Es ist die mittlerweile dritte Fortschreibung des Leipziger Lärmaktionsplans, die am 26. Juni in der Ratsversammlung zur Abstimmung kam. Und eigentlich müsste man erwarten können, dass die Fraktionsmitglieder von AfD und CDU so langsam gelernt haben müssten, worum es beim Lärmaktionsplan eigentlich geht.

Aber: Sowohl AfD-Stadträtin Sylvia Deubel als auch CDU-Stadtrat Stefan Artmann gaben sich alle Mühe, völlig am Thema vorbeizureden. Verständlich, dass sich Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal dann fragte, ob die Stadträte der beiden Fraktionen überhaupt an den Sitzungen des Umweltausschusses teilgenommen hatten.Lärmaktionsplans sind sämtliche Kommunen in Deutschland übrigens durch den Bund verpflichtet.

Sie müssen immer wieder aktualisierte Lärmaktionsplanungen vorlegen und darin auch detailliert auflisten, was die Kommune gegen den gesundheitsschädlichen Lärm unternimmt.

Zum Eisenbahnlärm in Leipzig am Tag. Karte: Stadt Leipzig, LärmaktionsplanDer Eisenbahnlärm in Leipzig am Tag. Karte: Stadt Leipzig, Lärmaktionsplan

Denn Lärm ist gesundheitsschädlich. Worauf die Linke-Stadträtin Susanne Scheidereiter in ihrem Beitrag eingegangen ist. Sie ist Lehrerin, kennt also das Problem, wenn Lärm den Unterricht belastet. Und sie verwies auf eine Untersuchung aus Spanien, die belegt, wie Straßenverkehrslärm den Lernerfolg der Kinder nachweislich beeinträchtigt. Sieben Leipziger Schulen sind übrigens besonders stark von Verkehrslärm belastet.

Der motorisierte Verkehr ist nicht zufällig der Schwerpunkt in jedem Lärmaktionsplan. Er wird zusammen mit dem Straßenbahnverkehr, dem Eisenbahnverkehr und in Leipzig auch dem Flugverkehr untersucht. Dazu kommt noch der Lärm von Industrie und Gewerbe. Das ist alles klar definiert und eben nicht – wie die völlig das Thema verfehlende Sylvia Deubel behauptete – „ideologisch motiviert“.

Und auch Artmann wählte völlig falsche Argumente, als er behauptete, Straßenbahnverkehr würde von Betroffene als sechsmal stärker empfunden als Kfz-Lärm. Genauso wie er fälschlicherweise behauptete, der Lärmaktionsplan werde als „Kampf gegen Kfz genutzt“.

Aber das Argument erhellt die Position der CDU-Fraktion sehr deutlich, wenn man es neben den Hinweis von Susanne Scheidereiter stellt, dass vom Verkehrslärm in Leipzig vor allem die ärmere Bevölkerung betroffen ist, die Menschen, die gezwungen sind, sich preiswertere Wohnungen in der Nähe von oder sogar an Hauptverkehrsstraßen zu suchen.

Wer arm ist, hat mehr Lärm um die Ohren

Wer dort lebt, ist maßgeblich vom Verkehrslärm betroffen – oft sogar doppelt durch Kfz und Straßenbahnen. Die Zahlen kann man dem Lärmaktionsplan entnehmen. Durch Verkehrslärm sind über 42.000 Leipzigerinnen und Leipziger stark belästigt – also im gesundheitsschädlichen Bereich. Für über 15.000 bedeutet der motorisierte Verkehrslärm auch noch Störungen der Nachtruhe. Und wirklich viele Mittel hat die Stadt nicht, um diesen Lärm tatsächlich dauerhaft zu mindern.

Denn das hat wieder – wie Heiko Rosenthal feststellte – mit Geld zu tun. Der Flüsterasphalt, der in vielen Straßen den Lärm wirklich mindern würde, kostet nämlich Geld. Deutlich mehr Geld als die Anbringung von Schildern zur Geschwindigkeitsbegrenzung.

Weshalb oft das einzige bezahlbare und schnell umsetzbare Mittel die Verhängung von Tempo 30 ist. Was Stefan Artmann ganz offensichtlich wieder viel zu viel des Guten war. Er malte auch gleich wieder das Bild von Stadtangestellten in den Raum, die dann im Stau stehen.

Während Sylvia Deubel das Unheil in den beidseitigen Fahrradspuren auf der Straße sieht, die verhindern würden, dass die Straßenbahn separiert und die Gleise begrünt werden können. Dabei tragen auch die Radspuren zur Lärmminderung bei und kommen deshalb auch im Lärmaktionsplan vor. Am liebsten hätten Deubel und Artmann wohl gesehen, dass der Verkehr überhaupt nicht im Lärmaktionsplan vorkommt.

