Auf die Bühne muss sie später allein. Sie sitzt auf einem weißen Klavier und singt, begleitet von einem Pianisten und einem Mann am Cello. Im Hintergrund bewegen sich riesige Blumen aus weißem Papier mechanisch auf und ab.

Es ist für Ellice etwas Besonderes, dass an diesem Abend nicht – wie sonst – nur ihre Mutter im Publikum sein wird, sondern auch ihr Vater, sagt sie. Früher habe sie oft bei ihm im Arbeitszimmer gesessen und mit ihm Songs „zum Spaß“ aufgenommen. Sie malt mit einem hellbraunen Stift Linien auf ihre Nase, Stirn und Wangen, um ihrem Gesicht mehr Kontur zu geben. Während ihre Mutter sie nach anfänglichen Zweifeln unterstützte, sei ihr Vater immer skeptisch gewesen, ob sie mit ihrer Musik einmal erfolgreich werden könne. „Danke, Papa“, sagt sie, lacht und verwischt die Linien mit ihren Fingern. Jeder Handgriff sitzt. „Ich weiß nicht, ob er mich damit anspornen wollte, aber ich wollte es ihm zeigen.“

Neben der Musik macht Ellice ihr Abitur. Statt zu lernen, geht sie trotzdem oft lieber shoppen am Ku’damm oder am Hackeschen Markt. „Ich bin nicht dumm“, sagt sie, „schlau, aber blond“ – ein Zitat von Shirin David, bekannt aus Songs wie „Bauch, Beine, Po“ oder „Nur mit dir“. Auch ihre Bühnenoutfits erinnern an die Rapperin: knappe Shorts, Crop Tops, ein weißes Blumenkleid mit Corsage, lange blonde Haare. Man könnte fast denken, es sei David selbst, die mit zwei Tänzerinnen auf der Bühne steht und Choreografien tanzt. Aber es ist Ellice, die mit den Hüften kreist.

So selbstsicher wie beim Tanzen auf der Bühne ist sie nicht immer. Ihre Songs handeln von der Angst, verletzt zu werden, und von der Suche nach Liebe. „Ich bin doch auch nur ein Teenage Girl“, sagt sie dazu und lacht. Ihr Gesichtsausdruck wird ernster, als sie sich mit einem Pinsel Puder auf die Wangenknochen tupft. Dabei rascheln die vielen Freundschaftsbänder mit Perlen, Herzen und Kleeblättern an ihrem Arm.

Quotation Mark

It’s about my life. Ich mache mich damit ziemlich nackig.

Ellice

Mehrmals habe sie die Schule wechseln müssen, weil ihre Schulkameradinnen sie ausgeschlossen hätten. „Ich habe nicht immer jemanden, mit dem ich reden kann“, sagt Ellice. Wenn es ihr schlecht geht, singt sie. Das hilft. Einen Streit mit ihrer Freundin von früher hat sie in ihrem ersten Song „Stummes Klavier“ verarbeitet. Es ist eines der ruhigeren Lieder, die Ellice vor dem Konzert nervös werden lassen – ein schwerer Song mit hohen Tönen, die sie treffen muss. Außerdem hat sie Sorge, dass sie auf der Bühne weinen wird, weil ihre Familie da ist. „It’s about my life“, sagt Ellice, „ich mache mich damit ziemlich nackig.“