen musste, wurde man für die gute Tat auch noch vom Wettergott mit Dauerregen bestraft. „Trotzdem hatten wir 15 000 bis 20 000 Besucher je Tag“, sagt Reisenhofer, nun kalkuliert man aber mit besserem Wetter und der gewohnten Gästeschar, also um die 50 000 Menschen.

Die Palastzeltbühne Foto: Ferdinando Iannone

Damit die sich wohlfühlen, malochen seit gut zehn Tagen 250 Menschen auf dem Wasen. Und wenn man sich nur mal eine Stunde dort umsieht und dabei von der Sonne geröstet wird, kann man sich kaum vorstellen, wie man da acht Stunden am Tag schleppen und schrauben kann. Reisenhofer: „Das ist schon anspruchsvoll, was die Leute da leisten.“ Und zu viel Pausen machen geht nicht, denn am Freitag um 11 Uhr geht es los. Die große Bühne mit ihren 36 Metern Breite und 20 Metern Tiefe steht schon da, sie wird nun mit Technik ausgestattet. Modell TVG1 Megaforce, sie wirkt so groß, wie der Name klingt. Und weil es nicht allzu viele davon gibt, muss man sie anderthalb Jahre vorher ordern. Bis 2030 haben Doll und Reisenhofer die Bühne für ihr Festival reserviert, schön, dass in diesem Land auch mal jemand positiv in die Zukunft schaut.

Der Übermorgen-Markt wächst wieder

Apropos Zukunft. Die Messe Futuromondo gönnt sich einen eigenen musikalischen Ableger beim Kessel-Festival. Und nicht nur nach morgen, sondern gleich nach übermorgen schaut man schon seit der Gründung 2019. Der Übermorgen-Markt war seit jeher Teil des Festivals. Aber in den letzten Jahren auch gerupft worden, durch Corona, durch Krisen, die wenig Raum für Utopien ließen. Voriges Jahr hatte man nur noch 45 Aussteller. Deshalb müssen sie dieses Jahr keine Gebühren zahlen, dafür ihre Stände selbst aufbauen. Der Anreiz funktioniert, knapp 100 Aussteller zeigen ihre Produkte, natürlich nachhaltig, gerne upgecycelt, wie man das nennt, wenn man Altes in neuem Gewand wiederverwertet. Viel Schmuck, Klamotten, aber auch Unternehmen aus dem sozialen Bereich. Was ist auch nachhaltiger, als mit Menschen zu arbeiten?

Begegnungen zu schaffen. Das war die Idee. So gibt es nicht nur die verschiedenen Bühnen, etwa für Kleinkunst auf der Kulturbühne oder für elektronische Musik auf dem Sattelplatz oder für Newcomer im Reitstadion, das dieses Jahr wieder bespielt wird, nachdem dort keine Flüchtlinge mehr wohnen. Zahlreiche Sportverein präsentieren sich und ihre Sportarten, der VfB ist dabei, die Footballer der Scorpions und Silver Arrows, die Handballer des TVB, die Eishockeyspieler der Rebels, die Baseballer der Reds, der Tennis- und Tischtennisverband laden zum Spielen ein, ein Beach-Volleyball-Turnier gibt es und 3×3-Basketball. Man kann Räder ausprobieren – und lernen, dass die Slackline eine Stuttgarter Erfindung ist.

Hand anlegen auf der Bühne. Foto: Ferdinando Iannone

Wer es eher mit Wasser hat, der kann an den Neckar. Typisch für Stuttgart, ist der Weg nicht leicht zu finden, es geht erst zum Kanuverein neben dem Reitstadion. Und dann muss man auf einer Brücke die Einfahrbahn von Mercedes überqueren, um an den Fluss zu gelangen. Aber ist man mal dort, darf man SUP fahren, Drachenboot oder Wakeboard, also auf der Bugwelle eines Motorbootes surfen. Übrigens Wasser, es gibt auf dem Gelände drei Zapfstationen für kostenloses Wasser.

Das Programm ab 16 Uhr ist nur für die Großen

Wer was anderes will, soll auch nicht dürsten. Jede der 20 Getränkestation hat einen eigenen Kühllaster, sagt Reisenhofer. Die Versorgung sollte also klappen. Wenn aber 30 000 Menschen vor der großen Bühne sind, Deichkind, Max Herre und Joy Denalane, Kontra K., Ski Aggu oder die Donots zu sehen, wird man trotzdem ein bisschen aufs Bier warten müssen. Nachdem in der Vergangenheit etliche Eltern mit ihren kleinen Kindern dachten, ganz vorne vor der Bühne stehen zu müssen, und sich hernach massiv beschwerten, dass das ja so eng, Toiletten und Getränke so weit weg gewesen seien, das Ganze null kindergerecht sei, und sich wiederum andere Besucher über die Kinder beschwerten, die umhertobten, zogen die Organisatoren Konsequenzen. Nun dürfen Kinder unter sechs Jahren nach 16 Uhr nicht mehr aufs Gelände der großen Festivalbühne.

Platz genug gibt es anderswo. Nur für die Fruchtsäule nicht. Die ist verräumt und liegt am Rande. Doch bald darf sie ja wieder die Hauptrolle spielen.

Das Kesselfestival

Tickets
Karten gibt es noch für fast alle Kategorien. Sie kosten zwischen 14,90 Euro bis 99,90 Euro. Der Preis hängt vom Zugang zu den Bühnen ab. 14,90 Euro ist das Basisticket für einen Tag mit Zugang bis 15 Uhr zur Palastbühne und 16 Uhr zur Hauptbühne. 99,90 Euro ist für zwei Tage mit dem kompletten Programm.

Öffnungszeiten
Das Festivalgelände auf dem Wasen ist am Freitag und Samstag von 11 Uhr bis 23 Uhr geöffnet.