Für die vietnamesische Wirtschaft sind Ausfuhren in die USA sehr wichtig. Wohl auch deshalb hat sich das asiatische Land auf ein Zollabkommen eingelassen. Euphorie herrscht in Hanoi aber nicht.
Von Ines Burckhardt, ARD Singapur
Die Moderatorin des Fernsehsenders CNBC wirkt sichtlich aufgeregt – dies sei die größte und überraschendste Nachricht des Tages, sagt sie: „Der US-Präsident hat verkündet, dass es einen Deal mit Vietnam gibt – Zölle in Höhe von 20 Prozent auf Vietnams Exporte in die USA.“
Das südostasiatische Land ist damit eines der ersten Länder, das sich im Zollstreit mit den USA einigen konnte. Ursprünglich hatte Donald Trump mit viel höheren Zöllen gedroht, nämlich mit 46 Prozent. Im Gegenzug stimmte Vietnam nun zu, alle Zölle für US-Importe in das Land abzuschaffen, sagt Michael Faulkender, stellvertretender Finanzminister der USA: „Das ist ein riesiger Erfolg für die Amerikaner, für die Landwirte. Wir haben den vietnamesischen Markt in einer Weise geöffnet, wie es uns noch nie zuvor gelungen ist.“
Keine Euphorie in Vietnam
Etwa 14.000 Kilometer von Washington entfernt sitzt Peter Kompalla in seinem Büro in Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam. Er ist sogenannter „Delegierter der deutschen Wirtschaft in Vietnam“ der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK). Große Euphorie sei in Vietnam nach Verkündung des Abkommens nicht ausgebrochen, sagt er.
„Und das war für mich überraschend: Es ist nicht mal das Titelthema in den Medien.“ Es habe eine Bekanntmachung der Regierung gegeben, die eher sachlich gehalten war. „Auch positiv-sachlich“, so Kompalla. Man sei mit dem Ergebnis zufrieden, weil man Klarheit habe. „Es ist aber nicht so, dass hier gefeiert wird.“
Abhängigkeit von Exporten in die USA
Dabei ist Vietnam mittlerweile sehr abhängig von den USA: Rund 30 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts gingen im vergangenen Jahr auf Exporte in die USA zurück. Textilien, Schuhe und Möbel sind die wichtigsten Güter für die Ausfuhr, Millionen Beschäftigte im Land arbeiten für diese Sektoren.
Viele internationale Firmen wie Samsung, Adidas oder Nike und auch chinesische Firmen haben einen Großteil ihrer Produktion in Trumps erster Amtszeit nach Vietnam verlagert, um schon damals die gegen China verhängten US-Zölle zu umgehen.
Viele Details des Abkommens noch unklar
Beim jetzigen Abkommen müsse man die Details abwarten, sagt Kompalla von der AHK in Vietnam. Denn Trump kündigte auch an, dass für sogenannte Transshipping-Waren, also Produkte aus Drittstaaten wie China, die über Vietnam in die USA gelangen, ein Zollsatz von 40 Prozent gelten soll.
„Und da ist die große Frage, wie genau das technisch definiert wird? Was ist Transshipping und was sind Produkte, die tatsächlich hier produziert wurden?“ Denn Vietnam sei ein Handelsland und auf Importe angewiesen – auch aus China.
Die wenigsten global agierenden Unternehmen hätten 100 Prozent ihrer Produktion, inklusive der Vorprodukte, der kompletten Verarbeitung und aller weiteren Dienstleistungen in Vietnam, gibt Kompalla zu bedenken. Für Unternehmen stelle sich deshalb jetzt die Frage: Werden ihre Produkte vielleicht doch mit 40 Prozent Zoll belegt, wenn sie sie in die USA exportieren, weil zum Beispiel einige Teile aus China kommen? Das könne man jetzt noch gar nicht abschätzen, sagt Kompalla.
Widerstand von China erwartet
Für Shawn Donnan, Wirtschaftsexperte bei Bloomberg News, ist die spannende Frage: Wie wird China reagieren? Im Podcast der US-Wirtschafts-Nachrichtenagentur sagte er: „Möglicherweise sehen wir bald Abkommen mit Ländern wie Thailand, Indonesien, Japan oder Südkorea.“ In deren Verträgen könnten ähnliche Bestimmungen enthalten sein, die auf China abzielen, so Donnan. „Das dürfte die chinesische Wirtschaft zunehmend isolieren. Das wird ihnen schaden. Entsprechend wird China Widerstand leisten.“
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob er damit recht behält. Faulkender, der stellvertretende US-Finanzminister, kündigte bei CNBC jedenfalls an: Spätestens nächste Woche erwarte er eine Reihe von Zollabkommen mit weiteren Ländern.