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Ein möglicher US-Lieferstopp könnte den Verlauf des Ukraine-Kriegs entscheidend beeinflussen. Die Unterstützung Europas rückt damit wieder in den Fokus.
Washington – Laut Berichten von Politico und anderen US-Medien plant Washington, im Ukraine-Krieg vorerst keine weiteren Raketen für das Flugabwehrsystem Patriot an Kiew zu liefern. Das Pentagon relativierte diese Berichte zwar später, doch Zweifel bleiben. Der Blick richtet sich nun auf die Unterstützung aus Europa.
Waffen-Berichte sorgen für Verwirrung: USA relativieren Lieferstopp an Ukraine
Der mögliche Lieferstopp soll laut Berichten nicht nur Raketen für das Patriot-System, sondern auch Präzisionsartillerie und Granaten betreffen. Im Kreml wurde dies mit den Worten begrüßt: „Je weniger Waffen an die Ukraine geliefert werden, desto näher rückt das Ende der militärischen Spezialoperation“, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Anna Kelly, die Vize-Sprecherin des Weißen Hauses, erklärte in einer E-Mail an AFP: „Diese Entscheidung wurde getroffen, um die Interessen Amerikas an erste Stelle zu setzen, nachdem das Verteidigungsministerium die militärische Unterstützung und Hilfe unseres Landes für andere Länder auf der ganzen Welt überprüft hat.“
Die Nachricht traf Kiew unerwartet. Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte mit, keine offizielle Mitteilung über eine „Aussetzung oder Überarbeitung der Lieferpläne für die vereinbarte Verteidigungshilfe“ erhalten zu haben. Dmytro Lytwyn, Berater des ukrainischen Präsidenten, zeigte sich jedoch zuversichtlich, „dass sich in den nächsten Tagen alles aufklärt“. Tatsächlich relativierten US-Beamte wenig später die Berichte. Pentagon-Sprecher Sean Parnell betonte, das Verteidigungsministerium biete dem US-Präsidenten „weiterhin robuste Optionen für die militärische Unterstützung der Ukraine, die mit seinem Ziel, diesen tragischen Krieg zu beenden, im Einklang stehen.“
Auf Nachfrage erklärte Parnell, er werde nicht „darauf eingehen, welche Waffen pausiert wurden und wann wir was bereitstellen“. Tammy Bruce, Sprecherin des Außenministeriums, versicherte aber, dass es sich nicht um eine „Beendigung der Unterstützung für die Ukraine oder der Waffenlieferungen“ handele. Trump habe zudem sein Engagement für die Lieferung von Patriot-Raketen bekräftigt, so Bruce weiter.
Putin bewertet mögliche Taurus-Lieferung als Kriegsbeteiligung Deutschlands
Unterdessen bleibt die Diskussion um die Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers aktuell. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte in einem Interview für die ARD-Sendung „Maischberger“ am Montag (1. Juli), dass die Möglichkeit einer Taurus-Lieferung an die Ukraine weiterhin diskutiert werde. „Das Problem für uns ist, dass dieses System extrem komplex ist und es mindestens sechs Monate dauert, Soldaten in seiner Anwendung auszubilden“, so Merz. Eine Schulung habe noch nicht begonnen, doch „es bleibt als Option auf dem Tisch.“
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Austausch am Rande des G7-Gipfels in Kanada im Juni 2025 (Archivbild). © IMAGO/Michael Kappeler/Pool/dts Nachrichtenagentur
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuvor eine mögliche Lieferung als direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands gewertet. Merz betonte im Interview: „Nur eines ist absolut klar – und ich werde es in dieser Sendung noch einmal wiederholen: Deutschland wird keine Kriegspartei werden.“ Der Kanzler stellte klar, „dass unsere Taurus-Raketen von ukrainischen und nicht von deutschen Soldaten bedient werden“. Dasselbe gelte „übrigens auch für andere Marschflugkörper, die von Großbritannien oder Frankreich geliefert werden.“ Vor seiner Wahl zum Kanzler hatte Merz sich für eine Taurus-Lieferung ausgesprochen.
Im Juni hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hingegen erklärt, dass Deutschland keine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern plane. Berlin hatte zuletzt seine offizielle Linie geändert und macht Waffenlieferungen an die Ukraine nicht mehr öffentlich. „Ich möchte, dass Putin ein gewisses Maß an Ungewissheit darüber hat, was wir militärisch tun“, argumentierte Merz. Der Taurus hat eine Reichweite von etwa 500 Kilometern, Experten halten eine Lieferung an Kiew militärisch für sinnvoll. Allerdings handelt es sich nicht um ein Flugabwehrsystem. Ballistische Raketen können bislang nur mit den Patriot-Systemen aus den USA abgefangen werden.
Waffenlieferungen: Ohne US-Hilfe kann die Ukraine den Krieg nicht gewinnen
Unabhängig von der Taurus-Diskussion ist klar: Ohne US-Unterstützung kann die Ukraine den Krieg nicht gewinnen. Ein monatelanger Streit im US-Kongress über Ukraine-Hilfen hatte in der Vergangenheit bereits Lieferungen verzögert und die Ukraine geschwächt. Seit der Einnahme von Awdijiwka im Februar 2024 hat Russland deshalb laut Experten die Initiative im Ukraine-Krieg inne. Den ukrainischen Truppen ging damals die Munition aus und sie mussten sich schrittweise zurückziehen, um die Front zu verkürzen.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in einem Interview im März 2024 mit der Washington Post erklärt, dass ein Ausbleiben der US-Unterstützung bedeuten würde, „dass wir zurückgehen werden, uns zurückziehen, Schritt für Schritt, in kleinen Schritten“. Im vergangenen Monat warnte Selenskyj erneut vor den massiven Auswirkungen, falls die USA ihre Unterstützung einstellen oder reduzieren würden. Russland hatte zuletzt seine Luftangriffe verstärkt und greift dabei vermehrt zivile Ziele an. Am vergangenen Wochenende führte Moskau mit über 500 Drohnen und Raketen den größten kombinierten Luftangriff seit Kriegsbeginn gegen die Ukraine durch.