In den Achtzigerjahren war der Bülowbogen ziemlich heruntergekommen. Der Schöneberger Kiez unweit von Haupt- und Yorckstraße galt als eine der gefährlichsten Ecken West-Berlins. Auf der Straße wurden Drogen konsumiert, Obdachlose übernachteten auf dem verwilderten Gleisdreieck, nachts sollte man dort besser nicht spazieren gehen.

Zum Glück gab es Doktor Brockmann. Der Held der Fernsehserie „Praxis Bülowbogen“, gespielt vom unverwüstlichen Günter Pfitzmann, hatte keine Angst und ging im Notfall auch noch um 22 Uhr auf Hausbesuch. Er war kein Halbgott in Weiß, sondern ein Mediziner, über den die Menschen sagten: „Jeder Patient liegt ihm am Herzen.“

Zur Seite stand dem selbstlosen Hausarzt Anita Kupsch als seine stets resolute Arzthelferin. Gabi Köhler, so ihr Rollenname, schirmte Doktor Brockmann ab, wenn der Andrang zu groß wurde. Und widersprach heftig, wenn die Gerüchteküche brodelte und dem Lebemann vorgeworfen wurde, er habe neben seiner Ehefrau noch eine Geliebte. Nämlich sie, die Helferin.

Fast 10 Jahre im Programm der ARD

„Praxis Bülowbogen“ wurde von 1987 bis 1996 im ARD-Vorabendprogramm ausgestrahlt und im Schnitt von 3,5 Millionen Zuschauenden gesehen. Die 107 Folgen, in denen beherzt berlinert wurde, prägten das Bild von der Metropole vor und nach der Wende. Geschrieben hat sie Ulrich del Mestre, der zuvor bereits Drehbücher für die Kleine-Leute-Serie „Drei Damen vom Grill“ lieferte.

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Die Schauspieler Anita Kupsch (l), Günter Pfitzmann und Mareike Carrier während der Dreharbeiten zur Serie „Praxis Bülowbogen» 1991.

© dpa/Hubert Link

Vom Bülowbogen ist es ein kurzer Weg zum Nollendorfplatz, wo der Imbisswagen der Grilldamen Brigitte Mira, Brigitte Grothum und Gabrielle Schramm stand. Und Günter Pfitzmann lieferte ihnen das Fleisch. Mehr West-Berlin geht nicht. Zum Kosmos dieser untergegangenen Fernsehwelt gehörten auch Harald Juhnke, Heidi Brühl, Johanna von Kozcian und Cornelia Froeboess. Allesamt Boulevardtheatergrößen, manche sogar sogenannte Volksschauspieler.

Ursprünglich war sie Kosmetikerin

Anita Kupsch, 1940 in Berlin geboren, bei Tatjana Gsovsky Tanzen und bei Else Bongers Schauspielen lernte. Sie gehörte zum Ensemble des Renaissance-Theaters, des Hebbel-Theaters und der Komödie am Ku’damm.  Ursprünglich war sie zur Kosmetikerin ausgebildet worden, eine Erfahrung, von der sie als Schauspielerin profitierte. Botoxkuren lehnte sie ab: „Eine Schauspielerin braucht Mimik, die darf man sich nicht wegspritzen lassen“, erzählte sie der „Stuttgarter Zeitung“.

Die Schauspielerin Anita Kupsch und ihr Mann Klaus Krahn sitzen im Wohnzimmer in ihrer Wohnung im Jahre 2020.

© dpa/Jens Kalaene

Zum ersten Mal vor der Kamera stand Anita Kupsch 1960 für „Ninotschka und Peer“, einen biederen Ost-West-Liebesfilm. Es folgte das Fluchtdrama „Tunnel 28“ (1962), inszeniert vom aus Hollywood nach Berlin zurückgekehrten Thriller-Altmeister Robert Siodmak. Ihre Rollen wurden größer, in der Tucholsky-Verfilmung „Rheinsberg“ (1967), der Sexklamotte „Helgalein“ (1969) und Wolfgang Petersens erstem Kinofilm „Einer von uns beiden“ (1974).

Wirklich populär wurde Kupsch im Fernsehen. Sie drehte „Tatorte“, trat in legendären Serien wie dem Vorabend-Europol-Krimi „Okay S.I.R.“ und der Fallada-Adaption „Ein Mann will nach oben“ auf, zusammen mit Mathieu Carrière, Ursela Monn und Rainer Hunold. Präsentiert wurde dort ein anderes, älteres Berlin der kleinen Leute, vom Kaiserreich bis in die Weimarer Republik und mit dem Stettiner Bahnhof als Hauptkulisse.

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Am Donnerstag ist Anita Kupsch gestorben. Im Alter von 85 Jahren sei sie „friedlich eingeschlafen“, wie ihr Ehemann Klaus-Detlef sagte. Krahn und Kupsch waren seit 1986 verheiratet. Gesund war Kupsch schon länger nicht mehr, nachdem 2011 bei ihr Brustkrebs diagnostiziert worden war. Zuletzt lebte sie in einem Pflegeeinheim. „Ich bin zufrieden, sie ist endlich erlöst“, so Krahn. „Sie lag nur noch im Bett, hat mich nicht mehr verstanden und konnte sich nicht mehr äußern.“

Schlagfertigkeit war die wichtigste Waffe der Schauspielerin. Auf die Frage, wie viel Arzthelferin Gabi Köhler in ihr stecke, antwortete Kupsch: „Eigentlich gar keine. Außer dass sie eine Klappe hat. Und die Klappe habe ich auch.“ (mit dpa)