Die Lärmbelastung durch die Straßenbahn. Karte: Stadt Leipzig, LärmaktionsplanLärmbelastung durch die Straßenbahn. Karte: Stadt Leipzig, Lärmaktionsplan

Vom Straßenbahnlärm sind übrigens knapp 16.000 Leipzigerinnen und Leipziger stark betroffen, nicht ganz 8.000 werden dadurch auch im Schlaf gestört. Was nur zu verständlich ist, wenn man sich einige der Straßen anschaut, in denen die Straßenbahn noch auf alten Gleisen fährt und wo eine Komplexsanierung schon seit Jahren überfällig ist. Aber davon kein Wort bei Artmann und Deubel.

Fluglärm und Gewerbelärm

Logisch, dass Heiko Rosenthal diese beide Reden sehr bedauerte. Weil sie eben auch davon erzählen, wie wenig einige Fraktionen im Stadtrat im Stoff stehen und wie egal ihnen in Wirklichkeit die Gesundheit der Leipziger ist. Deubel wunderte sich auch noch darüber, dass auch der Fluglärm im Lärmaktionsplan vorkommt, obwohl Leipzig da doch gar nichts machen könnte. Stimmt schon.

Aber deshalb gehört er trotzdem zu den gesundheitsschädlichsten Lärmarten in Leipzig, auch wenn der Lärmaktionsplan nur die rechnerische Betroffenheit darstellt, nicht die individuelle. Aber die Karte im LAP zeigt sehr deutlich, unter welchem Lärmdruck gerade die Ortsteile im Leipziger Norden leiden.

Und auch das ist nur eine Berechnung, die auch die Auswirkungen des Missbrauchs der „kurzen Südabkurvung“ nicht erfasst, unter der auch die Ortsteile im Leipziger Westen leiden. Weshalb Leipzig ja extra eigene Fluglärmmessgeräte angeschafft hat.

Der rechnerisch ermittelte Fluglärm über Leipzig. Karte: Stadt Leipzig, LärmaktionsplanDer rechnerisch ermittelte Fluglärm über Leipzig. Karte: Stadt Leipzig, Lärmaktionsplan

Und die Karten zeigen natürlich auch, dass im Norden zusätzlich noch der Lärm aus den Industrieparks dazu kommt, sodass dort einige Gemeinden gleich unter drei großen Lärmquellen leiden: Verkehrslärm von der Autobahn, Fluglärm und Gewerbelärm.

Und die Mittel der Stadt, dagegen anzugehen, sind begrenzt. Das stellte sogar Artmann fest, der sich darüber wunderte, dass nur 39 Prozent der Maßnahme aus dem letzten Lärmaktionsplan vollständig umgesetzt wurden. Was – wie Heiko Rosenthal berechtigterweise feststellte – nun einmal am verfügbaren Geld liegt. Gerade der Komplexumbau von Straßen, bei denen auch echte Lärmminderung erreicht wird, kostet richtig viel Geld, das Leipzig nicht hat und künftig noch viel weniger.

Warum es oft nur Tempo 30 ist

Oft bleibt dann tatsächlich nur noch jenes Mittel, das die Autofahrer in Schwarz und Blau überhaupt nicht mögen: die Verhängung von Tempo 30 auf besonders lärmbelasteten oder schützenswerten Abschnitten wie vor Schulen und Krankenhäusern.

Für die Linksfraktion könnte in Sachen Lärmminderung sogar noch mehr passieren. Sie hatte extra noch einen Antrag geschrieben, der forderte, alsbald auch die Lärmminderungsprojekte aus der Priorität 2 in Angriff zu nehmen und für die vierte Fortschreibung des Lärmaktionsplans die Bürgerbeteiligung deutlich zu erhöhen. Bei der letzten Bürgerbeteiligung gab es immerhin 433 Wortmeldungen. Aber beide Antragspunkte bekamen am 26. Juni keine Mehrheit.

Und auch für die 3. Fortschreibung des Lärmaktionsplanes wurde es knapp, weil AfD, CDU und BSW dagegen stimmten. Die notwendige Mehrheit wurde mit 30:28 Stimmen knapp erreicht. Wobei Rosenthal extra darauf hingewiesen hatte, dass der Abgabetermin drängt und Leipzig den Plan unbedingt vorlegen muss, weil die Stadt dazu verpflichtet ist.